So großzügig wie er im Verteilen von Ohrfeigen war, so war er fast
in allen Belangen. Ich ging als Junge mal bei ihm beichten, und als ich in dem Gehäuse
gerade das Kreuzzeichen gemacht und den letzten Beichttermin angegeben hatte, sagte der
Oberpfarrer: Sage deinem Vater, Schalls Adam
und Zimmermanns Johann, am Sonntag nach dem Hochamt ist Kirchenvorstandssitzung, gelobt
sei Jesus Christus.
Er setzte zu dieser Zeit schon Reformen durch, die sonst eines
Konzils bedurften.
Einmal gingen wir zum Meßdienerüben, da trat Fußangels Berti
gegen eine Ekstein-Schachtel und siehe da, es waren noch 3 Zigaretten drin. Nun war
natürlich klar, daß wir die Zigaretten rauchen wollten.
Da wir aber kein Feuer hatten, holten wir uns das am Maria - Hilf,
wo ja ständig Kerzen brannten. Daß unser Küster, der Herr Dohmen, aber gerade die
Kommunionbank mit frischen Tüchern bezog, hatten wir nicht erwartet, er hatte uns
jedenfalls erwischt und sagte uns auch, daß er das dem Oberpfarrer sagen müßte.
Da der Küster uns schon manchmal eine Zigarette gegeben hat, indem
er eine Güldenring anmachte und diese dann fallen ließ, glaubten wir, er würde uns
nicht verraten. Dann aber, eines Tages, kam der Oberpfarrer dem Berti entgegen, rief
diesen zu sich und erkundigte sich nach dem Hergang mit Feuer und Rauchen.
Als Berti ihm den wahren Hergang erzählt hatte, gab's eine Ohrfeige
und den Kommentar: Do höt besser der Hong
drop jeschifft. (Auf die Zigaretten hätte besser ein drauf gepinkelt.) Wenige
Tage später mußte ich mich zum Rapport melden und erfuhr die gleiche Maßregelung.
In unserem Kloster war auch jede Woche ein bis zweimal eine Messe.
Ich vergesse nicht, ich war als Meßdiener eingesetzt, dann gab es in der Kapelle einen
Knall, alle schreckten auf und der Oberpfarrer gab mir ein Zeichen, einmal hinter den
Altar zu schauen, um zu sehen, was dieses erschreckende Geräusch verursacht hatte.
Ich gehorchte und stellte fest, daß der lange Stab zum
Kerzenanzünden und löschen umgefallen und auf den Fußboden geknallt war. Als ich dem
Pfarrer das leise während irgendeiner heiligen Handlung gesagt hatte, sprach er laut und
deutlich: Dat es Fraulücks Kroom.
So wäre über unseren Thomes, wie er mittlerweile von vielen genannt wurde, noch manche
Anekdote während des 1000jährigen Reiches zu berichten, z. B. war er unserem
mittlerweile neuen Hauptlehrer ein Dorn im Auge.
Den Hauptlehrer Schmalz hatte man damals von Pommern oder
Westpreußen ins Rheinland versetzt, um einen fremden echten Nazi in die Lehrerschaft und
auch in die ziemlich demokratische Gemeinde einzuschleusen. Wenn ich die Messe dienen
mußte, war die erste Frage vom Oberpfarrer: Wat
mat der Schmulz?
Ich mußte ihm dann erzählen, was sich in den Unterrichtsstunden so
abgespielt hatte, und er konnte dann in den Religionsstunden (die Priester durften ja zu
der Zeit noch in die Schule kommen) dementsprechend kontern.
Unser Hauptlehrer war ein Nazi durch und durch. Es verging kein
Aufmarsch oder Kundgebung in dieser Zeit, wo er nicht in SA-Uniform mitwirkte. Er hatte
zwar zu dieser Zeit schon mit Asthma zu kämpfen, aber er paßte auf alles auf, besonders
diejenigen, die nicht die Hand zum deutschen Gruß erhoben, wenn eine Hakenkreuzfahne
vorbeigetragen wurde, standen auf seiner Liste.
An den Tagen, wie z. B. die Rückführung des Saarlandes oder der
sudetendeutschen Gebiete ins deutsche Reich, erschien er morgens in Uniform, er hatte den
Sturmriemen unter dem Kinn und schrie dann schon aus der Ferne: Unserem glorreichen Führer und unserem deutschen
Vaterland ein dreifaches Sieg Heil.
Er hatte auch mittlerweile im Dorf hier und da Kontakte geknüpft.
Hier fand er Nährboden im Schützenverein, der damals im Laufe der übrigen Uniformierung
wieder echten Aufschwung bekam. Zudem war damals die Arbeitslosigkeit enorm geschrumpft
und das waren alles Argumente, die den kleinen Mann der NSDAP näher brachten.
Die deutsche Wehrmacht war zu dieser Zeit auch im Aufschwung. Es war
eine Augenweide, wenn zum Schützenfest ca. 10 Soldaten mitmarschierten und das in den
jeweiligen Ausgehuniformen. Ob Luftwaffe, Heer oder Marine, die Soldaten ernteten immer
großen Beifall und trugen zum Ansehen Deutschlands und des sogenannten Führers bei.
Die Soldaten bekamen während ihrer zweijährigen Dienstzeit ca. 20
Tage Urlaub und dieser wurde dann, wenn möglich, zur Kirmes genommen.
Orken stand auch Kopf, wenn die einzelnen Jahrgänge gemustert
wurden. Da kamen jeweils gut 20 Burschen zusammen, die dann auch die Gaststätten 24
Stunden beschäftigten.
Auch bekamen wir mittlerweile als sogenannte Schülerzeitung das
Hilf Mit"-Heftchen. Es kostete 10
Pfennige und jeder Schüler mußte es nehmen. Im Hilf Mit informierte man die Mädchen und
Jungen über BDM, Jungvolk, Hitlerjugend sowie SA, SS und alle anderen Organisationen, die
der NSDAP untergeordnet waren.
Auch war das früher übliche Gebet längst abgeschafft. Selbst im
Kloster in der Verwahrschule (Kindergarten) also in einer kirchlichen Einrichtung -
mußte man das Morgengebet umgestalten. Die Kinder begrüßten die Kinderschwester mit
Grüß Gott liebe Schwester, Heil Hitler.
Ich war damals im dritten Schuljahr, als wir in einer Woche zwei
Lehrpersonen von der kath. Volksschule Orken beerdigen mußten. Dies waren der Lehrer
Josef Glasmacher und Fräulein Lehrerin Lux.
Es waren wohl beide, vor allem aber Herr Glasmacher, Lehrkräfte vom
alten Schlag. Zu dieser Zeit hatten wir schon Gesangunterricht bei Herrn Lehrer
Angenheister und sangen dann jeweils am offenen Grab das Lied:
auf die Wanderung das
Geleite,
wandert mutig fort und an
jedem Ort,
sei Euch Glück und Heil
zur Seite,
wandern müssen wir auf
Erden
unter Freuden und
Beschwerden,
geht hinab hinauf unser
Lebenslauf.
Das ist unser Los auf
Erden.
Danach begann für die Orkener Schule lernarme Zeit. Die noch
vorhandenen Lehrkräfte gaben sich zwar Mühe, aber die meiste Zeit wurden wir von
Schülerinnen aus dem 8. Schuljahr unterrichtet.
Wieso und warum wir so lange ohne Lehrerersatz blieben, ist mir
heute noch ein Rätsel. Hier muß noch gesagt werden, daß die kath. Volksschule Orken aus
zwei Schulgebäuden, und zwar aus der alten Schule auf der Schillerstraße (früher
Schulstraße) und der neuen auf der Goethestraße (früher Kirchstraße) bestand.
Auf der Schillerstr. wurde bis viertes und halbes fünftes Schuljahr
und die oberen Klassen wurden in der neuen Schule auf der Goethestr. unterrichtet.
Eines Tages kam dann während des Unterrichts mit einer Schülerin
unser Herr Hauptlehrer, wir sprangen wie üblich auf und grüßten zackig mit Heil Hitler,
und er sagte nur: Ich stelle Euch euren neuen Klassenlehrer, den Herrn Wyrich
vor.
Unser Hauptlehrer Schmalz sah damit seine Mission beendet und
verschwand. Dafür übernahm unser neuer Klassenlehrer wie folgt das Wort: Meinen
Namen kennt ihr, ich mache nicht viele Worte ich sage euch nur: Schickt ihr euch
gut, dann habt ihr es gut, schickt ihr euch aber nicht gut, dann habt ihr die Hölle auf
Erden.
Da der Herr Wyrich den letzten Satz ziemlich laut von sich gab,
konnte ich ein gewisses Kichern nicht verhindern. Er fragte, wer hat da gelacht, ich
meldete mich, wie heißt du, ich nannte meinen Namen und siehe da, ich durfte mich über
die vordere Bank legen und bezog mit einem mitgebrachten Bambusstock, halb rot, halb gelb,
ein Meter lang, zwei Hiebe von unserem neuen Klassenlehrer. Ich kann gleich ergänzen,
daß ich gut drei Jahre mit Herrn Wyrich zu tun gehabt habe, aber es nie mehr zu einer
Tracht Prügel habe kommen lassen.
Er hatte aber diesen Vorgang nicht vergessen, denn als ich nach gut
drei Jahren in die Oberklasse versetzt wurde, rief Herr Wyrich mich wieder nach vorn und
meinte: Du hast von mir die ersten bekommen dann bekommst du auch die
letzten.Ich muß hier noch vermerken, daß dieser Bambusstock mit den Hintern aller
Schüler Bekanntschaft gemacht hat, mal weniger, mal mehr, die bei Herrn Wyrich Unterricht
gehabt haben.
Unser Lehrer Wyrich war ein strenger Lehrer, aber seine Lehrmethoden
waren einmalig. Ob es um Rechnen, Raumlehre, Deutsch oder auch um sportliche Bereiche wie
Turnen oder Schwimmen ging, er hat uns, wenn auch hier und da mit gewissem harten
Nachdruck zu Schülern gemacht, die überall im späteren Leben zurecht kommen konnten.
Obwohl er politisch mit unserem Hauptlehrer nichts gemeinsam hatte,
wußte er sich doch auch bei dem durchzusetzen. Unsere Klassen vom Lehrer Wyrich hatten
einen Ausflug zum Neandertal geplant, als an dem besagten Ausflugtag morgens der Bus schon
an der Schule stand, unser Herr Lehrer Wyrich aber noch nicht da war, fragte der Herr
Hauptlehrer was der Bus wolle.
Er bekam dann von uns zu hören, daß wir doch heute einen Ausflug
machten. Dann ging das Donnerwetter los: Davon weiß ich nichts, hier kann nicht
jeder machen was er will, der Bus (es war das damalige Busunternehmen Heinrich Nobis) kann
wieder nach Hause fahren.
Dann kam unsrer Philipp Wyrich und machte seinem Chef schnell klar,
daß es sich um eine Lehrfahrt und nicht um einen Ausflug handele. Für uns Kinder war das
damals ein wunderschöner Tag.
Ein weiteres bleibendes Erlebnis mit Herrn Wyrich war eine große
Waffensammlung, welche folgenden Ursprung hatte.
Da unser Klassenlehrer ein sehr sportlicher Typ war, hatten wir in
unserer Schule eine sehr gute Fußballmannschaft. Unser Nachbarort Gierath verfügte über
eine ebenfalls sehr gute Mannschaft. Orken und Gierath waren über Feldwege gerechnet 1o
Minuten voneinander entfernt. Jedenfalls kam zwischen den beiden Schulen ein Fußballspiel
zustande, welches von unserem Lehrer beaufsichtigt wurde.
Hierzu muß noch gesagt werden, daß wir uns in Kriegszeiten
befanden und laufend Soldaten in Quartier hatten. Einmal waren es welche, die den
Polenfeldzug mitgemacht hatten und zum anderen waren es Truppen, die in Bereitstellung
für die Westfront standen.
Wir Jungen hatten dadurch Gelegenheit, Pistolen, Degen, Säbel oder
Seitengewehre zu ergattern. Zu dieser Zeit war es gar nichts Besonderes, daß auch ein
Junger Bursche mal mit einer solchen Waffe angetroffen wurde.
Die 1. Halbzeit des Spiels war bestens über die Bühne gegangen, es
stand 1: 1 und dann begannen die Gierather auf eigenem Platz mit rüpelhaften Manieren und
lagen dann schnell mit zwei Toren in Führung. Dann hat wohl einer der von uns
zuschauenden Schüler (K.H. Thiemicke) seine Pistole gezogen und die mit einigen warmen
Worten in Richtung Spielfeld gehalten.
Das hatte ein Gierather Spieler gesehen und unseren Lehrer
informiert. Gleichzeitig übergab Thiemicke die Pistole an Josef Elsen, welcher bereits
ein Jahr aus der Schule entlassen war. Der Lehrer Wyrich ging auf Elsen zu, forderte die
Pistole und steckte diese in die Tasche mit der Bemerkung: Morgen setzen wir das
Fußballspiel in der Klasse fort.Die Pistole war ein Trommelrevolver, welcher den
Lauf aufgebohrt hatte, und in diesem nicht korrekt gebohrten Lauf steckte eine Kugel.
Josef Schmitz wollte unseren Lehrer auf den Zustand der Pistole aufmerksam machen, aber
wurde mit den Worten das ist nicht die erste
Pistole, die ich in Händen habe, abgeschmiert.
Nachdem am kommenden Morgen der deutsche Gruß getätigt war, ging
die weitere Begrüßung etwa in folgendem Wortlauf weiter: Wer von euch hat eine
Pistole oder eine gehabt, oder je etwas näheres gehört? Meldet euch, meldet euch, auf
ein oder zwei Tote kommt es mir heute nicht an.
Da wir ziemlich alle, gefördert durch die damalige Situation, schon
mal mit irgend einer Waffe in Verbindung gekommen sind, gab es kaum einen in der Klasse,
der nicht wenigstens einmal an diesem Morgen mit dem rotgelben Bambusstock Bekanntschaft
machte.
Derjenige, der seine Waffe an einen verkauft oder vertruschelt
hatte, bekam zuerst eine Sendung, mußte dann zu dem Käufer die Waffe holen. War dieselbe
nicht vorhanden, gab es wieder eine Sendung. Es war, kurz gesagt, ein schlimmer Tag für
die ganze Klasse. Unser Unterricht begann damals um 8.00 Uhr, wogegen die oberen
Schuljahre - zwar auch bei Herrn Wyrich - aber erst um 10.30 Uhr anfingen. Die waren durch
unsere Lauferei vorgewarnt und es lagen dann auch dementsprechend viele Krankmeldungen
vor.
Ob Pistole, Degen Säbel oder irgendeine andere Waffe jeder
mußte dieselbe mitbringen und durfte zusehen, wie teils schöne Waffen vernichtet wurden.
Ich übertreibe nicht, wenn ich behaupte, mit den damals bei der Waffensammlung
eingegangenen Waffen einen heutigen Antik-Markt bestücken zu können.
Wir Kinder lebten damals so richtig im Zeichen des Krieges. Aus
alten Kinderwagenachsen und Rädern wurden Geländewagen und Kanonen gebaut. Alte
Ofenrohre wurden unsere Kanonenrohre, entweder wurde das Rohr unten mit einer Flitsch
(Schleuder) versehen, oder eine Maggidose mit dichtem Deckel wurde eingebaut und mit
Karbid und Wasser wurde dann ein Knalleffekt erzielt.
Der Kriegsgegner der Orkener war damals vor wie nach das Negerend,
d. h. die Grevenbroicher Gegend zwischen Flutgraben und Bend. Spätestens auf Fastnacht
hingen wir auf jede Erftbrücke je einen alten Kuchendeckel mit der Kriegserklärung.
Zwischen Orken und Grevenbroich hat es nie eine herzliche
Freundschaft gegeben, ich behaupte, daß dieser Zustand noch immer anhält. Das fing
damals mit den Sportvereinen, Schützenvereinen und Musik- oder Gesangvereinen an, es war
keine ehrliche Konkurrenz, sondern wir Orkener fühlten uns immer verwindbeutelt.
Ein ganz schwarzer Tag war wohl, als man damals die ehemalige
Gemeinde Elsen in Grevenbroich einverleibte. Hierzu kurz ein Beweis.
Die Gemeinde Elsen war damals so reich, daß sie den Anliegern der
damaligen Kirch und Bahnhofstr. keine Kanalanliegerkosten zu berechnen brauchte; die
Anlieger mußten die Kosten auf ihrem Grundstück natürlich bezahlen. Nach 40 Jahren, in
der Wirtschaftswunderzeit, stellte die Stadt Grevenbroich fest, daß der damalige
Bürgermeister von Elsen, Herr Thiel, den Schenkungsvermerk vergessen hatte. Schon
flatterten den Anliegern die Anschlußkostenbescheide ins Haus.
Obwohl mittlerweile der Krieg begonnen hatte, und die ersten
Fliegeralarme die Nächte kürzer machten, gibt es hier und da Erinnerungen, die
festgehalten werden müssen.
Da gab es den Milchmann Albert Kuchinke, welcher in Elsen und Orken
bestens bekannt war. Er war nicht nur auf Fastnacht und Kirmes tonangebend, sondern stand
den Schwestern im Kloster auch bei der Bescherung der Kinder als St. Martin und Nikolaus
zur Verfügung.
Sein großes goldenes Buch war immer voll von guten und weniger
guten Taten. Es gab zu der Zeit eine Zeitungsbotin Namens Mösche Mariechen (Maria
Deußen), sie war etwas gehbehindert und konnte den Kindern nicht so schnell beikommen. So
kam es also, daß der St. Martin in der Verwahrschule folgende Frage stellen mußte:
Wer hat dem Möschen Mariechen mit Perdsküttel (Roßäpfel) beworfen?Darauf
Müllers Bubi: Das hat der Toni Stump gemacht.
Bei uns auf der damaligen Bahnhofstraße war auch immer etwas los.
Die Straße begann an der Flöhne-Eck und endete bei Brochs Lang. Man hört schon, die
alten dörflichen Beinamen waren noch in Mode.
In unserer unmittelbaren Nachbarschaft wohnten Pitternelle
(Schumacher), Flettebergesch (Hennen Olligs und Reibel), Bremsch (Müllers), Dohme Leo
(Hennen Leo), und Schlaumanns Hannes (Brings Johann.). Bei uns sagte man an Scheirmanns,
mein Großvater muß wohl der erste Friseur im Ort gewesen sein. Pitternelle Hupet und
Traut, die Senioren der Familie, beide gestandene Leute, Hupet seines Zeichens
Postbeamter, mit frechem Schnurrbart, Spielmann im Tambourcorps Orken, Taubenzüchter,
Zigarrenraucher und einiges mehr. Seine Frau Traut war eine fleißige und robuste, aber
gute Frau. Wenn wir Kinder etwas außerordentliches haben mußten, gingen wir, besonders
aber Reibels Toni, zu Traut. So auch als wir einmal rauchen wollten. Traut gab uns nach
langem betteln von Hupet einen Stummel Brasilzigarre und Toni, besser gesagt Tünnche,
brachte dem Herrn ein Rauchopfer. Dies geschah in Mickes Gässchen.
Dann gingen wir zu mir nach Hause, um eine Zinkbadewanne mit Wasser
zu füllen, es war nämlich warmer Sommer und wir Kinder wollten etwas planschen. Toni
saß auf dem Badewannenrand, aber noch bevor der erste Tropfen Wasser eingelassen war, lag
Toni unten in der Wanne. Ihm war die gute Brasil nicht bekommen, er sah aus wie eine
Leiche und es fiel uns schwer, ihn wieder zu Bewußtsein zu bekommen.
Mit Schlaumanns Hannes habe ich folgendes Ding erlebt. Das Haus
Brings war vorne mit einer Buchenhecke umgeben, ca. 1,80 m hoch. Die 16 bis 19jährigen
Jungen versammelten sich allabendlich auf Schalls-Eck und tauschten dann ihre Erfahrungen
und Vorhaben aus.
Ich habe wohl etwas nahe bei denen gestanden, war schon einmal
verwarnt worden, aber ich wollte doch etwas spionieren. Da packten mich 2 von den Burschen
und warfen mich über die Hecke. Mein Bemühen, die Hecke wieder zu überwinden,
scheiterte und verursachte etwas Krach, so daß Herr Brings die Fensterläden aufmachte,
um zu sehen, was in seinem Vorgarten vor sich ging.
Ich sagte sogleich: Herr Schlaumann die großen Jungen haben
mich hier herüber geworfen. Bis dahin habe ich nie gewußt, daß der Mann Brings
hieß. Er muß sich vor seinem Beinamen stets geekelt haben, denn er griff zum Stocheisen
und stürmte in einer Wut nach draußen.
In Anbetracht der Prügel, die mir bevorstanden, wurde ich zum
Hochspringer und überwand die Hecke beim nächsten Anlauf. Ich ging dann auf Distanz und
sah mir das weitere Geschehen an. Herr Schlaumann - Brings ging zu den Burschen hin,
verteilte einige heftige Ohrfeigen und keiner der jungen Herren wagte sich, die Hand zu
erheben.