Unter der Überschrift :Erlebtes und Erzähltes möchte ich, wenn auch nicht mein zweites Buch, aber immerhin meine erlebten Episoden soweit ich mich erinnere festhalten.

Nachdem meine Erinnerungen als Buch gebunden waren, stellte ich fest, daß vieles vergessen und nicht festgehalten wurde. So muß ich versuchen, soweit ich zurückdenken und mich erinnern kann alles erdenkliche zu Papier zu bringen.

Die Anfänge der elektrischen Energie (Strom) sind mir noch in Erinnerung. Wenn ich mich nicht irre, hatte meine Oma zu dieser Zeit noch das Sagen im Haus. Mein Vater hatte immerhin dort eingeheiratet, und diese Eingeheirateten hatten oft eine schwere Bürde auf sich genommen.

In der Landwirtschaft und in gewerblichen Betrieben wirkte sich so etwas noch viel schlimmer aus. Der Eingeheiratete, ob Schwiegersohn oder Schwiegertochter, mußte schon kleine Wunder vollbringen um eine gewisse Akzeptanz zu erlangen.

In der Küche unseres Hauses brannte noch sehr lange die Petroleumlampe. Dort wäre zwar das elektrische Licht am wichtigsten gewesen, aber es wäre wohl auch der meiste Strom dort verbraucht worden. Erst als feststand, dass die Kosten für Strom die für Petroleum - nicht weit übertrafen, wurde auch die Küche an das Stromnetz angeschlossen. Strom installieren hieß zu dieser Zeit: fingerdicke Rohre, außen eine Legierung aus Alu und innen eine Art schwarzen, filzähnlichen Belag. Diese Rohre wurden dann in die Ecken zwischen Wand und Zimmerdecke verlegt, wodurch dann nachher die Drähte gezogen wurden.

Die Anfänge des elektrischen Stroms sind für mich zwar noch in guter Erinnerung, aber ich war doch noch ziemlich klein als die ersten Drähte und Strippen in unserem Dorf gezogen wurden. In Abständen von ca. 50 Metern stand überall ein Telegraphenmasst, an deren obersten Enden eine Vorrichtung mit kleinen Porzellangefäßen angebracht war. Diese Porzellangefäße gewährleisteten ein 100prozentiges Isolieren der Drähte. Wir Jungen nahmen diese Porzellantöpchen mit unseren Schleudern oft unter Beschuß und trainierten dabei unsere Treffsicherheit.

Diese sogenannten Oberleitungen haben noch einige Jahre nach Kriegsende existiert.

Ebenfalls belieferte uns die NLK zu dieser Zeit mit Strom, welcher 110 Volt betrug. Ich bin zwar kein Elektriker, aber die ersten elektrischen Geräte, die im laufe der Zeit auf den Markt kamen, verfügten auch über den Anschlußwert von 110 Volt.

An elektrische Geräte kann ich mich in den ersten Jahren meiner Schulzeit nicht erinnern. Selbst in den Kirchen wurden die Glocken mit Seilen zum Läuten gebracht und der Orgel wurden durch einen Blasebalg die schönsten Töne entlockt.

Die eigentliche Elektrifizierung begann nach meinen Kenntnissen erst um 1950. Ob Waschmaschinen, Kühlschränke, Elektroherde, Kaffeemaschinen, Bügeleisen oder Staubsauger, der komplette Haushalt und Hausrat wurde umgekrempelt und die Hausfrau brauchte sich angeblich kaum noch zu bewegen.

In der Industrie, wo früher viel mit Wasser–und Windkraft, über Transmissionen die einzelnen Geräte und Maschinen angetrieben wurden, installierte man nun überall einen Motor. Die Voltzahl war mittlerweile auf 220 erhöht und außer Normalstrom gab es noch Kraft-und Starkstrom.

Der Verbrauch an kWh ging ins Unermeßliche. Das Schlimme bei der ganzen Sache war aber, dass, ob Braunkohle, Kohle, Rohöl oder Gas, sehr viel von den Rohstoffen, sagen wir ruhig, verpulvert wurde.

Wir haben in unserem Haus 1953 eine Koksheizung installiert und diese auch sehr lange, da in diesem Heizkessel auch Holz geheizt werden konnte, gebraucht. In unserem Laden fiel eine Menge Kistenholz an und weil die Heizung auch über Warmwasseraufbereitung verfügte, konnte unsere ganze Familie freitags von 3 Tomatenkisten und ein paar Apfelsinenkisten auch im Sommer ein Wannenbad nehmen.

In diesem Zusammenhang erinnere ich mich daran, dass ich mit meinem Kommunionpaar Erich Lörs des öfteren mit einem großen Bollerwagen (vierrädriger Handwagen) zum Gas- u. Wasserwerk nach Grevenbroich gefahren bin, und dort Koks geholt habe. Der ältere Bruder Kurt Lörs war dort beschäftigt und bekam zum Deputatpreis allmonatlich einige Zentner Koks. Nun kann ich aber nicht behaupten, dass dieser Koks dort hergestellt wurde. Ich erinnere mich wohl noch an einen großen Ofen, der ständig mit Kohle befeuert wurde. Es könnte allerdings auch sein, daß um diese Zeit im Grevenbroicher Gas- u. Wasserwerk das Gas noch selbst produziert wurde.

Sinn und Zweck meiner Schilderung ist aber darauf hinzuweisen, dass in früheren Jahren gespart wurde wo es nur ging. Obwohl Herr Lörs damals eine gute Stelle hatte, und nebenbei noch eine Gastwirtschaft mit Kegelbahn betrieb, wurde monatlich wenigstens einmal mit dem beschriebenen Gefährt vier Kilometer zum Wasserwerk gekarrt.

Bei dem Wort Kegelbahn fällt mir ein, dass wir uns immer als Kegeljungen bei den einzelnen Kegelklubs beworben haben. Wir mußten die Kegeln den Bildern Vorderkranz, Häuschen u. s. w. entsprechend aufsetzen und bekamen außer einigen Groschen Bargeld noch eine Limonade ausgegeben.

Wir leben ja praktisch auf der Braunkohle, aber um und nach 1960 wurde Schwer- und auch Heizöl zu einem Spottpreis angeboten. Die meisten Haushalte und auch die Industrie stellte auf Heiz- oder Schweröl um.

Die Zuckerindustrie beispielsweise, die total auf Braunkohle eingestellt war, stellte von einem Jahr zum anderen alles auf Schweröl um. Dieses Öl wurde von den Tankwagen sofort in die bereitstehenden Öltanks gepumpt, so dass einmal weniger Waggons die Fabriken belasteten und zum anderen gaben die Schornsteine nicht mehr ganz so viel schwarze Asche an die Umgebung ab.

Die Kraftwerke in unserer Umgebung, vor allem Frimmersdorf, waren an trüben Tagen regelrechte Smogbrutstätten. Wenn es die Regularien zum Smogalarm damals schon gegeben hätte, wären wir sehr oft betroffen gewesen. Die Industrie verfügte zu dieser Zeit zwar überall über eine enorme Lobby, aber die ersten Umweltschützer waren auch schon aktiv. Ich weiß nicht ob die „Grünen“ schon im Aufbruch waren, oder ob die Organisation „Greenpeace“ ihre ersten Aktionen startete, man hatte immerhin schon gemerkt, dass Wohlstand nur zu Lasten der Umwelt zu bekommen ist.

Es hat einige Jahre gedauert bis die Industrie anfing, ihre Abgasrohre und die rauchenden Schlote mit Filtern auszurüsten. Ich erinnere mich, daß die Landwirte im Raume Allrath, Barrenstein und Umgebung, das Blatt der Zuckerrübe wegen der Industrieablagerungen ( Erftwerk ) nicht als Silage verwenden konnten. Auch war damals bei Sinsteden, Rommerskirchen und Neurath ein Spritzmittel ( Herbizid ) wegen der von Rheinbraun ausgestoßenen Partikeln, nicht verwendbar.

Im Laufe der Jahre wurden alle Schornsteine mit Filtern und anderen Entschwefelungsanlagen versehen.

Auf diesem Gebiet wurde und wird besonders Kalk in allen Variationen verwendet. Man ist, nachdem die Grünen eine richtige Partei wurden, doch viel umweltbewußter geworden. Tatsache ist eben, daß die Lobby der Industrie nach wie vor ihre Vorhaben durchsetzt, aber doch unter Vorbehalten und Beachtung der jeweiligen Vorschriften.

Zurückblickend fragt man sich oft, was denn eigentlich gesunder für Mensch, Tier und Umwelt war?

Weil ich auf dem Lande aufwuchs, ist mir ja noch gut in Erinnerung, dass, ob in der Landwirtschaft oder auch in Privathäusern, die Dunggrube (Misthaufen) immer in unmittelbarer Nähe des Pumpenbrunnens war. Die Grube unseres Plumpsklos wurde immer entleert wenn die Frühkartoffeln gehäufelt waren und in jeder Reihe wenigstens ein Eimer untergebracht werden konnte. Wir hatten immer schöne Kartoffeln wobei  man nicht von einer dadurch verursachten Geschmacksbeeinflussung sprechen kann. Ich erinnere mich nicht, dass mein Vater irgendwann einmal Kunstdünger im Garten ausbrachte.

Wenn wir den Bauern im Feld helfen mußten, wurden verschwitzte Pferde, unsaubere Geräte und total verschmierte Feldfrüchte angefaßt. Ja, oft waren unsere Finger derart schmutzig, dass wir uns vor der Kaffeepause über die Finger pinkelten, um überhaupt etwas anfassen zu können. Davon ist meines Wissens noch nie einer krank geworden oder gestorben.

Es ist mir selbstverständlich klar, dass die Technik heute soweit fortgeschritten ist, dass man derartiges kaum noch erwähnen kann. Tatsache ist aber, dass die Menschen zu dieser Zeit, wenn auch bei mehr körperlicher Betätigung, auch immer satt wurden.

Da ich mein Arbeitsleben hauptsächlich bei der Zuckerfabrik verbrachte, und dort in der Landwirtschaftlichen Abteilung (Rübenbüro) tätig war, hatte ich Gelegenheit, diese Entwicklung, sei es technischer oder chemischer Art, vor Ort mitzuerleben.

In den Jahren 1950 bis 1955 waren Pferde- und teilweise auch noch Ochsengespanne die Fahrzeuge die uns den Rohstoff Rübe zur Fabrik brachten. Wenn in diesen Jahren Frühstücks- oder Mittagspause war, mußten zuerst einmal die Fliegen vertrieben werden. Als die Pferde ausgedient hatten, waren zwar kaum noch Fliegen vorhanden aber die Auspuffdämpfe der vielen Traktoren brachten auch Ungemach genug.

Die Chemie hatte enorme Fortschritte auf dem Kunstdüngermarkt gemacht. Mit natürlichem Stalldünger wurde kaum noch gedüngt. Dafür wurde alles hochgejubelt was chemischen Ursprungs war. Man pries beispielsweise Kalkamon ungeachtet der Inhaltsstoffe an Kalk und Stickstoff in kaum zu verantwortenden Mengen pro ha an.

Natürliche Kalkausbringung war verpönt. Es dauerte aber kaum ein Jahrzehnt bis man sich in vielen Fällen revidieren mußte. Ich möchte von den Spritzmittel die der Landwirtschaft teilweise unkontrolliert und zu wenig auf die Gefährlichkeit hinweisend, an und in die Hand gingen, nicht reden. Es sind mir wohl einige relativ junge Landwirte im Gedächtnis, die an furchtbaren Krebsleiden verstorben sind.

Die moderne Zeit fordert eben auch ihre Tribute. Es kann nicht angehen, dass z. B. die Medizin zum Wohle der Menschheit ungeahnte Fortschritte erfährt, und andere Begebenheiten auf der Stelle treten.

Ich weiß selbst, daß ich noch sehr konservativ eingestellt bin, aber was sich in der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg, also von 1950 bis 2000 abgespielt hat, wäre in früheren Jahren für 5 Generationen Erlebnis und Erfahrung genug gewesen.

Nachdem der Traktor Einzug in der Landwirtschaft gehalten hatte, war die Technisierung von einem Tag auf den anderen derart rasant, dass innerhalb von fünf Jahrzehnten kaum noch das bekannte, „Tüpfelchen auf dem i“ irgendwo fehlte.

Auf den Getreidefeldern bewegen sich hochmoderne Mähdrescher mit Klimaanlagen, die uns das mühsame Mähen, Aufstellen, und das spätere Aufladen der Garben, sowie das handarbeitsintensive Dreschen vergessen lassen.

Das Stroh wird wahlweise zu kleinen Ballen, die manuell zu bewältigen sind, oder in schwere Rund- oder Viereckballen gepreßt, die nur maschinell bewegt werden können.

Der Rübenacker wurde früher von der Saat bis zur Ernte von vielen fleißigen Händen bearbeitet. Die Zuckerrübe ist immer schon die Königin aller Feldfrüchte gewesen. Der Bauer konnte von dieser Feldfrucht auch königliche Gelderträge erwarten. Heute fahren bis zu zwölfreihige Sägeräte, hochmoderne Herbizid- und Fungizidspritzen sowie technisch ausgereifte Rübenroder und Verlademaschinen über den Rübenacker

Als wir damals die ersten Statistiken erstellten, lag das Fuhrendurchschnittgewicht  bei Ca. 30,00 dt. reine Rüben je Fuhre. Zur Zeit schätze ich, wird bestimmt das achtfache Gewicht mit jeder Fuhre transportiert.

Da die Bauern kaum noch Kühe oder sonstige Rindviecher haben, wird das Rübenblatt, das früher zur Futtergrundlage gehörte, restlos untergepflügt. Man hat aber auch erkannt, dass die Blattdüngung dem Boden zusätzliche Stickstoffgaben zuführt und somit die Stickstoffdüngung geringer ausgebracht werden kann. So sind in der Landwirtschaft neuerdings Erkenntnisse eingekehrt, die von der älteren Generation zwar wahrgenommen, aber nicht mehr praktiziert werden können.

Die Zeit der angeblich dummen Bauern ist lange, lange vorbei.

Der heutige Bauer ist nicht nur Ackersmann, er ist Maschinenfachmann, Chemiker, Kaufmann und wenn nötig auch Viehzüchter. Leider nimmt von Jahr zu Jahr die Zahl der Betriebe immer mehr ab, und damit verliert der schöne Beruf Landwirt an Zuspruch und Aktualität.

Es gibt wohl keinen Berufsstand der vom Modernisieren, Technisieren und Rationalisieren so überrollt wurde wie die Landwirtschaft.

In den Jahren um 1960 mußte der Bauer, der jährlich von Schmied, Stellmacher und Sattler oft nur einmal eine Rechnung bekam urplötzlich mit maschinengedruckten Abrechnungen und dem Zahlungsmittel Scheck fertig werden. Ich erinnere mich, dass ein Geschwisterbetrieb aus Bedburdyck nach ungefähr einem Jahr den ersten Verrechnungsscheck noch nicht eingelöst hatte. Als ich dann die Leute aufsuchen mußte, lag alles schön sortiert in einem uralten Pult weil außer einem Sparbuch keinerlei Bankverbindung vorhanden war. Aus diesem Grunde wußten die Geschwister mit dem Scheck nichts anzufangen. Auch die Übernahme in die Rentenversicherung war für manchen Bauern ein Problem. Man mußte monatlich die Beiträge zahlen, und mit 65 Jahren die Selbstständigkeit und damit den Hof an die Nachkommen abgeben.

In der Ortschaft Wallrath weiß ich mich zu erinnern, war ein alter Bauer, der seinem Schwiegersohn den Betrieb nicht übergeben wollte und dem Staat lieber seine, wenn auch kleine Rente überließ.

Wenn ich an solche Begebenheiten denke überkommt mich die Wehmut. Mein Geburtsort war auch ein Bauerndorf, indem ich mit den Bauern immer schon zu tun hatte. Wir selbst hatten ja auch Schwein, Ziege und Hühner und wenn meine Mutter mit der Ziege zum Bock ging, erzählte man uns Kindern: „Die Ziege muß ihre Nägel geschnitten haben“. Von Hennen (Dohme Leo) habe ich schon einiges in meinen Lebenserinnerungen erzählt. Ich habe aber auch viel bei Schlipper gearbeitet und wurde dort auch für meine Begriffe gut entlohnt.

Eines Tages komme ich auf den Schlippershof, da kommt mir der Hofhund Harry entgegen. Frau Schlipper bat mich den Hund wieder an die Kette zu legen, weil der sich losgerissen hätte. Obwohl ich mit dem Tier immer gut fertig wurde, biß er mir beim Anketten tüchtig in den Hintern. Ich fuhr zum Arzt, bekam eine Tetanusspritze und mein Hinterteil wurde mit einigen Klammern wieder zurecht gemacht. Nun hatte ich aber auch Hose Unterhose und Hemd kaputt, was eigentlich von der Versicherung hätte beglichen werden müssen. Es stellte sich später heraus, daß Herr Schlipper zwar versichert war, aber diesen Schaden, warum auch immer, nicht gemeldet hatte. In meinen Flegeljahren habe ich dem Baas, so nannte man den Bauer Schlipper, dafür einige Stallfenster mit meiner Schleuder zertrümmert.

Es gab aber noch eine ganze Reihe anderer Bauern in Orken und überall war Leben in der Bude. Alle hatten sie vom Pferd über Kuh, Schweine und Hühner so ziemlich alles was an Vieh bekannt war. Ein Konzentrieren auf eine gewisse Zucht oder Art oder bestimmte Gemüse- oder Getreidesorten gab es damals nicht. Wenn irgendwo eine Stute auf ihr Fohlen wartete, schliefen wir oft einige Nächte als Geburtshelfer im Pferdestall.

Ganz besonders interessant war es, wenn auf den Höfen ein junges Pferd erstmalig eingespannt wurde, oder die ersten Hufeisen angepaßt bekam. Eine willkommene Beschäftigung in den Wintermonaten war das Bewegen der Pferde . Wir haben damals keinen Reitunterricht bekommen aber diese praktischen Reitübungen sind uns noch gut im Gedächtnis. Wenn nämlich die Pferde einige Tage nicht gearbeitet hatten, waren sie derart wild, daß wir uns nicht immer auf den breiten Pferderücken halten konnten und runter purzelten. Für einen Reitsattel war bei den Bauern kein Geld vorhanden.

So ging das mit den Bauern, der Landwirtschaft und mit mir nach dem Krieg weiter.

In den ersten Nachkriegsjahren war ich froh, bei meinen Dorflandwirten für Futterage anstelle Geld arbeiten zu können, und im Berufsleben war es wieder der Bauer und die Landwirtschaft womit  ich in erster Linie beschäftigt war.

Für mich stand schnell fest, dass der bäuerliche Berufsstand einer der besten im ganzen Land war. Ja, man hat früher immer vom dummen Bauer gesprochen. Ich möchte diesen Ausdruck nicht befürworten, aber der Bauer war allzeit brav. Wenn auf Versammlungen oft irgend ein Produkt gepriesen, oder eine gewisse Art des Ackerns in den Vordergrund gebracht wurde, und ein knappes Jahr später genau das Gegenteil propagiert wurde, habe ich kaum einmal eine dementsprechende Diskussion erlebt.

Die jungen Landwirte, die heute ihren Berufsstand verkörpern sind natürlich schon von der Ausbildung her ihren Vorfahren weit überlegen. Da läßt sich kaum noch einer ein X oder U vormachen wo es nicht hingehört. Wenn es in der Landwirtschaft mal so weit kommt, dass der Landwirt das, was er verkauft auch selbst in Rechnung stellen kann und die Preise, wie jeder Handwerker, auch selbst bestimmt, brauchen die Bauern keine Subventionen mehr.

Man stelle sich einmal vor:

„Der Milchviehbauer liefert seine Milch an die Molkerei

und die Molkerei sagt ihm später wieviel Liter es waren,

was an Fettgehalt vorhanden war und

welchen Preis er dafür bekommt.

Bei Getreidelieferungen wird auch wieder Gewicht,

Trockengehalt, Schmachtkornanteil, Faltzahl u. s. w.

festgestellt und der daraus resultierende Preis

vom Produktenhändler errechnet.

Die Zuckerrübenabrechnung erfolgt ebenfalls von der Fabrik

wobei wie in den genannten Fällen Gewicht, Zuckergehalt und Schmutzprozente, sowie der Preis

vom Empfänger der Ware erstellt wird.

Mein Resümee für die lange Zeit in der ich

mit der Landwirtschaft zu tun hatte, lautet:

„Von der Landwirtschaft läßt sich gut leben.“

Der Zwischenhandel und all diejenigen, welche die landwirtschaftlichen Produkte vermarkten, profitieren mehr als der Landwirt. Andererseits muß ich natürlich auch erwähnen, daß die Bauern fast alle nach dem Krieg durch Bauland reich geworden sind. Jedes Dorf und vor allem unsere Städte sind nach dem Krieg sehr viel größer geworden, was zeitweise den Bauern gute Erträge eingebracht hat.

Die erfolgreichste Fruchtfolge der Landwirte war wohl

Weizen, Zuckerrüben und  Bauland.

Aber auch diese Episode war nicht von langer Dauer. Die aus derartigen Verkäufen erwirtschafteten Gelder mußten, wenn sie nicht innerhalb kurzer Zeit ins Betriebskapital einflossen, mit dem Fiskus geteilt werden. Dennoch stand auch damals schon auf fast jedem Bauernhof ein Mercedes, natürlich ein Diesel, weil der Dieselkraftstoff subventioniert oder bezuschußt wurde.

Nun will ich die Bauern nicht nur in den Himmel heben, aber die Tatsache, dass auch heute noch die meiste körperliche Arbeit in der Landwirtschaft anfällt, ist doch nicht zu leugnen. Wenn auch manche Arbeitsvorgänge automatisch erledigt werden, so ist doch die Arbeit im Stall, die Erntearbeit und die Arbeit im Gemüsebau mit enormer körperlicher Anstrengung verbunden.

In meinem Gedächtnis sind soviel Erlebnisse mit Bauern, in allen Orten unseres Einzugsgebietes, ob positiver oder negativer Art gespeichert, wovon ich einiges mal zu Papier bringen muß.

Mein Revier erstreckte ich von Krefeld bis Pulheim und von Neuwerk bis Norf. Die erste landwirtschaftliche Revolution erlebte ich in der damals noch relativ kleinen Ortschaft Osterath. Dort verkauften die zwei größten Landwirte, die sich übrigens gerade zu einer Betriebsgemeinschaft zusammen gefunden hatten, große Flächen an die Gemeinde und ermöglichten damit, dass Osterath sich derart entwickeln konnte. In Osterath waren und sind bald nur moderne und gut fundierte Betriebe. Die Stadtnähe, Krefeld / Düsseldorf, läßt sich dort nicht verleugnen. Dort gab es schon Pferdezucht und Reitställe, als bei uns noch jeder mit körperlicher Arbeit  sein Geld verdiente. Es war in dieser Wirtschaftswunderzeit   einfach so, dass alles aus dem Boden zu wachsen schien. So auch Tankstellen. Ein kleiner Landwirt in Osterath verkaufte von einer 2 Morgen großen Parzelle 1/3 an eine Mineralölgesellschaft und bekam so eine Tankstelle gleich in die Nähe seines Hofes. Den Rest der Parzelle bepflanzte er im Frühjahr mit Frühkartoffeln und anschließend mit Porree. Von diesen Feldfrüchten konnte er durch den Publikumsverkehr der Tankstelle fast alles selbst vermarkten und er erzählte mir einmal freimütig:“ Wenn ich noch eine solche gewinnbringende Parzelle hätte, bräuchte ich nichts anderes zu tun.

In Kaarst hatten einige Bauern das Glück, ihre Parzellen gegen gutes Geld an Kies- und Sandbaggereien für einige Jahre zu verpachten. Die jetzige Stadt Kaarst war auch ein einfaches Bauerndorf mit über 50 fleißigen Landwirten. Dort wurde sehr viel Gemüse und viel Weißkohl (Kappes) angebaut. Es gab in Neuss und auch in Kaarst einige Sauerkrautfabriken, die ihren Rohstoff aus dem genannten Umfeld bezogen. Ich erinnere mich, dass der Landwirt Johann Bahners einmal einen Betrieb übernommen hatte, wo der Betriebsleiter verstorben war und die Bäuerin mit einigen teils noch kleinen Kindern allein dastand. Er baute von den gut 50 Morgen, die er übernommen hatte, 40 Morgen Weißkohl ohne jeden Kontrakt an und bekam einen enormen Preis für die Ware. In der Ortschaft Kaarst habe ich mich immer wie zu Hause gefühlt. Ich hatte zu allen Bauern ein sehr gutes Verhältnis, obwohl es dort auch wie überall, Bauern aller Kategorien gab. Es gab eine Portion finanziell gut situierter, es gab arme und trotzdem saubere und es gab hochnäsige Bauern die man auch mit Nassauer betiteln könnte. Ob ich an den Herrn Wilms vom Husemeshof, den Herrn Langenfels, dem man noch den Hauptmannstitel des Vaters anmerkte, ob es die Gebrüder Meyer waren oder der dicke Küppers, mit allen habe gerne zu tun gehabt. Hans Willi Küppers ist leider im vergangenen Jahr verstorben. Sein Vater war noch als Knecht in Büttgen bei einem Bauer und machte sich in Kaarst dann selbstständig. Küppers hatten einige Tausend Legehennen, die zwar in Käfigen, aber peinlichst sauber gehalten wurden. Der Hühnermist wurde in einem großen Güllekeller zu Hühnergülle reifen lassen und dann ausgepumpt und auf die Parzellen gebracht.

Einmal war der Güllekeller nach dem Auspumpen wohl nicht sauber genug und Hans Willi mußte hinunter steigen um den letzten Rest zusammen zu fegen. Dass unten der Sauerstoff fehlte, merkte er zu spät. Zum Glück schaute sein alter Vater in die Öffnung und sah den Sohn unten liegen. Wie der Senior Küppers seinen Sohn wieder in sauerstoffreiche Zonen gebracht hat (Hans Willi wog 150,- kg) war kaum zu verstehen.

Der Betrieb Gebrüder Meyer baute zwar auch Gemüse an, aber dort war die Kartoffel die erste Frucht. Meyers hatten auch immer Zuckerrüben, aber der Betrieb war durch die vorhandenen Betriebsangehörige in der Lage, flexibel zu sein und dementsprechend auch einmal etwas lukratives zu tun, was nicht im Betriebsplan vorgesehen war. Es gab den Heinrich Meyer, der für Hof und Kartoffelsaat verantwortlich war und den Peter, der  mit seinem Unimog bemüht war, die Ernte an die richtigen Abnehmer zu bringen. Außerdem war noch ein Bruder im Betrieb und ein weiterer Bruder betrieb gleich in Hofnähe eine Metallfensterfertigung. Ein stets mit besten Bullen gefüllter Stall sorgte mit dafür, daß bei Meyers die Kasse stimmte. Einmal war außer mir auch Dr. Meier vom Veterinäramt bei Meyers und mußte die Bullen impfen. Wie die Herren sich zwischen den Bullen gebärdeten, gefiel mir überhaupt nicht und ich ließ das die Herren auch wissen. Mir wurde natürlich gesagt, das ist für uns Gewohnheitssache. Bei meinem nächsten Besuch sagte man mir aber, dass die Gewohnheitssache um ein Haar ins Auge gegangen wäre, zum Glück war aber die ganze Mannschaft vor Ort. Von da an wurden bei Meyers nur noch Charleroibullen, das sind diese hellen belgischen Tiere, die von Natur aus in allen Belangen sehr ruhig sind und dementsprechend schnell an Gewicht zunehmen, gehalten. Die Gebrüder Meyer waren auch frühzeitig dabei, am Hof Frühkartoffeln und auch Spargel zu verkaufen.

In Kaarst gab es auch den Bauern Ferdinand Baumeister. Dieser hatte eine Menge Töchter und zwei Söhne. Als die Söhne den Hof nicht übernehmen wollten, machte Herr Baumeister kurzen Prozeß und gab den Hof auf. So wie ich weiß, hatte er einige Parzellen Bauland, so daß er finanziell seine Familie auch ohne Hof durchbringen konnte. In meinen letzten Berufsjahren und auch als Rentner konnte ich feststellen, dass von den Töchtern einige als tüchtige Bäuerinnen in Kaarst agierten.

Im alten Kaarst zählte man damals weit über 50 Bauern. Als Ortsbauernführer hatte man Herrn Hans Angerer verpflichtet. Er führte den Posten zu aller Zufriedenheit aus, obwohl er kein gebürtiger Kaarster war. Der Hof, welcher von der Familie seiner Frau stammte, war der Neu Frommenhof, einer der ersten Aussiedlerhöfe. Hans Angerer rauchte genau wie mein Kollege Grandke und ich Reval. Der Sohn von Hans Angerer wurde früh in die Verantwortung (Mitinhaber) einbezogen.

Es gab außer dem dicken Küppers noch einen Küppers, es waren zwei mal Weyen, Josef und Karl Josef, sowie noch zwei Wilms und einmal Wierich in Kaarst. Auch gab es den Platen Esel, Platen hatten als Maskottchen einen Esel. Oder Karl Heinz Kallen mit seinem Dreimädelhaus. Der jetzige Großgärtner Schmitz entstammt einem Bauernhof. Fräulen Münchov darf ich nicht vergessen, dort ging man noch von der Küche in den Kuhstall. In ihrer Nähe gab es den Bauern Niemöllmann, der damals immer den Posten eines Sachverständigen bekleidete. Der Aussiedler Toni Robertz ist mir auch noch gut in Erinnerung. Obwohl ich noch lange nicht alle aufgezählt habe, möchte ich mit dem ersten Marktbesteller aus der Kaarster Landwirtschaft, dem ehemaligen Dorfbauern Theo Knorr, dessen Vater schon ein Orginal war, vorerst aufhören.

Es bleibt für mich ein Rätsel, wo das Land gelegen hat, welches von all den teilweise großen Bauern bearbeitet wurde.

Kaarst war auch die Ortschaft, welche die ersten Höfe aussiedelte. Es entstanden mitten im Feld wunderbare Aussiedlerhöfe, die nachher mit genau so schönen Wirtschaftswegen dafür sorgten, dass die Aussiedler mit dem Dorf und ihren Nachbarn immer verbunden blieben.

Das gesamte Kaarster-Kreuz sowie die Trassenführungen der anderen Autobahnen haben die Ländereien und auch die Kaarster Bauern enorm dezimiert. Manch einer hing seinen Beruf an den Nagel und ließ sich ausbezahlen, andere nahmen eine Aussiedlung außerhalb der Region Kaarst in Kauf. Ein solcher Aussiedler war Theo Röhrhoff der in Willich eine neue Bleibe fand. Sein Vater war wohl im Krieg gefallen und so mußte die Mutter sich mit ihren Kindern alleine durchschlagen. So erging es auch Frau Berrisch. Sie hat auch ihre Kinder so erzogen und angelernt, dass der Sohn immer mit allen anderen Landwirten in Kaarst schritthalten konnte.

Mit der Oma Berrisch verband mich aber auch die sogenannte Wettervorhersage. Bei Frau Berrisch -so gut wie bei mir- waren die Quatembertage maßgebend, wie sich das Wetter in den einzelnen Monaten eines jeden Quartals entwickelte. Wenn ich die Familie Berrisch aufsuchte, saß Oma meistens am Eiersortiergerät. Außer uns beiden gab es noch Hans Schlangen aus Hemmerden und Friedrich Schreiber in Herberath, die wettermäßig von den Quatembertagen ausgingen und daraus ihre Schlüsse zogen. So kam Herr Schreiber einmal kurz vor der Kampagne und wollte seine gesamte Liefermenge gerne in den ersten zwei Lieferwochen bringen. Er sagte uns voraus, dass die kommende Rübenkampagne lt. Quatembertagen eine sehr feuchte Angelegenheit würde, und er behielt recht.

Zu der Ortschaft Willich fällt mir folgende Erzählung eines Landwirten ein. Wir befuhren den Anna-Rütten-Weg und ich erkundigte mich nach dieser Dame. Ich mußte erfahren, daß Anna Rütten eine Hebamme war, die in den ersten Nachkriegsjahren auf dem Weg zu einer Entbindung ermordet wurde. Der Anna Rütten Weg verband zu dieser Zeit als Feldweg schon zwei weit von einander entfernte Ortsteile von Willich. Nur derjenige der Willich wirklich kennt, wird bestätigen, wie weiträumig und wie viele Ortsteile diese Ortschaft hat. Da gab es damals die Fellerhöfe, die Hoxhöfe, die Holterhöfe, die Streithöfe, es gab die Moosheide, Willicherheide, Münchheide, Dickerheide und Niederheide. All diese Höfe- und Heidebewohner sprachen vom Dörp (Dorf) und meinten damit selbstverständlich die eigentliche Ortschaft Willich. Es gab dann auch noch die Willicher Hardt, aber das war so viel mir bekannt ist, immer eine eigenständige Ortschaft. Wenn man jetzt mal überlegt, dass in all diesen Ortsteilen wenigstens sechs bis sieben große Bauernhöfe und einige Privathäuser standen, bekommt man in etwa eine Vorstellung von der Weiträumigkeit der Flächen und von den Strecken, die von Ärzten, Hebammen und überhaupt gelaufen oder per Fahrrad bewältigt werden mußten, um heute zu sagen, kommunizieren zu können. Obwohl ich jährlich wenigstens zwei mal nach Willich kam, hat es bei mir Jahre gedauert bis ich den ganzen Komplex Willich intus hatte. Trotzdem hatte ich auch in Willich, und zwar in den Streithöfen, gute Freunde.

Da gab es den Bauern Werner Baumeister, der von Statur ziemlich klein war, aber dafür viel Geist und Kraft entfalten konnte. Als der erste Allkaufmarkt in Düren eröffnet wurde, stand Werner jeden Samstag mit einem großen Zug handlich verpackter Kartoffeln früh morgens dort auf dem Parkplatz und machte seine Geschäfte ohne Zwischenhandel. Wenn Werner dann mittags bei uns ankam stand ein Teller Erbsensuppe für ihn bereit. Der zweite Baumeister wohnte auch auf den Streithöfen, aber der war das Gegenteil von Werner. Günther Baumeister hatte wohl reichere Eltern und darum einen besseren Start als Bauer. Er hatte in der Eifel eine Jagd, und wenn er nicht im Haus war, sagte seine Frau mir nur :“Herr Moll wir haben doch Vollmond, dann ist mein Mann auf Jagd. Günther Baumeister war für mich fortan der Schreibtischbauer.

Auch Willich war von Autobahnbauten in Mitleidenschaft gezogen. Dort habe ich auch manchmal erlebt, dass Landwirte ihren Betrieb umstrukturieren oder auch ganz schließen mußten.

Willi Possberg stellte damals zuerst auf Bullen um, mußte aber seinen Betrieb, als wieder eine Autobahn entstand, ganz aufgeben. Ein Kollege von ihm fing notgedrungen mit Erdbeeren an, bevor man irgendwo anders diese Kultur auf größeren Flächen anbaute. Zu bemerken ist noch, daß die Willicher Bauern ihrem Berufsstand alle Ehre machten. Die gesamte landwirtschaftliche Struktur, die in unseren Dörfern doch sehr konzentriert war, ist ab Willich, am Niederrhein entlang aufgelockert. Wir bekamen die Bauern aus dieser ganzen Krefelder Gegend in Wevelinghoven in der Fabrik kaum einmal zu sehen. Dort hatte man sich schon schnell darauf eingestellt, die Rüben per Spediteur zu liefern. Auch hatte nicht jeder kleine Bauer, wie es hier üblich war, jedes landwirtschaftliche Gerät. Einige gute Lohnunternehmer bewältigten dort schon recht früh von der Saat bis zur Ernte die Maschinenarbeiten.

Aus Osterath, Willich, teilweise Kaarst, aber auch Kempen, Kleve und Krefeld hatten wir von Kampagnebeginn an mit den Spediteuren Gebr. Tolls, Kohlenhandlung Tolls, Kiesgrube Schmitz, Willi Hack und einer Spedition aus der Klever Gegend zu tun.

Einige Jahre später hatte sich dann noch Herr Mannfrerd Fritzen selbstständig gemacht. Herr Fritzen war noch ein relativ junger Mann, der sehr fleißig war. Er fing mit einem alten Lanz an, war morgens der Erste und abends der Letzte. Leider geriet er irgendwann im Kollegenkreis in schlechte Gesellschaft. Als ich im Jahr 1992 in Rente ging, war Fritzen nirgendwo auffindbar, ob er dem Finanzamt ausweichen mußte oder ob ihm irgendwo etwas zugestoßen war, habe ich nicht erfahren.

Man macht sich eben über Menschen, die der Arbeit wegen das Haareschneiden und ab und zu die Körperpflege vergessen, seine Gedanken. Auch die anderen oben genannten Spediteure gehörten täglich von morgens bis abends zum Inventar unserer Zuckerfabrik.

Beim Thema:“ Landwirte am Niederrhein „ komme ich nicht umhin, an die Familie Mund aus Kempen zu denken. Der landwirtschaftliche Betrieb Mund war aus der Aachener Gegend der Kohle wegen nach Kempen evakuiert worden. Der Senior der Familie, Klaus Mund, war wie die ganze Familie, sehr zuvorkommend und umgänglich. Ob Hof, Maschinen oder die umfangreichen Ländereien, bei Munds war alles in bester Ordnung. Da Senior und auch nachher Junior Willi Mund passionierte Jäger waren, stand irgendwo in der Eifel auch eine eigene Jagd zur Verfügung. Wenn die beiden Herren zur Jagd fuhren, oder auch schon mal wenn sie zurück kamen, wurde bei mir manchmal Halt gemacht und eine Tasse Kaffee getrunken. Als ich vom Tod des alten Herrn erfuhr, der während ich in Urlaub war verstarb, war ich sehr betroffen. Als aber eines montags sämtliche Medien die Nachricht brachten, daß der jun. Mund seine ganze Familie mit dem Jagdgewehr ermordet hatte und sich dann selbst tötete, war jeder, der die Familie Mund gekannt hatte, erschüttert und betroffen.

So hat man im Laufe der Zeit viele Erfahrungen mit Bauern gemacht und dass da auch einmal etwas unerfreuliches bei ist, liegt in der Natur der Sache.

Für mich war es außerordentlich interessant, den kleinen Bauern, aber auch die Herren Hofbesitzer, ja selbst Rittergutsbesitzer, kennenzulernen. Ich habe mit allen ein gutes, bis sehr gutes Verhältnis gehabt. Bis in die Jahre um 1965/70 war ein Bauer der zwischen 30 und 50 ha. Land bearbeitete ein Großbauer, der kaum auf seinem Hof selbst Hand anlegte. Zu dieser Zeit konnte man noch das schöne Lied von den Knechten und Mägden und all sein Gesinde singen.

In der Ortschaft Jüchen erlebte ich, dass an einigen Wochentagen einige Landwirte ab 11,00 Uhr in einer bestimmten Gaststätte am Markt anzutreffen waren.

Heute ist es keine Seltenheit, daß ein Hofinhaber, ob Pächter oder Eigentümer, der 100 ha unter dem Pflug hat, seinen Betrieb mit einem Mitarbeiter bewirtschaftet. Ein solcher Betrieb kann sogar auch noch auf spezielle Früchte eingerichtet sein, wobei Viehhaltung natürlich nicht in Frage kommt.

Die junge Generation der Landwirte hat zwar an körperlicher Arbeit nicht mehr ganz so viel zu leisten, wie ihre Vorfahren, aber die Alten waren noch Herr im Haus und konnten auch eher einmal etwas an Land dazu kaufen, weil die landwirtschaftlichen Produkte zu dieser Zeit noch gute Preise brachten, wogegen diese zur Zeit tief im Keller liegen. Eigentlich wollte ich aber noch etwas über die größeren Höfe und deren Betriebsleiter, sei es Pächter oder Eigentümer, sagen.

Augenblicklich stehen 7 bis 8 große Höfe, die irgendwann vom Rheinischen Schulfonds übernommen oder gekauft wurden zum Verkauf. In Ramrath sind das der Ramrather-Hof und Haus-Kamp. Die Familien Bong und Broich, die seit Generationen diese Höfe sehr gut bewirtschaften sehen sich praktisch, wenn auch nach einer Karenzzeit, vor die Tür gesetzt.

Als damals die ersten Rübenroder eingesetzt wurden hatte der Ramrather-Hof auch ein solches Gerät. Der Roder wurde über eine Zapfwelle vom Traktor aus in Funktion gesetzt und, da diese Zapfwellen noch nicht überall den vorschriftsmäßigen Schutz hatten, wurde der Vater des jetzigen Betriebsleiters, Herr Heinrich Bong, von einer solchen Zapfwelle einmal splitternackt ausgezogen. Er hatte großes Glück, daß er nur einen leichten Blaumann trug und nicht in die Welle gezogen wurde. Bei Bongs wurden seitdem alle Unfallvorschriften besonders intensiv beachtet.

Theodor Broich von Haus Kamp war in den 40 Jahren in denen wir uns kennen, immer ein guter, fortschrittlicher Landwirt, dem nirgendwo etwas anbrannte. Er fuhr Jahrzehnte lang einen Unimog, der von ihm wie sein Augapfel gepflegt wurde. Herr Broich hatte meine Sympathie, weil er stets eine Gabel an seinem  Unimog hatte mit der er jede Rübe aufpickte, gleich ob verwogen oder nicht, die auf unserem Fabrikhof lag. Er konnte es nicht ansehen, daß etwas, was gewachsen war, in den Dreck gefahren wurde. Wenn man seinen Hof betrat, wurde einem auch immer ein positiver Eindruck vermittelt. Bei ihm war alles an Ort und Stelle und es war alles, ob Stall, Garten, Haus oder Hof, sauber und gepflegt.

Der Hof Zweifaltern bei Kapellen ist auch noch einer der Rheinischen – Schulfonds - Höfe welcher zum Verkauf steht. Diesen Hof kenne ich auch mindestens 40 Jahre. Die Familie Hensen war lange Jahre Pächter und seit ca. 25 Jahren bewirtschaftet die Familie Bulich den Hof sehr erfolgreich. Es will mir eigentlich nicht in den Sinn, warum diese Pächter, die alle gute Bauern sind, die Kündigung bekommen haben. Vielleicht gibt es irgendwo einen Multi, der sein Geld anlegen muß?

Während meiner Zusammenarbeit mit der Landwirtschaft ist mir natürlich auch manches begegnet, was nichts mit Tradition und Ehre des alten, echten Bauernstandes zu tun hat. Es gab Verwalter auf Betrieben, die sich selbst hochjubelten, aber weder Kenntnisse auf landwirtschaftlicher Basis noch als Betriebsleiter offenbarten. Das schlimme aber war, dass die Betriebe trotzdem noch soviel Rendite brachten, dass dem Eigentümer die Untüchtigkeit seines Verwalters nicht auffiel. Dass Verwalter, auch aus dem zu verwaltenden Betrieb, Produkte auf eigene Rechnung veräußerten, gab es auch. Andererseits sind mir Verwalter begegnet, die eigentlich unbezahlbar waren.

Herr Simonis war als Verwalter auf dem Frohnoverhof ein leuchtendes Beispiel. Er war der Sohn eines kleinen Eifelbauern und hatte sich durch Fleiß und Können seine Stellung erarbeitet. Die Scholle, also der Acker, war für ihn der größte Reichtum des Bauern. Durch seinen Fleiß und seine fortschrittlichen Anschaffungen hatte er die Achtung seiner Berufskollegen und des Eigentümers von Boeselager schnell erworben. Als er in Rente ging, hatte er einen seiner Mitarbeiter so ausgebildet, dass dieser seine Nachfolge bestens erfüllte. Herr Simonis hat leider nur kurze Zeit das Rentnerdasein genießen können, er wurde von einer schweren Krankheit heimgesucht und verstarb viel zu früh.

Sein Nachfolger, der Herr Seegers, kurz Charlie genannt, hat alle guten Eigenschaften des Herrn Simonis übernommen und erfreut sich genau wie sein Vorgänger der Zuneigung und Achtung seiner Kollegen, sowie des gesamten Bekanntenkreises.

Der größte Hof in Barrenstein wird seit einigen Generationen von der Familie Hoverath bewirtschaftet. Wie man mir erzählte, soll eine Bedingung des Pachtverhältnisses sein, dass Hoveraths so lange Pächter bleiben können oder sollen, wie ein männlicher Nachkomme der Familie Hoverath vorhanden ist, der in der Lage sein muß, den Hof zu übernehmen. Zur Zeit führt ein Sohn des Herrn Rainer Hoverath den Betrieb. Während meiner Berufsjahre waren die Gebrüder Hoverath federführend auf dem Hof. Leider sind beide Herren schon einige Jahre verstorben. Beide waren gute Landwirte und in Barrenstein geschätzt. Die Gebrüder und auch deren Familien hatten, soviel mir bekannt, immer ein gutes Verhältnis. Rainer bemühte sich immer mehr um das Geschäftliche, wogegen der Bruder dem Hof und dem Acker vorstand.

Es bleibt mir unvergessen, als ich mit meinem Kollegen Martin van Look die Hoveraths wegen Kalkausbringung besuchen mußte. Unser Chef, Herr Zimmermann, wollte mit uns fahren, nahm aber seinen eigenen Wagen, weil er anschließend noch einen Termin im Raume Barrenstein hatte. Die Gebrüder Hoverath hatten eine 6 ha Parzelle abgeerntet und wollten diese mit Karbokalk gedüngt haben. Bei unserer Anfahrt sah ich, dass Rainer Hoverath in der benachbarten Rübenparzelle saß und dort sein Geschäft machte. Daraufhin verlängerten wir unseren Weg etwas und brauchten ihn nicht in Verlegenheit zu bringen.

Wo ich einmal in Barrenstein bin, möchte ich doch die anderen Bauern auch wenigstens noch ansprechen.

Es gab nämlich genug von der Sorte. Da war unter anderem Adam Weibeler, Hardy Mostert, Heinrich Poschen, Alex Lachowitz, Paul Schlechtriem, es gab zwei mal Öhmen, Karl Heinz Spelderich, van der Fuhr, Hans Schumacher (der „Bauer“ genannt), zwei mal Breiden und Josef Holzweiler. Letzterer wurde von uns zuerst Töte Jupp und später, rehabilitiert, Herr von Kannen genannt.

Josef hatte viele Jahre die Milch bei seinen Bauernkollegen abgeholt und diese zur Molkerei gefahren, daher „von Kannen“ oder „Töte“ was auf Plattdeutsch auch Milchkanne heißen soll. Josef Holzweiler hatte früher seine Reparaturen immer mit Draht, Blech und Kordel ausgeführt. Glücklicherweise hat er den Betrieb frühzeitig aufgegeben und bei uns auf der Zuckerfabrik angefangen. Den gleichen Weg ging Paul Schlechtriem auch und beide Bauern fühlten sich bei uns sehr wohl. Es wäre eigentlich über jeden ein Roman zu schreiben, was natürlich nicht geht.

Da war Karl Heinz Spelderich, der als Ferienkind im zweiten Weltkrieg durch eine Ferienaktion erstmalig bei den Geschwister Öhmen unterkam und dort nach dem Krieg hängen blieb. Alex Lachowitz muß wohl als polnischer Gefangener oder Zwangsarbeiter in Barrenstein hängengeblieben sein.

Mit Adam Weibeler und seiner Familie habe ich auch ein gutes Verhältnis gehabt. Adam hat ganz klein und unter schwierigen Bedingungen als kleiner Bauer seine Familie ernähren müssen. Dies war nur durch Fleiß und intelligenter Betriebsführung möglich. In seiner Frau Hubertine hat er natürlich eine fleissige Partnerin gefunden. Wenn wir in der Fabrik irgendeine Neuheit, sei es Futtermittel, Carbokalk oder aber auch bei der Saat und der Ernte neue Verfahren entwickelt hatten, war Adam immer unser Versuchskaninchen. Man konnte ihn getrost zu den Pionieren der Neuentwicklungen zählen. Nachdem die Kinder groß waren und der Hof außerhalb Barrensteins ausgesiedelt wurde, hat ein Sohn die Verantwortung übernommen, und die Eheleute Weibeler verbringen einen schönen Lebensabend mit vielen Reisen und Veranstaltungen.

Es gab in unmittelbarer Nähe von Barrenstein noch den Heiderhof und den Hof Schnabel, welcher von den Geschwister Mumm bearbeitet wurde. Mumms waren sehr nette Menschen, sie erkannten zum Glück die Existensschwierigkeit und gaben die Landwirtschaft auf. Der anderer Hof in dieser Region, den eine Tante ihrem Neffen vererbt hatte, sah  selbst in den Wirtschaftswunderjahren, weder nach Fortschritt noch nach guter Führung aus. Der arrogante Betriebsleiter konnte sich zwar in Gutsherrenart präsentieren, aber verstand es nicht, sich auf bäuerliche Art bei seinen Berufskollegen, die geringste Achtung zu verschaffen. Als aber eine seiner Parzellen als Bauland ausgewiesen wurde, bestieg er das sogenannte hohe Roß. Er konnte einige Transaktionen landen, wobei er auch plötzlich über Baugelände für die Industrie verfügte. Aber die inneren Werte hatten dadurch keinen Aufschwung erlebt. Einmal erlebte selbst meine Frau, wie er sich bei einer ambulanten Behandlung im Krankenhaus regelrecht flegelhaft den weiblichen Patienten gegenüber benahm.

Ein Landwirt aus einem Gilbachort hatte ihm eine kleine Parzelle verkauft, um eine Kühlhalle für den Gemüsebau errichten zu können. Als die Zeit der Ernte da war, schickte der Gilbachbauer seinen Sohn mit dem Mähdrescher, um die verkaufte Parzelle abzuernten, damit der neue Eigentümer frühzeitig über die Parzelle verfügen konnte. Der Sohn, und auch dessen Vater waren sehr erstaunt, dass der neue Besitzer schon geerntet hatte, und dass dieser auf einen klein gedruckten Passus im Vertrag hinwies, wonach er zur Ernte berechtigt war.

Wie gesagt, auch in der Landwirtschaft ist kein Ding unmöglich. Es passiert immer wieder, daß ein Großbauer plötzlich nicht mehr seinen Verpflichtungen nachkommen kann. Der Grund in solchen Fällen ist meistens unsolider Lebenswandel.

Von Barrenstein bis Wevelinghoven ist es ja auch nur ein Steinwurf. Wenn ich den alten Wevelinghovenern wie Blücher (Adam Schilden) oder auch einigen Arbeitskollegen vom Kuhdorf Wevelinghoven sprach, hätten die mich am liebsten gesteinigt. Rückblendend bleibt meine Behauptung, obwohl Wevelinghoven schon recht früh die Stadtrechte bekam, stabil. Die Bauernschaft der angeblichen Gartenstadt begann bei Kremers Hannes im ersten Haus links, hinter der Zuckerfabrik und endete am Beester-Höffje, Heinrich Leufgen, kurz vor Langwaden.

Der Name Kottman war drei mal als Bauer vorhanden, Korbmacher gab es zwei mal, Koppen Ferdinand und Koppen Geschwister, festzuhalten ist, dass die Geschwister Koppen sehr lange mit einem schönen Pferdegespann ihre Rüben brachten. Auf der Römerstraße waren noch Heinz Vitus, Josef Lutter, Johann Leufgen, Schäfer und der ehemalige Küster Hintzen war auch Landwirt. Außerdem gab es noch den Bauern Wilhelm Conrads, Rudi Hörig, Jakob Kronenberg, Fritz Bremer, Anton Stöcker, Gebrüder Weirauch und den Hof Haus-Busch welcher von dem Landwirt Julius Dreesbach bestimmt zwei Generationen bewirtschaftet wurde. Ich habe bestimmt noch einige vergessen, aber zutreffend ist doch, daß alle mit ihrem Los zufrieden waren und auch einigermaßen recht und schlecht gelebt haben. Zur Zeit macht Wevelinghoven tatsächlich eher den Eindruck einer Stadt, von den aufgeführten Bauern sind nämlich kaum noch 1/5tel vorhanden.

Es wäre eine Sünde nichts über die damalige Rüben- und Apfelkrautfabrik Kother zu schreiben. Obwohl in der rübenarmen Zeit auch diese kleine Fabrik für Pfeifer und Langen ein Konkurrenzunternehmen war, muß neidlos anerkannt werden, dass in diesem kleinen Betrieb eine erstklassige Qualität produziert wurde. Kother war weit und breit für beste Qualität bekannt, leider fehlten auch dort die Nachkommen, so dass dieser Betrieb schon sehr früh die Produktion einstellte.

Den Namen Blücher habe ich schon einmal kurz erwähnt. Über ihn und die Dynastie Schilden möchte ich doch einige Sätze sagen. Alle Schildens sind Urwevelinghovener. Adam Schilden, also Blücher, war zwar in erster Linie Fuhrunternehmer, aber seine Gedanken waren wohl meistens beim Schützenzug, dem er als Oberst, zuletzt als Generaloberst, vorstand. Blücher fühlte sich in Uniform erst richtig angezogen. Als Fuhrunternehmer fing er nach dem zweiten Weltkrieg in Wevelinghoven mit seiner Spedition an. Er selbst fuhr einen LKW, der zwar auf vier Rädern stand und auch mit einem Lastkraftwagen viel Ähnlichkeit hatte. Das meiste Geld aber brachte ihm sein sogenanntes Feldhuhn ein, welches besonders in der Kampagne Tag für Tag in der Zuckerfabrik eingesetzt wurde. Diese Kiste hatte mit einem T. Ü. V. abgenommenen Wagen nichts gemeinsam und wurde auch nur auf unserem Fabrikgelände eingesetzt. Blücher war ein lieber Kerl und in Wevelinghoven und Umgebung geachtet und beliebt. Er baute, später mit seinem Sohn Fritz gemeinsam, eine Spedition mit einigen schönen Zügen auf.

Der zweite, Adam Schilden, er lebt übrigens noch, ist Bismark. Bismark ist das Gegenteil von Blücher, was Uniform anbelangt. Im zweiten Weltkrieg verlor er ein Bein und konnte nur mit Mühe und Not sein Baugeschäft aufbauen. Dies gelang ihm aber trotzdem, und er hatte teilweise um die dreissig bis vierzig Leute beschäftigt.

Dann gab es noch die Vetter, das Omnibusunternehmen Schilden, welches in all den Jahren in unserem Gebiet führend war. Außerdem gab es noch einen Vetter, und zwar den Schildens Küster, der Kirchenmusik studiert hatte und als Junggeselle mit seiner Schwester zusammen lebte.

Das Rittergut in unserem Nachbarort müsste eigentlich, gemessen an den Baulandverkäufen, über enorme Reichtümer verfügen. Da aber der letzte Betriebsleiter einige Autounfälle, teils mit tödlichem Ausgang verursachte, sind auf diesem Wege enorme Gelder dem Betrieb verloren gegangen. Die Familie Brünglinghaus muß zwischen 1925 und 1930 das Rittergut gekauft haben, weil irgendwo im Ruhrgebiet eine Fabrik den Hof oder das Gut ihrer Familie besonders aber die Flächen haben mußte. Die Familie Brünglinghaus war in Noithausen schnell eine der angesehendsten Familien. Sie bestand aus den Herren Franz und Alfred und wie ich glaube -vier hochvornehmen Damen, die aber alle sehr menschliche Züge verkörperten. Bei Brünglinghaus gab es schon solange ich zurück denken kann, einen Wagen mit Fahrer. Als Kind habe ich oft bei Brünglinghaus Rüben vereinzelt. Dort war alles in Ordnung. Natürlich sind auch hier ziemlich alle Familienmitglieder unverheiratet geblieben. Ich glaube, dass zwei der Damen geheiratet haben und auch Nachkommen haben, wovon ein Sohn aber jung gestorben ist. Franz Brünglinghaus ist auch relativ früh an einer schweren Krankheit verstorben. Zum Glück hat das Rittergut in den letzten 30 Jahren einen sehr guten Verwalter gehabt, der in allen Belangen beste Ergebnisse vorzeigen kann.

Es gab in Noithausen noch die Gebrüder Schiffer, Franz Schieren, Raukes, Pannes, Poschen und Dorn. Schiffer und Schieren waren auch relativ große Bauern die dem Rittergut manchmal gleichkommen wollten. Ich erinnere mich ,daß Schiffers Winni, er war der jüngere der beiden Söhne, oft wie ein Gutsherr hoch zu Roß mitten in der Woche in Orken an der Gaststätte Alderath ankam und dort bei der Gastwirtstochter Eindruck schinden wollte. Josef hieß der ältere Sohn, aber auch er war zwar Bauernsohn, konnte aber seine Leistungen als Landwirt nie positiv darstellen. Bei Josef Schiffer muß man allerdings einräumen, dass er zu keiner Zeit richtig gesund war, es gab kaum eine Krankheit, die er nicht hatte. Auch mußte er einige schwere Operationen über sich ergehen lassen. Die restlichen kleinen Bauern waren alle fleißig und auch erfolgreich. Wenn in früheren Jahren in Noithausen die Marienoktav gefeiert wurde, waren die Bauern, ob groß oder klein, immer die Mitgestalter.

Noithausen war zu unserer Jugend ein sehr kleines Dorf. Wenn man von der Todeskurve in Richtung Kirche fuhr, war die linke Seite, außer dem Rittergut, noch mit 4 bis 5 Häusern bebaut und alles andere war freies Feld. Auch rechts der Strasse standen weit weniger Häuser als heute. Zwischen den einzelnen Dörfern waren zu unserer Jugendzeit immer größere Freiräume, wogegen heute ein Dorf ins andere übergeht.

In Holzheim hatten wir das Rittergut Heye. Mit dem Eigentümer Herrn Fritz Heye haben wir immer gut zusammengearbeitet, er war genau wie mein Kollege Grandke, Jahrgang 1913. Bei ihm hatten wir auch alljährlich eine Parzelle, auf der wir unsere Versuche anbauen konnten. Herr Heye war ein stinkreicher Mann, der auch noch an einer Glasfabrik in Düsseldorf beteiligt war. So kamen wir mit finanziell gut betuchten, aber auch mit Leuten, die kaum ihren Namen schreiben konnten, zusammen.

In den ersten Nachkriegsjahren traf man auf vielen Höfen auch oft einen Behinderten an. Diese Leute kosteten nicht viel an Lohn und Bekleidung, aber waren für Stallarbeit und der gleichen gut verwendbar. Mir ist es auch passiert, dass ich gerne ein Glas Wasser oder Sprudel getrunken hätte, aber wenn ich die Küche und die Köchin wahrgenommen hatte, hätte ich keinen Schluck mehr durch die Kehle bekommen.

Die Eindrücke und Erfahrungen die damals auf einen einwirkten, wären heute nicht mehr denkbar.

Da war beispielsweise die Religionsgrenze, wo praktisch Protestanten und Katholiken ihre eigenen Wege gingen. Heute lacht man, Gott sei Dank, beiderseits über derartige Lappalien, aber es war Usus in Kelzenberg, dass die Protestanten auf Fronleichnam ihren Stalldünger ausbrachten und das wurde dann auf Buß u. Bettag von den Katholiken erwidert. Trotzdem waren in diesen Grenzortschaften die kollegialen Bereiche unter den Bauern sehr gut. Ob es sich um Maschinengemeinschaften, Bürgervereinen oder Kegelklubs handelte, man erkannte nirgendwo Uneinigkeit. Auch wenn in diesen Dörfern mal ein Todesfall zu beklagen war, gab es in den Kirchen oder auf den Friedhöfen zwischen blau und schwarz keinen Unterschied.

Bei dieser Schilderung fällt mir ein, dass in unserem Lohnbüro die erste Zeit bei der Berechnung der Kirchensteuer, wenn die Ehegatten nicht gleicher Religion waren, unser Kassierer Klassen die Mehrpfennige immer der kath. Kirchenkasse zukommen ließ.

In Mürmeln gab es zu meiner Zeit zwei, in allen Belangen gute Landwirte. Der Bauer Quack hat schon mehrere Jahre das Handtuch geworfen, er war weder verheiratet noch hat er Nachkommen. Friedrich Quack ist als Junggeselle ein normaler Mensch, der mit allen Lebensgewohnheiten zurechtkommt. Unter seinem Vater hatte der Hof einen jungen Mann aus einem Heim angenommen. Obwohl der Hof schon einige Jahre nur noch über einige Pferdestellplätze verfügt, fühlt Fritz sich für den ehemaligen Mitarbeiter nach wie vor verpflichtet.

Als zweiter Betrieb gibt es noch den Bauern Walter Herbert Hintzen. Sein Vater hieß zwar nur Walter, aber der war wenigstens verheiratet und hat auch außer dem Walter Herbert noch eine Tochter zu vermelden. Bei Hintzen wurde intensiv und so kostengünstig wie möglich gewirtschaftet. Ob in den einzelnen Ställen oder im Feld, bei Hintzens wurde das letzte herausgeholt. Leider stellte sich mit der Zeit heraus, dass beide Kinder, auch teilweise wegen der starren religiösen Haltung der Familie, nicht zum heiraten kamen. Vater Walter Hintzen, er wurde von seinen Kollegen auch Josoha genannt, hatte seine Familie fest im Griff. Er verlangte von keinem mehr, als er selbst zu leisten bereit war. Der Hof verfügte zwar über gute Traktoren, aber die waren ohne Verdeck. Wir schrieben bestimmt schon das Jahr 1975 als Walter Herbert von seinem Vater das erste Traktorverdeck als Weihnachtsgeschenk bekam. Mein besonderes Verhältnis zur Familie Hintzen entstand dadurch, dass Herr Hintzen alljährlich im Januar kam, um sich von mir seine noch zu erwartenden Beträge aus der Jahresabrechnung errechnen zu lassen. Das setzte sich übrigens auch später beim Junior Walter Herbert fort. Wir haben immer mit offenen Karten gespielt und so lernte ich mit der Zeit die ganze Familie als  charakterfest und ehrlich kennen. Der Senior verunglückte einmal mit Traktor und Hänger auf unserem Firmengelände, wobei einiges durch Verschulden unseres Rangierpersonals zu Schrott gefahren wurde. Daß Herr Hintzen sehr aufgebracht war, ist verständlich, aber wir haben deshalb keinen Streit bekommen. Einmal erzählte er mir ein Anekdötchen wobei er seine (blaue) Farbe bekennen mußte. Er war, ich glaube, es handelte sich um das Herz–Jesu–Kloster in Mönchengladbach, mit den Schwestern gut ins Geschäft gekommen. Es waren nicht nur Kartoffeln die dort angeliefert wurden, sondern Salat, Möhren, Porree und vieles andere, was die Schwester Ökonom ihm alles abkaufte. Eines Tages befuhr er wieder mit einem hochbeladenen Hänger den Klosterhof, nahm die Kurve etwas eng und der Wagen kippte um. Schwester Ökonom, die auch Oberschwester in diesem Haus war, mobilisierte ihre Mitschwestern und so wurden die Kisten wieder gefüllt und der größte Schaden war behoben. Da die Zeit aber fortgeschritten war, lud die Oberschwester Herrn Hintzen zum Essen ein. Er kam nicht drumhin die Einladung anzunehmen und saß dann zwischen den Nonnen bei Gebet und Essen. Bei der Unterhaltung stellte die Schwester dann die Frage:“ Herr Hintzen, zu welcher Fakultät zählen Sie denn?“ Er sah zwar im Geiste seine Geschäfte mit dem Kloster schwinden, aber die Stunde der Wahrheit war angebrochen und er sagte:“ Schwester, so schwarz wie Sie sind, so blau bin ich.“ Nach diesem Mittagessen und der Unterhaltung mit Schwester Oberin gediehen die Geschäfte mit dem Kloster noch besser. Leider ist weder die Tochter noch der Sohn Walter Herbert verheiratet oder haben gar Nachkommen, sodass dieser, mit so viel Fleiß und Energie aufgebaute Betrieb, auch kurz oder lang seine Hoftüre schließen wird.

Als ich damals zuerst den Raum um Kelzenberg bereisen mußte, stellte ich schnell fest, dass ziemlich alle Betriebe, besonders die Kelzenberger hoch kultiviert waren. Das bezieht sich sowohl auf die Ackerschaft, wie auch auf das Erscheinungsbild der Häuser und Höfe. Wenn man in die Häuser kam, erlebte man selten eine Bäuerin, die einem in Arbeitskleidern oder nach Stall duftend die Tür öffnete. Man erkannte überall eine gewisse Vornehmheit. Die Bauern in diesem Raum, so hatte ich schnell herausgefunden, standen bald alle der FDP sehr nahe. Der Grund hierfür war wohl, dass der Kreisvorsitzende dieser Partei, der Herr Kaspar Josef Kremer und Herr Karl Ernst Steinfartz als Gemeinderatsmitglieder tätig waren.

Die Bauern verstanden es immer, aus ihren guten Böden einen dementsprechenden  Gewinn zu erzielen. Die Gerste ließ man nicht richtig reif werden um möglichst schnell den ersten Blumenkohl anbieten zu können. Auch das Vieh im Stall war auf fast allen Höfen von besonderer Qualität. Der Maschinenpark und auch der Hausrat waren stets auf dem modernsten Stand. Kurz und gut, im Raume Kelzenberg war ziemlich alles in Ordnung.

Der größte Bauer in Kelzenberg war früher Franz und ist jetzt Peter Klaßen. Er und sein Vetter Hermann Klaßen waren die einzigen „schwarzen“ Bauern in dem Ort, wurden aber von allen anderen akzeptiert.

Hermann wurde, nachdem sein Onkel Franz verstorben war, in den Kirchenvorstand in Jüchen gewählt und bekam auch einige Morgen Kirchenland. Leider bedeutete das aber nicht die Rettung für seinen Betrieb. Hermann hatte zwar einen lieben, fleißigen Sohn aber die Eigentumsverhältnisse waren zu minimal. Dabei hatte Hermann, genau wie schon sein Vater, ständig Hüftbeschwerden. Zudem hatte er einen guten Milchstall abgeschafft und dafür den Gemüsebau angefangen, was teilweise nicht von Erfolg gekrönt war. Heute arbeitet Sohn Gerd beim Amtsgericht in Grevenbroich und Vater Hermann fungiert als Hausmeister bei einem reichen Bauern, der von Rheinbraun entschädigt wurde. Vater und Sohn Klaßen sind mit ihrer neuen Beschäftigung sehr zufrieden.

Im Nachbarort Schaan gab es auch mehrere Landwirte, die sich aber um gut die Hälfte verringert haben. Es gab in Schaan einige gute Milchviehställe und auch Gemüsebauern. Der Jägerhof zählte politisch auch zu Schaan. Dort residierte zu meiner Zeit Herr Steinfarz. Obwohl er lange Jahre total blind war, befand sich sein Hof und auch der Acker immer in bestem Zustand. Daran hatte ein guter Verwalter natürlich auch seinen Anteil. Herr Steinfarz wollte sich in der Jugend aus Liebeskummer sein Leben nehmen, verlor aber nur sein Augenlicht. Er wurde nach diesem Vorfall aber nicht geschont und mußte alle Arbeiten mitmachen, wodurch er ein guter Betriebsleiter wurde. Bei meinen Besuchen auf dem Jägerhof war ich immer erstaunt, wie wirklichkeitsnah und konkret er trotz seiner Blindheit etwas darlegen konnte. Einmal erlebte ich, wie er auf seinem Reitpferd beim Ein- und Ausreiten in und aus der Reithalle immer an der richtigen Stelle den Kopf einzog. Der Jägerhof wird heute vom Sohn Eugen, wie ich meine, sehr verantwortungsvoll und ertragreich geführt.

In Schaan gab es auch die Landwirte Johann und Wilhelm Köllges. Beide hatten einen schönen Betrieb aufgebaut und beide halfen auch ihren Nachfolgern so gut es eben ging. Einer hatte nur eine Tochter und der Schwiegersohn hatte gewiß einen schweren Stand auf dem Hof. Die Tochter mußte auf beiden Schultern tragen, weil sie und ihr Mann, Arbeiter auf dem Hof blieben .Der junge Bauer starb leider im besten Mannesalter und die Frau mußte mit ihren Kindern und den Eltern den Hof weiterführen. Der Vater fuhr noch die Zuckerrüben zur Fabrik, als er kaum noch sehen konnte. Man hatte ihm ein großes Kreuz auf das Wiegebuch gemalt, damit es keine Verwechslung geben konnte.

Frau Lindgens, so war ihr Name, erschien dann sehr oft bei der Zuckerfabrik, um alles geschäftliche zu erledigen und wollte stets von mir bedient werden. Meine jungen Kollegen versuchten natürlich, mir Frau Lindgens auch für nähere Beziehungen unterzujubeln. Als die Zeit soweit war, dass der älteste Sohn Lothar von Frau Lindgens zur Fabrik kam, hieß es meistens:“ Herr Moll, da kommt ihr Stiefsohn.“ Jedenfalls besteht dieser Betrieb auch heute noch, so daß man sagen kann : „Trotz aller Schicksalsschläge hat die Frau gute Arbeit geleistet.“

Wenn auch der zweite Betrieb Köllges mittlerweile geschlossen hat, bewirtschaften doch in Schaan auch zur Zeit noch einige sehr gute Bauern die dortigen Ländereien.

Es waren dort auch die beiden Betriebe Ernst und Alfred Deußen, die gute Milchviehbestände hatten. Ernst Deußen hatte zwei Töchter, die sehr tüchtig waren. Eine übernahm mit einem tüchtigen jungen Mann, namens Erich Schroers, aus Hoppers den Betrieb. Die zweite Tochter blieb auch der Landwirtschaft, durch Heirat eines Bauernsohnes, wenn auch in einer anderen Region, erhalten.

Der Betrieb Alfred Deußen liegt etwas außerhalb des Dorfes und Alfred hat in seinem Sohn einen guten Nachfolger. Hier habe ich eine bestimmte Erinnerung. Deußens hatten immer einen Deckbullen. Wenn der Bulle, aus welchem Grund auch immer, im Stall bewegt werden mußte, mußte die Mutter dem Bullen die Führstange an den Nasenring anbringen. Sie ging dann mit einem Scheibchen Brot zu dem Koloß und dieser gebärdete sich wie ein Lamm.

Ich kann mich nicht von Schaan verabschieden, ohne an den Quackshof gedacht zu haben, und den Betrieb Gebrüder Esser zu erwähnen. Der Quackshof liegt zwischen Schaan und Kamphausen an einem Wirtschaftsweg, und könnte einem Dornröschenschloß ähneln. Den Herrn Heinrich Quack habe ich noch gut in Erinnerung. Er hatte eine noch junge Frau, zwei Kinder, war Jäger aber nicht der erfolgreichste Landwirt. Als sein Sohn nach kurzen Versuchen von der Landwirtschaft absolut nichts wissen wollte, verpachtete Herr Quack seine Ländereien an einen holländischen Kartoffelbauer. Heinrich Quack fuhr bis ins hohe Alter noch seinen Wagen, er wurde eines Tages in Holland irgendwo tot aufgefunden. Auch der Sohn ist mittlerweile sehr jung schon verstorben.

Die Gebrüder Esser waren auf einem ziemlich kleinen Hof zu Hause und lebten dort mit ihrer Mutter recht und schlecht als Junggesellen zusammen. Der jüngere Bruder wollte von mir eine Frau besorgt haben, weil ich eben überall in der Landwirtschaft rund kam. Als Heiratsvermittler hätte ich nicht nur in diesem Fall fungieren können. Ich muß aber ehrlich gestehen, dass ich nicht bereit gewesen wäre, in diese Verhältnisse eine junge Frau einzuschleusen, obwohl beide Herren an Fleiß und Können kaum zu übertreffen waren. Eines Tages aber war der jüngere in Mönchengladbach in ein Krankenhaus eingeliefert worden und lernte dort eine Krankenschwester kennen, die soviel Initiative aufbrachte und in eine Ehe einging.

Der Betrieb Gebr. Esser wurde nach Kamphausen verlegt und von A bis Z umgekrämpelt und zu einem modernen Hof mit Hofladen und eigener Schlachtung gemacht. Es stellte sich auch recht bald Nachwuchs ein. Klaus hieß der Junge und der war schnell zum Mittelpunkt der Familie geworden und wurde selbst von Onkel Walter, dem noch vorhandenen Junggesellen verwöhnt. Onkel Walter lebt, wie man mir kürzlich erzählte, neuerdings mit einer Lebensgefährtin auf dem alten Hof in Schaan. Kurz vor meiner Pensionierung mußte ich bei den Gebrüder Esser etwas erledigen. Ich wurde von der jungen Bäuerin zum Essen eingeladen und folgte der Einladung natürlich. Es gab an diesem Mittag eingefrorene Pizza,. die mir erstklassig schmeckte. Mit Genugtuung konnte ich feststellen, was die ehemalige Krankenschwester dort außer einer guten Eßkultur alles in die ehemalige Junggesellenbude eingebracht hatte. Da ich auch heute noch an allen landwirtschaftlichen Einrichtungen Interesse zeige, blieb mir nicht verborgen, dass Frau Esser bei den Landfrauen unseres Kreises und deren Gremien voll akzeptiert wird.

Von Schaan bis Kamphausen ist nur ein Katzensprung. Dort war früher in jedem dritten Haus ein Bauer anzutreffen. Außer dem erwähnten Hof Esser, welcher früher von Fritz Steinfartz, mit –tz-, und seiner Schwester Ilse bearbeitet wurde gab es noch zwei mal Kamphausen, es gab Otto Lauffs, Kitz und zwei mal Pelzer.

Den kleinen Kamphausen lernte ich erstmalig im Schalterraum des Finanzamtes kennen. Er hatte einen seiner Söhne dabei, dem man den Krautschüsselhaarschnitt, der vom Vater stammen mußte, auf 10 Metern ansehen konnte. Hierauf sprach ich ihn unverblümt an, und sagte :“Wie kann so ein reicher Bauer (er trug einen grünen Mantel und Hut) seinem Sohn die Haare selbst schneiden.“ Ja, ich muß den Beamten doch meine Armut mitteilen, gab er mir zur Antwort. Diese Art Bauernschläue habe ich bei ihm, seine Kollegen nannten ihn Hiske, noch oft erleben können. Herr Kamphausen hatte außer dem erwähnten Sohn noch einen Jungen und eine Tochter. Beide Söhne wollten trotz aller Anstrengung des Vaters nicht Bauer werden, und so mußte er den Betrieb an die Tochter und deren Mann, Herrn Junker, einem tüchtigen Bauern aus Schaan, übertragen.

Der etwas größere Landwirt Kamphausen in Kamphausen hieß mit Vornamen Hans und dessen Sohn ist das Hänschen. Auch hier wurden, wie in der ganzen Umgebung allerbeste Ernten eingebracht. Ob Getreide Rüben oder Kartoffeln, die vorhandenen Bodenwerte lassen bei halbwegs gutem Wetter beste Ernten erwarten. An den Betrieb Hans Kamphausen habe ich leider eine traurige Erinnerung. Während der Getreideernte verunglückte dort die Frau Else Steinfartz tödlich. Sie wollte vom Fahrrad aus Herrn Kamphausen etwas sagen und wurde unbemerkt von zwei beladenen Hängern überrollt.

Einer der Pelzerhöfe, dem ich eigentlich keine lange Lebensdauer zugemutet hatte, hat erstaunlicher Weise ganz früh auf Pferdepension umgestellt und durch die Stadtnähe guten Erfolg zu verbuchen. Ich muß aber auch hier betonen, dass Herr Pelzer eine Lehrerin zur Frau bekommen hat, die auch in der Landwirtschaft ihre Fähigkeit anbringen konnte.

Ein guter Steinwurf von Kamphausen entfernt liegt das Dorf Dürselen. Dort gab es drei Betriebe, die sich untereinander ungeachtet ihrer Betriebsgröße gut verstanden. Der kleinste Bauer war der Herr Lambertz welcher mit einem sauberen, kleinen Kuhstall und mit seiner Dackelzucht gut bestehen konnte.

Als nächstgrößerer Bauer kam dann Herr Nellen, der mit seinem, zuerst Bruder und in zweiter Generation mit dem Vetter aus Schelsen, zusammen arbeitete.

Dann gab es in Dürselen noch einen ziemlich großen, aber bis in die kleinste Ecke sauberen Hof, der von Albert Lauffs bewirtschaftet wurde. Es kam höchst selten vor, dass ich Albert Lauffs mal im Haus, am Schreibtisch oder bei einem Nickerchen angetroffen habe, er fand immer Arbeit und das solange er lebte. Sein Sohn Hans Albert, welcher alle Voraussetzungen eines guten Bauern hat, muß sich aber sehr anstrengen, wenn er seinem Vater gleichkommen will.

Von Dürselen in Richtung Rheydt ist man schnell beim Schmitzhof. Bei dem ersten Besuch, den ich auf dem Schmitzhof machte, lernte ich den Chef des Hofes, Heinrich Schmitz und zwei seiner Brüder, zwei Junggesellen, kennen. Frau Schmitz war um diese Zeit schon verstorben, aber der Junior und dessen Schwester wurden zu dieser Zeit schon richtig mit eingespannt. Die Familie Schmitz muß wohl auch aus Kaarst kommen, aber die Bestätigung habe ich mir trotz gutem Einvernehmen nie geben lassen. Im Laufe der Jahre starben die Onkel und auch der Chef und die Schwester, ein sehr nettes Mädchen von Statur und im Wesen, heiratete einen Autohausinhaber. Dadurch kam der junge Heinz Schmitz öfter als mir lieb war, um von mir in vielen Dingen beraten und geholfen zu werden. Ich weiß nicht, dass ich ihn einmal abgewiesen habe, wodurch zwischen uns eine ehrliche Freundschaft erwuchs.

Zum Schmitzhof gehörte auch eine Sandgrube, die natürlich auch eine Menge Mehrarbeit forderte. Heinz Schmitz, der auch sehr lange Junggeselle war, verstand es, die Leute einzuteilen und wurde immer mit der Arbeit fertig. Die eigene Wasserversorgung auf dem Hof wurde durch das Abpumpen von Rheinbraun plötzlich in Frage gestellt, sodaß Heinz Schmitz auf Lebzeit das Wasser von Rheinbraun gratis und über die normale Wasserleitung bekommt. Durch die Wasserabsenkung kann Heinz Schmitz aber gut ein Meter tiefer Sand und Kies bergen.

Sein Nachbar ist der Landwirt Heinrich Kamphausen. Sein Hof hat den Hofnamen Lenßenhof und wurde, und wird immer noch, erfolgreich geführt. 

Das Gut Bontenbroich liegt auch in unmittelbarer Nähe von Kelzenberg. Der damalige Besitzer war Karl Hommels. Das Gut Bontenbroich stand immer unter Denkmalschutz, es wurde immer gut bewirtschaftet, brauchte aber auf Grund der Bodenqualität eigentlich nur günstiges Wetter und gute Saat und der Erfolg konnte nicht ausbleiben. Im letzten Jahr meiner Tätigkeit bei der Zuckerfabrik wurde Gut Bontenbroich an einen Bauern Schmitz verkauft, der von der Industrie irgendwo verdrängt wurde, aber sein neues Anwesen in besten Zustand versetzt hat.

Fünf Minuten von Bontenbroich entfernt liegt Roebershof, auch genau wie Bontenbroich mitten im Feld und an einem schmalen Wirtschaftsweg. Auf Roebershof wurde Jahrzehnte kaum Landwirtschaft betrieben, dort stand ein relativ schöner Hof. der zu einem Pferdehof wurde und sich, wie es scheint, mit schönen Weiden rundum, als Prachthof präsentiert.

Davon Luftlinie ein knapper Kilometer entfernt, an der B 59 liegen die Dycker-Hahnerhöfe.

Der neuere Hahnerhof, in Richtung Neuenhoven rechts, wird von der Familie Schieffer, ( ie und zwei f kam mir immer kurios vor ), bewirtschaftet. Schieffers stammen von der Gilbach und bewirtschaften dort auch heute noch einen Hof. Bei Schieffers ist schon über zehn Jahre in einem separaten Hofraum alles zu kaufen, was bei Bauern angebaut, gefüttert und geerntet wird.

Der alte Hahnerhof gegenüber, wurde bis vor wenigen Jahren von der Familie Gössing bewirtschaftet. Die Gössings kommen aus dem Westfälischen. Dort hat der Senior damals seinen kleineren Hof an ein Unternehmen gut verkaufen können und den Hahnerhof, der zwar alt, aber von der Räumlichkeit her gut verwendbar war, gekauft. Die gesamte Familie Gössing war überaus fleißig. Ob Kühe, Schweine oder Hühner, alles war vorhanden und die Eier wurden alle selbst vermarktet. Leicht übertrieben geschildert würde ich sagen :“Unten standen die Kühe, die Schweine befanden sich auf der ersten Etage und die Hühner waren im zweiten Stock untergebracht“. Es war ein Hof voller Arbeit und mit eigenen sehr fleißigen Arbeitskräften. Eines Tages hieß es, der junge Gössing heiratet und zwar ein Schnitzlers Mädchen aus Waat. Nun wäre das ja nichts besonderes, denn beide waren nette junge Menschen, die auch gut zueinander paßten, aber Fräulein Schnitzler war Beamtin bei der Finanzbehörde, hatte einen guten Posten und gab diesen tatsächlich auf. Die Ehe funktionierte auch bestens. Die junge Frau kam Woche für Woche mit dem Eierwagen zu ihrer Kundschaft, hatte in Haus und Hof ihre Arbeit und mußte mittlerweile auch Kinder großziehen. Bei Gössings verlief alles planmäßig; bis der junge Mann eines Tages einen Gehirnschlag erlitt. Dies muß ungefähr um die Zeit passiert sein, wo ich in Rente ging oder auch schon war. Herr Gössing hat jedenfalls, ich glaube sogar lange Zeit in Koma gelegen und keiner hätte noch an eine Genesung geglaubt. Der Betrieb wurde verpachtet und das lebende Inventar, wie ich annehme, verkauft. Frau Gössing konnte zum Glück auf den Beamtenstatus zurückgreifen und wieder bei dem Finanzamt anfangen. Es kam mir wie ein Wunder vor, als ich 1999 irgendwann im Jüchener Hallenbad Herrn Gössing traf, er mich sofort erkannte und wir eine total normale Unterhaltung über mehrere Themen führen konnten. Nach seinen Erzählungen ist der jüngste Gössing, also sein Sohn, auch wieder ein Vollblutbauer und möchte so schnell wie möglich den elterlichen Betrieb übernehmen.

So geht es einem, wenn  man sich einem Berufstand wie der Landwirtschaft verschrieben hat, man lebt und denkt noch immer wie ein Bauer. Es ist mir zwar bekannt, daß mit meinen Erinnerungen an die Bauern und deren Besonderheiten nicht viele Leser etwas anfangen können, aber trotzdem mag die eine oder andere Aufzeichnung in manchem Ort gut ankommen. Ich habe schon oft darauf hingewiesen, daß sich die Welt in meiner Lebenszeit revolutionierend verändert hat und denke deshalb, daß die Menschen doch von den alten Sitten und Gebräuchen gerne etwas hören möchten. Wenn man überlegt, dass in den Dörfern überall die Landwirtschaft dominierend war und die kleinen Bauern mit wenigen Morgen Ackerland oft zwei Familien ernähren mußten, fragt man sich, wie das immer gehen konnte. Zu dieser Zeit gab es keine Nebenbeschäftigung und auch keinerlei Versicherung, die der Familie einen Schutz bei Krankheit oder ähnlichem gewährleistete. Es war aber immer so, dass, wenn früher einer im grünen Anzug oder Mantel bei einer Bank, Sparkasse oder auch im Rathaus und den einzelnen Ämtern erschien, zollte man demjenigen eine gewisse Achtung, weil man wußte, da steckt ein Rückgrat im grünen Textil, das zahlungsfähig und ehrlich ist.

Ja, ich war eben bei den Dycker – Hahnerhöfen und somit auch ungefähr in Schloss Dyck. In meinen ersten Jahren bei der Zuckerfabrik war die Dynastie von Schloss Dyck, ich meine in fünf Höfen aufgeteilt. Bei meiner Pensionierung gab es nur noch den Klosterhof St. Nicolas. Als Verwalter war Dr. Seiler noch aktiv. Die einzelnen Höfe, angefangen mit dem Rather Hof, aber nachher auch Ländereien des Klosterhofes wurden mit der Zeit veräußert. Solange der Fürst und nachher auch Fürstin Cäcilia noch lebten, war so schien es wenigstens auf Schloss-Dyck alles in Ordnung. Aber zu der Fürstenfamilie zählten fünf oder sechs Töchter, die alle vom Namen her einen Hochwohlgeborenen geheiratet haben, aber wie man hörte, waren die Bankkonten dieser Herren nicht immer so ausgeglichen, daß die Habenseite schöne schwarze Zahlen aufwies. Es blieb leider nicht nur bei Ländereien, sondern auch die Bibliothek und wie man hört, eine reichhaltige Waffensammlung sollen versteigert oder verkauft worden sein. Ich erinnere mich, daß die fürstliche zu Salm Reifferscheit`sche Gutsverwaltung damals vom Herrn von Loesch beraten und verwaltet wurde, und dass zu der Zeit auf Schloß Dyck Leute arbeiteten, die, wie auch schon deren Eltern, bei diesem Herren von Loesch, in dessen ostdeutscher Heimat, schon beschäftigt oder als Leibeigene tätig waren. Der Herr von Loesch übernahm dann irgendwann eine Coca Cola – Agentur oder Niederlassung. Meine obige Bemerkung „Leibeigene“ rührt daher, daß es damals ein Gesetz gab, welches einem Landarbeiter, wenn er über ½ Morgen Ackerfläche verfügte, ein Häuschen bauen konnte, wo der Staat tüchtig mit half. Viele Landwirte überschrieben ihren Arbeitern etwas Land, um diesen Wunsch zu erfüllen. In Schloss Dyck ermöglichte die Fürstin Cäcilia ihren Arbeitern erst den Bauwunsch, weil der Herr von Loesch die Leute abgewiesen hatte.

Damals gab es auch den grünen Plan. Es hieß immer, daß diese Gelder, die mit dem Plan verbunden waren, von der Landwirtschaft in Anspruch genommen werden konnten. Nur habe ich nie einen Bauern angetroffen, der dort einmal etwas bekommen hat. Mir fiel aber auf, daß Schloß Dyck in diesem Jahr einen ganz modernen Milchviehstall und im Jahr darauf keine Kühe mehr hatte, und dafür aber die erste moderne Hühnerhaltung präsentierte, und dann kam mir oft der Gedanke, daß die Gelder des grünen Planes nicht an Kleinlandwirte ausgeschüttet wurden. Wenn ich heute höre, dass das Schloß und Umgebung zur Zeit in eine Stiftung umgewandelt werden soll;“ freue ich mich einerseits, dass dieses Kleinod erhalten bleibt, aber mache mir auch meine Gedanken, wieso kleine Gewerbetreibende bei schlechtem Geschäftsgang ohne jede Hilfe den Konkurs anmelden müssen. Aber Fett wird wohl immer oben schwimmen.

In früheren Jahren waren viele Landwirte aus dem Dycker Ländchen auf einige Morgen Pachtland von Schloß Dyck  angewiesen und dafür sehr dankbar. Im Jahr 1990 gab es in Damm nur noch einen Bauern, der eine halbwegs vernünftige Parzelle in Pacht hatte. Es ist wirklich viel Glanz in dem Fürstenhaus verloren gegangen. Wenn früher auf Hubertus zur Jagd geblasen wurde und die Hochwohlgeborenen ihrem Hobby frönten, waren im Dycker Ländchen die Zuschauer haufenweise vorhanden, wogegen sich heute bei solchen Anlässen kaum noch etwas abspielt.

Als der Fürst damals verstorben war, konnte man die Beerdigung ohne weiteres ein Staatsbegräbnis nennen. Nicht nur, daß alles mit Rang und Namen vorhanden war, nein, das gesamte Dycker Ländchen zeigte eine echte Trauer. Fürst und Fürstin besuchten jede kleine Kirmes in der Umgebung und linderten auch hier und da echte Armut. Sie hatten sich echt in die Herzen der Menschen eingelebt und wurden von denen, wenn auch nicht geliebt, aber sehr geachtet.

Irgendwann hatte man dort auch Obstplantagen ( Äpfel ) angelegt, die seit Jahren den Schloßherren gute Einnahmen garantieren. In meiner Erinnerung hat sich auch die Tatsache eingeprägt, dass das Büro von Schloss Dyck von einer sehr intelligenten Dame geführt wurde. Den Namen dieser Frau habe ich vergessen, wir kannten uns auch nur übers Telefon. Da das Geschäftsjahr beim Klosterhof nicht die Monate umfaßte die bei Pfeifer und Langen zu Grunde lagen, mußte diese Angestellte, die aus den Zuckerrübenlieferungen zu erwartenden Einnahmen auf Heller und Pfennig ihrem Brötchengeber zur Jahresbilanz errechnen. Ich kann mich nicht erinnern, dass es jemals die geringste Differenz zwischen den beiden Abrechnungen gegeben hat.

Zum Dycker-Ländchen zähle ich die Ortschaften Damm, Wallrath, Schlich, Rath, Bedburdyck, Steinfoth und Rubbelrath. In diesen Dörfern war kaum ein „Bäuerlein“, was keine fürstlichen Ländereien gepachtet hatte.

In Damm, wo außer einigen kleinen Landwirten die Geschwister Granderath einen schönen Hof führten, trifft dies nicht zu. Wilhelm Granderath hatte, nachdem sein Schwager Hilgers im 2. Weltkrieg gefallen war, seine Schwester Gertrud mit Söhnchen Karl Willi zu sich nach Damm genommen und überließ dieser die Haushaltsführung. Karl Willi kann eigentlich nie, auch als Kind nicht, mit einem Bauern etwas gemeinsam gehabt haben. Er war immer ein folgsamer Sohn seiner Mutter und mit seinem Onkel hat er auch immer ein sehr gutes Verhältnis gepflegt, sein Vater hätte ihn nicht mehr umgarnen und verwöhnen können wie Onkela. Ja, Onkela war, so lange Onkel Willi lebte, die Anrede, die Karl Willi für seinen Onkel anwandte. An folgender Schilderung ist zu erkennen wie sich das Verhalten zwischen Beiden offenbarte. Der Betrieb Granderath lieferte die Rüben immer mit zwei Zügen an. Onkela fuhr immer den grösseren und der Prinz, wie Karl Willi im Volksmund genannt wurde, den kleinen Zug.

Eines Tages war einem der beiden Traktoren der Sprit aufgegangen. Ich telefonierte mit Frau Hilgers, und diese sorgte, daß ein Kanister Diesel nachgebracht wurde. Das Einfüllen in den Hanomag besorgte natürlich Onkela. Er stand auf der Motorhaube des Traktors und füllte über einen Trichter den Kraftstoff ein, während Karl Willi Distanz hielt. Der Prinz hat auch bis heute noch nicht einmal ein Spritzmittel ausgebracht oder eine Mischung vorbereitet. Granderaths hatten nie, weder Spritzmittel noch Saatgut, im Wagen  transportiert, für solche Fälle haben sie einen schönen PKW-Anhänger angeschafft. Im Betrieb Granderath herrschte Ordnung und Sauberkeit, so daß man sagen kann, dort hat man mit dem vorhandenen Reichtum sichtbare Grundlagen geschaffen.

Als Frau Hilgers nach kurzer Krankheit plötzlich starb, war im Hause Granderath alles aus den Fugen geraten. Karl-Willi hatte weder eine Freundin noch eine Frau und mußte alles, was seine Mutter ihm im Haushalt beigebracht hatte, ausschöpfen, um den Haushalt sowie den Betrieb aufrecht zu erhalten.

Wer sich von dem vorhandenen Reichtum überzeugen will, gehe bitte auf den Friedhof in Bedburdyck und sehe sich die Grabstätte, das „Denkmal“, der Familie Granderath an. Wie mir kürzlich zu Ohren kam, muß der Prinz eine Freundin, vielleicht auch seine zukünftige Frau, ins Haus genommen haben.

Ich könnte so Dorf für Dorf durchgehen und würde bestimmt überall meine Erinnerungen, die ich mit dem Dorf oder dessen Einwohner hatte, zu Papier bringen.

Wallrath war um 1950 ein sehr kleines Dorf, das keine 100 Einwohner hatte. Da gab es die Bauern Zimmermann, Klerx, Bongartz, Bremer, Held, Dyckers, Busch, Hompesch und außerdem wenigstens noch zwei weitere Bauern, deren Namen ich zur Zeit nicht zusammen bekomme.

Die Bauern Klerx und Bremer mußte ich wegen ihrer relativ grossen Rindviehställe des öfteren besuchen. Unsere Firma hatte damals Dorma – Mischfutter entwickelt, und dieses Produkt sollte ja auch an den Verbraucher gelangen. Dieses Mischfutter war für Kühe, so gut wie für Bullen, entwickelt worden und war auf Harnstoffbasis aufgebaut. Bei Klerx waren Bullen im Stall und Paul Bremer und noch einige andere Bauern hatten einen guten Milchviehstall. Die Ställe waren nicht übergroß und Wallrath nicht sehr weit, so dass man schnell eine Veränderung in den Ställen wahrnehmen konnte.

In Wallrath hatte ich immer einen guten Draht zu allen Bauern. Leider sind auch dort nur zwei Vollerwerbslandwirte übrig geblieben.

An Willi Klerx habe ich eine nette Erinnerung. Willi war mit der CDU nach Amerika geflogen und obwohl ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, sich in New York nicht von der Reiseleitung zu entfernen, mußte Willi in Manhattan mal kurz 15 Meter weiter gehen, wie die normale Reisegruppe. Er kam schwer gezeichnet, mit mehrfarbigen Augen nach Wallrath zurück, aber Brieftasche Geld und Ausweis blieben in Manhattan. Herr Klerx ist schon seit mehreren Jahren verstorben. Sein Sohn Peter arbeitet bei der Vermessungsbehörde und versucht mit Pferdepension auf dem elterlichen Hof noch etwas nebenbei zu verdienen

Paul Bremer hatte gewiß einen guten Milchviehstall aber sein Sohn wollte, obwohl er alle Voraussetzungen hatte, nicht Bauer werden. Er hatte erkannt, dass der elterliche Betrieb nicht dementsprechend ausbaufähig war. Zudem erkrankte Frau Bremer noch, so dass auch dieser Betrieb frühzeitig die Tore schließen mußte.

Der junge Landwirt Bongartz hat es verstanden den Milchstall, der vom Vater aufgebaut wurde, noch attraktiver zu machen und steht heute mit den besten Milch und Fettleistungen am gesamten Niederrhein in jeder Fachzeitschrift. Der Senior Josef Bongartz ist mir noch in Erinnerung, als er damals bei der Einweihung eines Ehrenmals in Wallrath, an diesem Denkmal die Festrede hielt. Er hatte sich sehr angestrengt, seinen Mitdorfbewohnern eine anständige Rede zu präsentieren, dabei hatte er einen hochroten Kopf und man nannte ihn von da an : Den Redner von Wallrath.

So war man eigentlich immer und überall auf der Höhe des Geschehens. Wenn sich irgendwo etwas abspielte, war meistens eine Einladung für mich beim nächsten Posteingang. Die Bauern, die auch teilweise Jäger waren, wollten mich einige Male bewegen, den Jagdschein zu machen, aber daran hatte ich nie Interesse. Ich habe mir auch so bei den Bauern eine Vertrauensbasis aufgebaut, die auch jetzt noch Bestand hat.

In der Ortschaft Rath waren außer dem Pächter des Rather Hofes, dem Herrn Broich, noch wenigstens sechs Bauern. Die fast alle zwei oder drei Kühe im Stall hatten und arbeiteten wie man so sagte für den Markt, das heißt mit anderen Worten es wurden Salate und Gemüse angebaut, die sehr viel körperliche Arbeit erforderten aber auch etwas an Gewinn erbrachten.

Auch die Familie Hintzen die außer der landwirtschaftlichen Arbeit noch eine Gaststätte betrieben, hatten in Rheydt einen Stand auf dem Markt und versuchten, so ihre Einnahmen etwas aufzustocken.

Die Gaststätte wurde allerdings immer nur Sonntagsmorgens oder bei besonderen Anlässen geöffnet. Theo Hintzen hatte die Landwirtschaft von seinem Vater übernommen, wogegen die Gastwirtschaft noch vom Vater betrieben wurde. Als ich Theo Hintzen wegen der Saatgutbestellung sprechen mußte, war er im Feld und zwar am Wallrather Kreuz. Opa Hintzen meinte :“ Sie können ruhig warten „,er schaute auf die Armbanduhr die kurz vor 12,00 Uhr anzeigte, und nahm mich mit in seinen Arbeitsraum wo er gerade Zwiebeln für den Markt zurecht machte. Während der halben Stunde, die ich dort verbrachte, erfuhr ich, daß Opa Hintzen fast blind sein soll. Dann fuhr ich zu der besagten Parzelle, wo ich Theo Hintzen antraf, und die Saatgutbestellung entgegen nahm. Zu der Blindheit seines Vaters meinte Theo :“ Opa sagt immer, er könne nicht mehr sehen, aber wenn er den Gästen Sonntags ein Körnchen einschenkt, ist der Eichstrich nie überschritten.“

In Neuenhoven waren auch außer dem Haus Flassrath, das von der Familie Kamphausen bewirtschaftet wurde, mehrere kleine Bauern. Bei dem heutigen Lebensstandart frage ich mich, wovon die Leute gelebt haben.

Einer der Bauern hieß Theo Postels Er lebte mit seiner alten Mutter zusammen und wurde von der alten Dame regelrecht auf Trapp gehalten. Theo Postels hatte einen kleinen Traktor, eine umgebaute Pferdekarre als Anhänger und seine Manneskraft. Es war trotzdem ein Gedicht wenn, man diesen kleinen Hof betrat. Ich muß mit der Küche anfangen, da stand nämlich ein Kanonenofen als Herd und Heizofen, der stets wie ein Silberjuwel aussah. Die alte Frau ging in gebückter Haltung, aber kam ihrer Arbeit in allen Bereichen nach. Der Fußboden von Küche und Vorraum war mit Ziegelsteinen belegt aber immer blitz blank. Der Sohn, der auch Junggeselle geblieben ist, sprach seine Mutter noch mit, Ihr - Sie, an und war nach dem Tod der Mutter nur noch ein halber Mensch. Er muß wohl im zweiten Weltkrieg bei der Artillerie gedient haben, denn er trug immer noch einen langen Mantel dieser Waffengattung. Auch legte er nicht den geringsten Wert auf sein Äußeres, er war wie früher die alten Leute und vor allem die Bauern waren, seine Zahnlücken hatten Ähnlichkeit mit den Eckfeilern von Verdun und trotzdem war er bis zu seinem Lebensende ein zufriedener Mensch.

Aus Neuenhoven muss ich noch eine Kleinigkeit berichten. Der Landwirt Heinrich Nilgen aus Schelsen hielt sich gerne in Neuenhoven auf und wollte auch nach seinem Ableben dort die letzte und ewige Ruhe finden. Heinrich muss jedenfalls eines Abends bei Körnchen und Bier dem Gemeindepfarrer eine Grabstätte abgekauft haben und hat diese auf seinen Namen dort eingerichtet. Er liegt übrigens dort schon beerdigt, ich war bei der Zeremonie dabei, und habe ihn auch schon einige male dort besucht.

Über die Dycker Hahnerhöfe habe ich schon berichtet. Sie gehören politisch zu Gierath und dort, so gut wie auch in Gubberath, hat es immer schon seßhafte Bauern gegeben. In Gierath waren Gottfried Steinfarz Gut Stammheim, Ernst Kamphausen, Josef Broich, Karl Krüppel, Martin Oehmen, der Schwager von Josef Broich, Leo Schmitz und der Betrieb Settels. Außer den genannten Betrieben, die übrigens alle auf einem Knubbel wohnten, gab es noch zwei weitere Bauern mit dem Namen Neeff ( also zwei ee und zwei ff). Josef Neeff war verheiratet, hatte aber keine Kinder. Der Zweite Neeff war mit einer Schwester zusammen, die ihm den Haushalt führte. Ob mittlerweile beide verstorben sind, ist mir nicht bekannt. Wohl hat man mir mal erzählt, dass das Höfchen, was dort zu vererben wäre, über 30 Erben auf den Plan gerufen hatte. Da der liebe Herr Neeff kein Erbvertrag oder ähnliches gemacht hatte, findet sich bisher kein Notar um den gut 3q                                                                                                                                                                                    bbbbbbbbb                                        n0 Erben, gegen Honorar natürlich, zu ihrem Recht zu verhelfen.

Bei Steinfarz Gottfried (Friedel) und Josef Broich spielt keine Musik mehr. Der junge Steinfarz ist anderweitig orientiert und der Broich Nachfolger hat irgendwo einen wunderschönen Reiterhof aufgebaut. Karl Krüppel beziehungsweise dessen Schwiegersohn, hat ein schönes Hofgebäude in Gubberath erworben, dieses zuerst als Milchviehstall umgebaut und neuerdings auch mit Pferdepension angefangen. Man fragt sich mit der Zeit tatsächlich, wo die Pferdebesitzer alle beheimatet sind. Ich war Gestern in Bissen, Mürmeln und Kelzenberg und habe dort über 120 Pferde gezählt, wobei die von Röbershof noch nicht einbegriffen sind.

Aktive Bauern in Gierath sind noch der Junior Kamphausen und der Enkel von Martin Öhmen.

In Gubberath besteht noch der Schwiegersohn von Krüppel, Heinz Dahmen, Reinhard Roelen und der Vollblutbauer Otto Esser welcher zur Zeit hauptsächlich Gemüse anbaut.

Essers sind in Kelzenberg gebürtig, waren aber viele Jahre im Osten (Mecklenburg - Vorpommern) und der schon verstorbene Otto Esser kam als Flüchtlingsbauer wieder in seine Heimat. Den Werdegang dieser Familie Esser habe ich miterlebt. Der dritte Otto, den ich jetzt erlebe, macht mit seinem Vater Otto  den Betrieb zusammen und man muß differenzieren, wer der beste und fleißigste war. Die Frauen, die zur Familie gehören, haben an diesem Aufbau natürlich den gleichen Anteil. Obwohl außer dem schon verstorbenen Otto kein Familienmitglied im Westen geboren ist, sind Essers auch nach dem Mauerfall und trotz bester Angebote nicht zurück gegangen.

Der große Betrieb der Gebrüder Klouth welcher zuletzt vom Neffen Heinz Abels bearbeitet wurde, ist verpachtet. Heinz Abels hat zwar einen Sohn, aber die Zeitspanne, die zur Übernahme erforderlich wäre, war einfach nicht überbrückbar. Der Sohn ist ein guter Automechaniker in einer Mercedes - Werkstatt. Ob er je den Betrieb übernehmen wird, wird überall bezweifelt. Im Falle Klouth kann man auch sagen, wenn Hubert und Heinrich und die weiblichen Familienmitglieder das hätten miterleben müssen, hätte ganz Gubberath auf dem Kopf gestanden. Aber dort war es, wie so oft in der Landwirtschaft, keiner durfte heiraten und kein Fremder durfte Einblick in die Familie bekommen.

Reinhard Roelen hat seit zwei oder drei Jahren eine ehemalige Gartenparzelle mit halbhohen Apfelbäumen bepflanzt und eine andere mit vielen Kurven und Ecken behaftete Parzelle wurde als Tulpenfeld ausgewiesen, woran scheinbar auch etwas zu verdienen ist. Den Großvater vom Reinhard Roelen habe ich noch gut gekannt, seiner Kleidung entsprechend konnte man ihn als Landwirt erkennen, aber arbeitend in Stall oder Feld kannten ihn die wenigsten.

Sein direkter Nachbar, Ernst Zilessen, ließ dem Opa Roelen in Arbeit und Kleidung nicht viel nach. Der Hof ist zwar noch vorhanden, aber die Tochter ist mit einem Herrn Comberg verheiratet welcher in Sinsteden den Bongarderhof in zweiter Generation gepachtet hat und den auch bewohnt. Das Land in Gubberath wird von ihm mitbearbeitet. Ob in Sinsteden oder in Gubberath, bei Combergs war und ist alles in Ordnung. Der Bongarderhof ist Eigentum der evangelischen Kirche Wevelinghoven und ist, solange man zurück verfolgen kann, immer als Hof mit den dazu gehörenden Ländereien verpachtet gewesen.

Nun gab es aber im Presbyterium der genannten Kirche einige Bauern, die dem Pfarrer klarmachten, dass es heute kein Problem sei, eine Parzelle zu bearbeiten, die 7 oder 8 Kilometer entfernt wäre. Der Bongarderhof  wird wohl nicht mehr im alten Stil verpachtet werden, man spricht schon davon, dass aus dem Hofgebäude einmal ein Altenheim oder ähnliches werden soll und die Ländereien dann sicher unter den Presbytern verteilt werden.

Ich habe mich also nach Sinsteden begeben und würde sagen, auch dort befinde ich mich in bäuerlicher und großbäuerlicher Gesellschaft. Es gab und gibt auch zur Zeit noch Bauern, en gros und en detail.

In den Anfängen meiner Außendiensttätigkeit  gab es auf der Venloer Strasse die Bauern Johann Hambloch, Heinrich Kessel, Johannes Schmitz, sowie den Schwiegersohn des früheren Dorfpolizisten der auch nach 30 Jahren Sinsteden der deutschen Sprache noch nicht mächtig war. Der Herr Kubanek, so ist sein Name, nannte mich jahrelang „bestes Mann von Fabrik“. Dann ertappte ich seinen Sohn dabei, als er mit gefälschten Liefermarken uns einige Züge Rüben unterjubeln wollte, worauf ich diesen mit einer Liefersperre bestrafte. Darauf erschien der Senior in unserem Rübenbüro und beschimpfte mich als einen „Kleinbauernhasser“.

Auf der Schulstraße gab es noch den Bauern Hermann Lugt  und auf der Dorfstraße gab es Josef Lugt, den Besitzer des Sinstedener Hofes Heinrich Müller, die Großbauern Werner Meller und Geschw. Wahlers, Johann Trippen, die Geschw. Spicks, Paul Schmitz, sowie die Bauern Junghverdorben und Weitz. Alle hatten gute Betriebe und bemühten sich aus den guten Gilbachböden beste Erträge zu erzielen.

Heinrich Müller ließ einem seine Großbauermanier überall wo es ging spüren, wogegen beide Söhne mit der neuen Situation in der Landwirtschaft trotz großer Höfe gut fertig werden.

Der Großbauer Werner Meller war auch in allen Belangen auf Zack, Er war Mitinhaber der Elsener Sauerkraut und Gurkenfabrik und hatte dort großen Einfluß. Sein Hof und die Ländereien waren auch in allen Belangen einwandfrei.

Der Hof der Geschw. Wahlers ist mittlerweile in das Gut Sinsteden (Müller) verflochten worden. Als Vollerwerbslandwirte gibt es noch den Sinstedener Hof, (Müller), Meller, Spix Nachfolger Felix Vollbracht und alle anderen sind entweder Nebenerwerber oder haben der Landwirtschaft ganz ade gesagt.

Von Josef Lugt, einem kleinen gemütlichen und immer gut gelaunten Bauer, möchte ich noch eine Erinnerung niederschreiben. Jööp wie er in seinem Bekanntenkreis genannt wurde, war bei der Entladung seines Hängers, auf unserer Kippanlage ausgerutscht und hatte dabei den Fuß verstaucht. Er konnte einige Wochen nicht auftreten und verbrachte die meiste Zeit im Bett oder auf dem Sofa. Natürlich mußte über diesen Unfall ein Versicherungsvordruck ausgefüllt werden und als er sich bei mir gesund zurück meldete, gestand er mir so nebenbei, dass durch diese Ruheperiode seine Frau mal mit ins Bett gegangen sei und diese sich nun in „anderen Umständen“ befände. „Gewiß“, es war da nach zwölf Jahren noch ein Nachkömmling zu erwarten, aber der erfreute sich schnell allgemeiner Beliebtheit. Willi Lugt arbeitet heute in Elsen auf dem Friedhof und jedesmal wenn ich ihn treffe, glaube ich, seinen längst verstorbenen Vater vor mir zu haben.

Von Sinsteden bis Rommerskirchen sind es 2 Km und nach Vanikum ist es auch nicht weiter. Dann kommt zur einen Seite der Ort Gill und zur anderen Eckum, Butzheim, Frixheim, Nettesheim, Anstel. Jeder ältere Mensch der über etwas Erinnerungsvermögen verfügt, wird bestätigen, dass in all diesen Orten Bauern über Bauern lebten. Sie alle waren, ob „Großbauer“ oder „Bäuerlein“ echte Gilbachbauern, die ihren Berufsstand überall und gerne demonstrierten. Wenn ich so einzelne von denen Revue passieren lasse, will es mir noch immer nicht einleuchten, warum der Beruf aufgegeben wurde. Natürlich wurde das Selbstständigsein mit jeder neuen Technik (Maschine) immer teurer und die Erträge mußten mit immer mehr Aufwand erarbeitet werden. Die junge Generation erkannte aber auch, dass jeder Fabrikarbeiter, freizeitmäßig und auch finanziell ohne Kapitaleinsatz und bei normaler Arbeitszeit, über einen sehr guten Lebensstandard verfügten. Viele junge Bauern gingen damals in die Industrie, wurden irgendwo Hausmeister oder kamen im öffentlichen Dienst unter, sie waren, weil sie keine Arbeit und keine Überstunde scheuten, überall gerne gesehen.

Wenn um 1960 in Vanikum 60 Häuser standen waren davon 35 Bauernhäuser. Es gab kaum einen Tag, an dem nicht einer der Bauern die Straße mit Gülle Jauche oder Mist verunreinigte. Heute fährt man durch Vanikum und erkennt, genau wie in den anderen Gilbachdörfern nicht mehr, dass überhaupt noch Bauern vorhanden sind.

Zu Vanikum fällt mir heute nur noch der Vanikumer-Hof der Familie Velder ein. Dort waren damals vier bis fünf Leute beschäftigt, die auch alle mit Lust und Liebe in der Landwirtschaft arbeiteten. Josef Velder hat diese Arbeiter auch alle bis zur Pensionierung beschäftigt, obwohl dadurch die Ertragslage manchmal geschmälert wurde. Bei Velders stand Menschlichkeit und Ehre immer ganz oben. Zur Zeit wird dieser Hof vom Junior Velder und einem Aushilfsarbeiter bewirtschaftet. Bei der Gelegenheit fällt mir ein Satz ein, der damals irgendwann formuliert wurde, und zwar brachte demnach, das Fräulein Rommerskirchen aus Stommeln, Rüben für ihren Onkel Peter Frimmersdorf aus Vanikum zur Zuckerfabrik nach Wevelinghoven.

Der Landwirt Peter Balven ist mir auch noch gut in Erinnerung. Balvens bewirtschafteten einen schönen Betrieb und hatten einen Sohn. Dieser Junge, wurde mit ca 14 Jahren krank. Man stellte eine schwere Leberkrankheit fest, bei der keineswegs mit Heilung zu rechnen war. Irgendwann erfuhren Balvens, daß in Kassel eine Kapazität in Leberkrankheiten, einer dementsprechenden Klinik vorstünde. Nach langer, und wie ich annehme kostspieliger Behandlung geschah das Wunder und der junge Balven wurde tatsächlich wieder gesund. Der junge Mann war mit 18 Jahren wieder soweit, dass er in der ersten Mannschaft der Rommerskirchener Fußballer eine wichtige Rolle spielte. Er war ein intelligenter und aufgeschlossener Mann mit guter Arbeitsstelle, konnte sich etwas erlauben, und fuhr daher einen schönen, schnellen, Wagen, der ihm aber leider zum Verhängnis wurde. Die Familie Balven war nach diesem Unglück für Jahre geschockt, Herr Balven verstarb nach zwei Jahren und so wurde wieder ein guter Betrieb aufgegeben.

Der Schwager Peter Bayer aus Eckum übernahm die Ländereien und versuchte mit seinem Sohn der Schwägerin entgegenzukommen wo es ging. Herr Bayer wurde von uns immer als reichster Gilbachbauer dargestellt, er war uns nie böse und über sein Gesicht ging dann ein Lächeln. Er war ungefähr 50 Jahre Sänger im Kirchenchor und immer guter Laune. Sein Sohn baute später einen neuen Hof und richtete diesen mehr als Reiterhof ein. Ob dort auch noch Getreide und Rüben angebaut werden, ist mir nicht bekannt.

Zur Ortschaft Eckum gehörte noch der Bauer Willi Fink welcher seinen Räumlichkeiten entsprechend, zwar gutes Vieh hatte, das aber an 6 bis 8 verschiedenen Stellen gefüttert, gemolken und gemistet werden mußte. Er hatte zwar schon eine mittelgroße Halle ins Feld ausgesiedelt, aber seine Frau wollte unbedingt im elterlichen Haus bleiben.

Außerdem war Anton Schmitz, der aus dem Jülicher Raum stammte, sowie der Hofbesitzer Karl Kremer - Schillings, in der Verlängerung der Kastanien Allee Peter Beyer und der Bauer, ich glaube Hans Josef Schlüter, dessen Sohn auch Landwirtschaft studierte  und, wie der junge Willi Kremer Schillings seinen Doktor gemacht hat. Leider haben auch diese Bauern bis auf Schmitz, die Tore geschlossen.

Da wäre in unmittelbarer Nähe noch der Kreuzfelderhof zu erwähnen, welcher bis 1987/88 von Gottfried Schopen jun. bewirtschaftet wurde. Sein Vater und Großvater hatten diesen wunderbaren Hof erst um 1930 gekauft. Zuerst hieß es, der Junior hätte sich beim Kartoffelanbau für unsere Chipsfabrik übernommen, aber bei dem jungen Schopen sind die kaufmännischen Fähigkeiten den bäuerlichen Qualitäten etwas überlegen. Er hat nämlich im neuen Deutschland (Osten) ein sehr großes Objekt gekauft. Den Kreuzfelderhof aber bewirtschaftet heute Hans - Philipp Hambloch, welcher in erster Linie ein Sachverständigenbüro führt. Herr Hambloch stammt aus Sinsteden, hat nebenbei die Schule besucht um staatlich geprüfter Sachverständiger werden zu können und eine reiche Bauerntochter aus Frimmersdorf geheiratet. Sein Bruder Jüppi ist leider schon früh an einer heimtückischen Krankheit verstorben. Er war ein guter und beliebter Ackersmann und lange Jahre erster Vorsitzende der Gilbacher Genossenschaft. Seine Kinder waren damals noch klein, sodaß der Hof aufgegeben werden mußte.

Ich war aber noch in Vanikum. Die Bauern bekomme ich nicht mehr alle namentlich zusammen. Ob Weirauch, Mittler, Spix, Gottfried Balven, Martin Frimmersdorf, Johannes Broich, Josef Breuer, Geschwister Mollstroh, Müller – Satoris, ob Küx, Breuer - Becker, Heinen, Pilger oder Matheisen, es fehlen noch einige. Alle waren kleine fleißige selbständige Bauern, die sich überall zu behaupten wußten und auch ihr Einkommen hatten.

Der Betrieb Breuer – Becker  bestand aus Frau Tina Breuer und Anton Becker. Frau Breuer war im ganzen Dorf als Tina und er als Onkel Anton bekannt. Wer Tina gekannt hat weiß genau, dass alle Fäden in ihrer Hand waren und kein anderer etwas zu melden hatte. Das ging auch so weiter als Schwiegersohn und Tochter von Tina, von der Braunkohle in Elfgen verdrängt wurden, und die zwei den neuen Betrieb in Vanikum aufbauen ließen. Obwohl beide Betriebe fünfhundert Meter von einander entfernt lagen, versuchte Tina immer wieder ihre Tochter und Schwiegersohn zu kommandieren. Der arme Onkel Anton, der mit den jungen Leuten gut zurecht kam, hatte nichts mehr zu lachen. Wenn man dort hin mußte, war zuerst die Lage zu peilen, um nicht in einen Familienstreit zu geraten. Tina wurde immer unausstehlicher und es dauerte seine Zeit bis sie der Stillegung ihres Betriebes zustimmte. Danach hatte sie noch mehr Zeit und wollte ihrer Tochter in deren eigenem Haus vorstehen. Irgend einer brachte es fertig, Tina einen mehrwöchigen Urlaub auf Mallorka zu verordnen. Die Familie verlebte aber wenigstens so schöne Tage wie Tina. Als Tina in Düsseldorf abflog, hatte sie sich, weil wieder mal Krach in der Bude war, per Taxi dort hinbringen lassen. Tina hatte aber einige Lebenszeichen nach Vanikum geschickt und darum ließ Willi und Gertrud Heinen es sich nicht nehmen, die liebe Tina in Düsseldorf am Flughafen abzuholen.

Die Maschine war angekündigt, die Passagiere hatten ziemlich alle den Flughafen schon verlassen und Tina war noch nicht zu sehen. Dann entdeckte die Tochter irgendwo in der großen Halle eine hochvornehme Dame mit einem großen verschließbaren Korb  (Schlußmang) und identifizierte so die eigene Mutter. Ja, Tina die derbe klobige Bauernfrau, hatte im Urlaub sehr viel besseres Benehmen erlernt, sie hatte eine schöne moderne Perücke erworben, und der Urlaub den Tina verlebt hatte, blieb nicht der letzte.

Zu dem Hof Heinen gehörte seit eh und je der geistig Behinderte Wilhelm (Duffede Willi), welcher sehr alt geworden ist, und von Gertrud Heinen jahrelang bis zum Tod gepflegt wurde.

Nun möchte ich noch ein paar Sätze über den Betrieb Müller – Satoris schreiben. Martin Satoris war im Krieg in Vanikum hängen geblieben, er heiratete die Tochter des Bauern Müller. Martin wurde in der Hocheifel als einer von sechs Jungen geboren. Er machte nie einen Hehl daraus, dass sein Vater einen kleinen Hof in der Hocheifel hatte und die sechs Jungen eigentlich dem „Führer“ dankbar waren, in die Welt gekommen zu sein. Die sechs Herren Satoris, die übrigens alle, wenn auch teilweise lädiert, den Krieg überstanden haben, lernte ich einmal bei einer Betriebsführung in unserem Werk kennen. Martins Schwiegervater hatte ein schönes, sauberes Betriebchen aufgebaut, soviel mir bekannt ist war er noch nebenbei als Hausschlächter tätig. Nachdem Martin den Betrieb übernommen hatte, war ebenfalls alles in bester Ordnung. Er hat sich dem Gebaren im Dorf Vanikum gut einordnen können und wurde sogar zeitweise in den Rat der Gemeinde gewählt.

Nachdem das große Bauernsterben angefangen hatte und Martin seinen einzigen Sohn gut versorgt hatte, machte auch er seine Pforten dicht und beglückte uns noch einige Jahre als Prozentmacher bei der Zuckerfabrik. In irgendeinem Jahr, ich glaube es war 1990, saßen wir kurz vor Kampagneschluß im Aufenthaltsraum und Martin erzählte aus seinem Leben. Seine Frau war schon vor einigen Jahren an Brustkrebs gestorben, sodaß er vogelfrei war, aber laufend mit Freundinnen zu tun hatte. Martin war in Ostpreußen zur Kavallerie eingezogen worden und hat dort nach seiner Ausbildung noch zwei Jahre gedient. Die Waffengattung Kavallerie hatte sehr attraktive Ausgehuniformen und Martin war bestimmt ein strammer netter Soldat mit vielen Chancen in der Damenwelt. Er lernte dort die Tochter eines hohen Parteitieres, Ortsgruppenleiter oder noch höher kennen, und kam dadurch in Kreise hinein, die einem gewöhnlichen Landser sonst verschlossen blieben. Die Freundin ließ ihn manchmal mit dem Wagen des Vaters abholen, an dem eine Standarte geflaggt war und er dadurch auch bei seinen Vorgesetzten gewisse Vorzüge genoß. Unser lieber Martin hatte sich jedenfalls in Thema 1 vertieft und erzählte uns, frei ausgedrückt von seiner lebenslangen Vielweiberei. Dann meldete sich ein Kollege aus Mönchengladbach zu Wort und meinte :“ Mensch Martin dat wör jo en janze Kerk voll ( das wäre ja eine ganze Kirche voll Frauen ) womit du zu tun hattest. Martins Gesicht nahm dann einen beleidigten Ausdruck an und er sagte:“ Die Kirche darf dann aber nicht sehr klein sein, wenn ich alle darin unterbringen soll. Wir haben natürlich sehr über diese Äußerung lachen müssen, aber als ich einmal Gelegenheit hatte, mit einem sehr guten Bekannten von Martin über diese Angelegenheit zu sprechen, wurde mir gesagt, daß die Wahrheit eher bei einer normalen Kirche als bei einer Kapelle liegen würde.

Nahe bei Vanikum liegt der Düxmannshof, welcher von der Familie Joachim Dürselen bearbeitet wird. Joachim hat ja im Raume Hochneukirch noch einen schönen Hof, aber beide Höfe waren von A bis Z in bester Ordnung. Damals hatte Joachim zwei hauptamtliche Mitarbeiter, die auch von seinen Höfen aus in Rente gegangen sind. Für mich war es besonders erfreulich immer wieder feststellen zu können, dass bei Joachim, der eigentlich aus der Textilindustrie kam, alles florierte. Er wurde einmal durch einen schweren Autounfall einige Zeit aus der Bahn geworfen, aber auch das wurde überwunden. Auch war immer erfreulich, daß Joachim Dürselen trotz seiner guten finanziellen Lage immer mit beiden Füßen auf der Erde geblieben ist. Ich konnte vor einigen Monaten der Tagespresse entnehmen, dass die Tochter von Joachim mit ihrem Mann den Düxmannshof übernommen haben, und diesen, wie gewohnt in echt bäuerlicher Manier weiterführen.

Wo ich einmal bei den Großbauern bin, muß ich schon als nächsten Klaus Nesseler beschreiben. Der Hof Nesseler liegt in Gill, und der zweite Giller Hof wird zur Zeit auch von der Familie Nesseler bearbeitet. Zu der Zeit wo ich Klaus Nesseler kennen lernte legte dieser nur großagrarier Manieren an den Tag. Er war noch zu sehr mit der Zeit verknüpft wo sein Vater per Reitpferd und Peitsche seine Felder und Knechte kontrollierte. Klaus Nesseler hatte auch noch einiges an Verwandtschaft auf großen Höfen, die auch bald alle die gleiche Art der Betriebsführung demonstrierten. Ja, es war zu dieser Zeit üblich, dass die Gutsherren eine Zuckerfabrik gegen die andere, und den Produktenhändler gegen die Genossenschaft ausspielten. Das Schlimme war, und ist auch heute noch, dass durch derartige ungerechtfertigte Vorteile der kleine Bauer benachteiligt wird. Es gab, und gibt immer noch, Unternehmer, die einfach glauben sogenannte Großkunden unter allen Umständen als beste Kundschaft, koste es was es wolle, präsentieren zu müssen. In solchen Fällen fühlte ich mich stets gefordert. Ich darf stolz behaupten, dass ich durch freimütige Gespräche, mit der Zeit vieles geordnet habe und kaum einen direkten Feind unter 1500 Landwirten hatte. Auch mit Klaus Nesseler und einigen anderen Großbauern habe ich nach Anfangsschwierigkeiten ein freundschaftliches Verhältnis aufgebaut.

Da ich gerade dabei bin mir selbst auf die Schulter zu klopfen, darf ich ja ruhig mal weitermachen. Es ist Wahrheit, dass ich ein besonderes Verhältnis zur, ich nannte sie „Schwester Rabiata“ hatte. Diese Nonne hatte die landwirtschaftliche Abteilung, Felder, Vieh u. s. w. im Kloster Kreitz zu verantworten. Sie hatte manchmal Futter für ihren Kuhstall nötig, wofür ich dann einen Gratislieferschein besorgte. Wenn sie für das Kloster Zucker holen kam, mußte ich für sie zur Kasse gehen und ihr den Zucker im PKW unterbringen. Die Familie der Schwester hatte irgendwo eine Keramikfabrik und sie brachte uns um die Weihnachtszeit immer einige Blumenvasen. Es hat mir nie etwas ausgemacht, für einen Lieferanten oder Kunden eine unbezahlte Überstunde zu machen. Auch fühlte ich mich dazu auserkoren, Leuten zur Seite zu stehen, die wegen Krankheit oder Sprachfehler schwer zu bedienen waren, Hilfestellung zu leisten.

August Bolzen aus Jüchen hatte sich schon früh einer Kehlkopfoperation unterziehen müssen. Er hat die Operation zwar gut überstanden, aber die Sprache war so gut wie weg. Wenn August zur Fabrik kam, war das Rübenbüro bis auf meine Wenigkeit ohne Personal. Meine Arbeitskameraden mochten August zwar auch, aber das Verständigen blieb mir immer überlassen. Unter den gut 1400 Lieferanten gab es natürlich auch welche, die einfach nicht auszustehen waren, sie konnten nur meckern und hatten an allem etwas auszusetzen. Aber auch diese Bauern mußten bedient werden, was mir dann meistens vorbehalten blieb. Einerseits habe ich mich stets bemüht, diese schwarzen Schafe in die Herde einzuordnen, aber manchmal habe ich auch ja und amen gesagt um so einen lästigen Vogel schnellstmöglich verabschieden zu können. Daß ich mich auf jeden Arbeitstag gefreut habe, hatte ich schon erwähnt, darum habe ich die einzelnen Wermutstropfen, sagen wir ruhig, gerne geschluckt.

Andererseits habe ich viele angenehme Bekanntschaften gemacht, die bis heute noch Bestand haben. So treffe ich beispielsweise alljährlich beim Rosenmontagszug in Stommeln den Herrn Adolf Baumann, der in Widdeshoven einen schönen Hof gehabt hat und jetzt genau wie ich, als Rentner seine Zeit verbringt. Eine besondere Freude ist für mich jede Begegnung mit Herrn Josef Linzbach. Ich habe mittlerweile drei Generationen Linzbach kennengelernt. Der erste Linzbach, den ich erlebte, fuhr mit weit über 80 Jahren noch seinen Wagen. Linzbach Nr. 2 ist Josef Linzbach, der in all den Jahren nie mit einem von uns die geringste Differenz gehabt hat und sein Nachfolger Franz Josef hat von Vater und Mutter nur beste Eigenschaften übernommen. Er steht überall in bestem Ruf. Franz Josef Linzbach hat eine Apothekerin zur Frau genommen, gewiß nicht das, was man auf Haus Horr erwartet hatte, aber bisher hat man nur erfreuliche Resonanzen vernommen.

Da gab es den, immer mit den grobsten Ausdrücken herumwerfenden Martin Hamacher aus Grefrath. Man mußte schon ein dickes Fell haben, um ihn überhaupt ertragen zu können. Wie gesagt, seine Ausdrucksweise war auch, wenn ich nur Bauern in Bezug nehme, regelrecht ordinär, sein Äußeres ließ darauf schließen, dass bei Martin Wasser und Seife Mangelware waren. Unser Kassierer Adam Klaßen hatte Martin beim Militär kennengelernt und für ihn immer die Post erledigt, wofür er irgendwann einmal ein halbes Schwein bekommen sollte. Martin besuchte  immer wenn er gerade bei uns im Rübenbüro war, seinen Kriegskameraden auf der ersten Etage. Wenn er dann die Treppe hoch polterte, war man oben schon auf das Schlimmste gefaßt. Martin war mit den feinen Herren in den Büros alle auf du und machte auch am Direktorenzimmer keine Ausnahme.

Wenn ich jetzt jeden Bauern mit Seltenheitswert beschreiben müßte, käme noch sehr viel auf die Tapete, denn es gab ja fast in jedem Dorf ein Orginal.

In meiner näheren Nachbarschaft wohnt die Firma Henk. Henk waren und sind fleißige Leute. Die beiden jungen Herren sind zwar Landwirtschaftsmeister, aber die Resultate im Getreide und Rübenbau sind leider noch nicht besonders gut. Die Milchkühe im Stall sind allerdings alles Herdbuchtiere und werden bei Henk die Haupteinnahme quelle sein. Leider sind Henks bei den anderen Landwirten im Ort nicht sehr beliebt. Henks hatten im Laufe der Jahre einiges Glück mit Landkäufen. Heute wurden drei Morgen gekauft die sich in drei oder vier Jahren in Bauland verwandelt hatten, und so etwas wiederholte sich einige male. Bei der Firma Henk wurden aber die Gelder die aus dem wertvollen Bauland erlöst wurden, restlos in Ackerland umgewandelt. Dadurch waren Henks den übrigen Bauern finanziell etwas voraus. Trotzdem machten auch die beiden jungen Meister nicht den Eindruck gutsituierte Landwirte zu sein. Diesbezüglich habe ich die Herren auch bei passender Gelegenheit und in der richtigen Tonart angesprochen und habe vollen Erfolg gehabt. Nach wie vor kann ich behaupten, dass wenn man mit irgendeinem über etwas zu sprechen hat, sei es noch so unangenehm oder brisant, sollte man sich an das uralte Sprichwort erinnern „Ein gutes Wort findet einen guten Ort, oder wie man in den Wald hinein ruft so schallt es auch hinaus“ .

Wenn derartige Gespräche anstanden gab es keine Diskussion, dann mußte ich an die Front um den jeweiligen Strauß auszufechten. Unangenehm wurde es immer wenn, ich mit mir gut Bekannten zu verhandeln hatte. Einmal hatte ich einen Fall zu klären in dem ein Landwirt mit einem Wiegemeister von uns, beim Leerwiegen, den Traktor über die Waage fahren ließ und so jeweils 40 Doppelzentner profitierte. Der Wiegemeister wurde entlassen und dem Bauern wurde das Kontingent gesperrt.

Ein andermal wurden wir benachrichtigt, dass ein Bauer seine Rübenanhänger zuerst mit mehreren Doppelzentner Erde präparierte und dann erst die Rüben auflud. Da der Anrufer auch als Zeuge auftreten wollte, hatte ich vor den Bauern regelrecht, wenn möglich mit Polizei, zu überführen. Die Geschäftsleitung versagte mir aber mein Vorhaben.

Ein anderer, auch ein größerer Bauer, hatte sich an unserer Abladestation, durch eigene Dummheit seinen Traktor zu Schrott gefahren und mutete uns, weil wir gut versichert wären, einen Versicherungsbetrug zu. Dies wurde natürlich abgeblockt.   Einmal kam ein Bauer zu mir ins Wiegehaus, legte mir eine halb zerzauste Zigarre auf den Schreibtisch, und bat mich, sein Rübenfahrzeug besonders gut abzuwiegen. Bei einem Anderen stellten wir fest, daß er bei jeder Fuhre sein Ersatzrad um das Wiegehaus herum schleußte. Zuerst haben wir über den Streich gelacht, weil der Mann schon älteren Datums war. Dann habe ich ihn mal richtig angesprochen und ihm die zehn Gebote, die er sonst immer demonstrierte, ins Gewissen geredet. Ich bin so oft wie möglich für jeden Bauern eingetreten, habe aber auch manchmal, einen angeblich rechtschaffenden Bauern tüchtig zurecht weisen müssen. Es war nie meine Absicht mich als Richter aufzuspielen, aber habe doch in manchen Fällen für Recht und Ordnung gesorgt.

Wie oft hatte ich mir vorgenommen, hart durchzugreifen wenn abends immer die gleichen Bauern zu spät kamen. Aber im Endeffekt konnte ich die Härte doch nicht durchsetzen.

Toni Esser aus Laach war einer der ständigen Spätheimkehrer. Er war einfach nicht in der Lage, die Anlieferzeiten einzuhalten.

Seit dem ich pensioniert bin gehe ich Sonntags meistens nach Gustorf in die Kirche. Es ist kaum zu fassen, aber Toni kam auch dort Sonntag für Sonntag zu spät in die Messe. Eines Tages, als er mit Frau und Sohn in einer Rübenparzelle Unkraut entfernte und keine fremden Zuhörer in der Nähe waren, habe ich ihm einiges über Unpünktlichkeit erzählt und habe ungefähr folgendermaßen geendet:. „ Daß du an der Zuckerfabrik immer zu spät ankamst, ist noch zu ertragen, aber daß du jeden Sonntag unseren Herrgott durch dein Zuspätkommen beleidigst, ist mir unverständlich “. Von dem Tag an ist Toni pünktlich und versucht auch immer, mir seine Pünktlichkeit zu zeigen.

Laach war früher und auch kurz nach dem Krieg, ein ganz kleines Dorf. Es gab dort praktisch eine Straße mit zwei andeutungsweise kaum zu erkennende Nebenstraßen. Die Personenzahl wird zur Zeit das Fünffache von damals betragen. An Bauern gab es den größten Hof Schmitz, es war schon der Bauer Hans Fink vorhanden und Toni Esser sowie Mathias Flöck und Kaspar Odenthal sowie dessen Onkel mit gleichem Namen. Als voll praktizierender Landwirt gibt es nur noch Hans Peter Fink, der nachdem sein Vater verstorben ist, dem Betrieb, der immer gut und rentabel geführt wurde, vorsteht. Mit Hans Fink hatte ich immer ein sehr gutes Verhältnis und wußte, dass er ein guter Bauer war und kannte auch in etwa seine Verhältnisse. Kaspar Odenthal ist frühzeitig ein Lohnverhältnis bei Fink eingegangen, was beiden Vorteile eingebracht hat. Kaspar hatte einen sehr guten Lehrmeister, brauchte kaum noch Maschinen und Geräte, war kranken- und rentenversichert und hatte seine Arbeitsstelle auf der Türe. Auch hatte Kaspar außer zwei bis drei schönen Kühen ebensoviel Jungvieh, was immer in bestem Zustand war. Als die Auflagen aber immer drastischer wurden, ließ Kaspar das Milchvieh fallen und schaffte einige Schafe zu seinem Jungvieh an. Es muß festgehalten werden, dass Kaspar immer, auch heute noch, über qualitativ gutes Vieh verfügte.

Hans Peter Fink sollte ursprünglich seinen Doktor als Landwirt machen, weil seine schulischen Leistungen, ob als Schüler oder Student, immer sehr gut waren. Er entschied sich aber schon während des Studiums, praktischer Landwirt zu werden. Leider hatte er keine Gelegenheit noch einige Jahre mit seinem Vater zusammen zu arbeiten, um von ihm den letzten Schliff zu bekommen. Hans Fink war ein praktizierender Landwirt, dem keiner etwas vormachen konnte. Er hatte schon vor einigen Jahren eine schwere Magenoperation verkraften müssen. Nun war die Krankheit wieder ausgebrochen und Hans Fink starb für seine Familie und für seine Bekannten viel zu früh. Hans Peter war von der Schulbildung her zwar ein ausgezeichneter Landwirt, aber die praktischen Kenntnisse des Vaters hätten ihn gut und gerne noch eine Zeit begleiten können. So blieben die Betriebe Fink und Toni Esser vorerst die einzigen in Laach. Hinzu kommt noch der aus Elsen umgesiedelte Hof Terhardt.

Zwischen Laach und Grevenbroich füllte übrigens damals die Gärtnerei Schellens eine ziemlich große Fläche aus. Die Gärtnerei Schellens befand sich eigentlich in Grevenbroich und zwar an der Stelle, wo jetzt die Raiffeisenbank und die nebenstehende Sparkassenfiliale steht. Hier gab es außer einer umfangreichen Gärtnerei ein schönes altes Haus mit schönem Verkaufsraum. Die Nebenstelle in Laach produzierte in einigen Treibhäusern Sonderkulturen. Zur Familie Schellens gehörten drei Gebrüder, wovon nur einer eine Familie gründete. Ich erwähne das, um zu dokumentieren, dass durch den Verkauf der ganzen Gärtnerei die Stadt Grevenbroich ihr Gesicht an zwei Stellen positiv verändern konnte.

In der eigentlichen Stadt Grevenbroich gab es an Bauern nur den Flasse Bur, der heute noch als Reiterhof am Ausgang der Stadt in Richtung Köln wohnt und auf dem Gelände der Weberei Erkens den Bauern Trippelsdorf. Herr Trippelsdorf war vorwiegend mit Transportarbeiten beschäftigt und bearbeitete einige kleine Parzellen damit seine Pferde Futter hatten. Außerdem gibt und gab es im Anfang meiner Zeit den Herkenbuscher Hof, welcher zuerst von einem Herrn Müsch bearbeitet wurde und als das Erftwerk immer mehr von den Ländereien brauchte, konnte der Hof nicht mehr als kompletter Hof verpachtet werden, sodaß der Landwirt Johannes Schmitz aus Frimmersdorf, die noch vorhandenen Parzellen von seinem Hof aus bearbeitet

Zwischen Laach und Gustorf – Gindorf waren damals noch große erkennbare Zwischenräume, welche zur Zeit alle bebaut sind. In Gustorf und Gindorf gab es Bauern, wie Sand am Meer. Die Namen aufzuführen wäre eine tolle Leistung, weil dort die Bauern zwei Namen hatten und auch jetzt noch haben. Hier muß ich noch anführen, dass die Bauern aus den genannten Dörfer als erste mit Aus- und Umsiedlungen wegen der Landinanspruchnahme durch die Rheinbraun zu tun hatten. Tatsache war ja, daß die Rheinbraun, als erstmalig die umfangreichen Löcher ausgebaggert wurden, den Landwirten Ersatz beschaffen mußten. Dieser Ersatz wurde teilweise in Bayern und noch weiter angetreten, weil zu der Zeit noch kein rekultiviertes Land zur Verfügung stand. Die Bauern in Gustorf und Gindorf haben durch die Rheinbraun alle profitiert und konnten ihre Betriebe dementsprechend aufpolieren. Trotzdem sind auch dort von ehemals insgesamt 35 Bauern in beiden Orten, in Gustorf noch zwei und in Gindorf noch vier bis fünf übriggeblieben. Die Übriggebliebenen in Gustorf sind die Bauern Faßbender und Koch, welche jeweils sehr schöne Höfe bearbeiten. Der Bauer Faßbender, der in den Dörfern nur unter dem Namen Kissel läuft, wohnt mitten im Dorf. Er hat seit einigen Jahre seinen Milchviehstall abgebaut und ist nur noch Ackerbauer. Der zweite Gustorfer Bauer Koch, sein Beiname ist übrigens Hendel, hat auch nur noch etwas Jungvieh, um die vorhandenen Weiden abzuernten. Auch er wohnt mitten im Dorf und bei beiden ist selbst an der Hausfassade nicht zu erkennen, dass es sich um Bauernhäuser handelt. Beide haben zwar Kinder, aber ob die nächste Generation die eingebürgerten Bauernhäuser weiterführen, ist sehr fraglich.

Vor ganz kurzer Zeit stand in unserer Tageszeitung in etwa folgende Todesanzeige:

      

                          Am soundsovielten verstarb mein lieber Mann

                          und unser guter Vater plötzlich und unerwartet

                                             Josef Winters

                                           Hamme  Jüppche.

 

Ich erwähne das, um darzustellen, welche Bedeutung selbst in unserer hoch vornehmen Welt gerade in Gustorf und Gindorf die Beinamen noch haben. Wenn in den Dörfern jemand nach Josef Winter gefragt hätte, hätten 99 von 100 Befragten keine Auskunft geben können. Bemerkenswert ist auch, dass die junge Generation diese Namen beibehält und genau so den ziemlich derben Dialekt der beiden Orte weiter spricht.

Auch werden in den beiden Dörfern, vor allem in Gustorf, alte Sitten und Gebräuche unter allen Umständen beibehalten. Das Gustorfer Schützenfest läuft nämlich genau so ab wie vor 100 Jahren. Es gibt nur Grenadiere und Jäger, rote- schwarze- oder grüne Husaren, sowie Matrosenzüge sind und werden nicht zugelassen. Das Königspaar wird bei den Umzügen und Paraden nicht mit einer Kutsche gefahren, alles spielt sich, auch für die Prominenz, auf Schusters Rappen ab.

In Gustorf gab es auch vor gut 30 Jahren das erste Hallenbad im ganzen Kreis Grevenbroich. Der damilige Bürgermeister Kropp, der übrigens aus kleinsten Verhältnissen stammte, verstand es, seinen Bürgern eine in allen Belangen saubere und fortschrittliche Gemeinde zu schaffen. Ob Schulen, Kindergärten, Straßen, Turnhallen oder Friedhof, in der Gemeinde Gustorf-Gindorf war das Geld, was an Steuern durch Rheinbraun einkam, gut angelegt. Da ich selbst 25 Jahre das Hallenbad wöchentlich wenigstens drei mal besuchte, kann ich wahrheitsgemäß behaupten, dass seit der kommunalen Neugliederung, am Hallenbad sowie an den anderen genannten Objekten nur noch das allernötigste getan wurde. Erwähnenswert ist ganz besonders, dass das Rathaus, das Hallenbad, der Kindergarten, sowie eine Schule von der Energie der RWE bis zum heutigen Tag versorgt werden.

Die Kirche der Pfarrgemeinde Gustorf-Gindorf steht an exponierter Stelle. Sie ist von allen Himmelsrichtungen aus gut sichtbar und weit und breit als Dom an der Erft bekannt. Wir in Elsen haben gewiß eine schöne moderne Kirche, aber mit dem „Erftdom“ keineswegs vergleichbar. Das Innere der Kirche ist einem schönen großen Dom eher ähnlich als einer Dorfkirche. Neuerdings hat man im Glockenturm ein Carillon ( ein aus mehreren Glocken und Glöckchen bestehendes Geläut) angebracht. Nun kann die Pfarre Gustorf-Gindorf zwei mal täglich einige Melodien von diesem Glockenspiel anhören.

Die Gindorfer haben zwar mit Gustorf vieles gemeinsam, aber führen doch als Dorf ihr Eigenleben. Dort gibt es keinen Schützenverein, sondern eine Bruderschaft. Die Bruderschaft feiert seit eh und je ihr Broerfest und zwar in der zweiten Juliwoche. Die im Dorf noch vorhandenen Bauern sind die Gebrüder Becker, (Bloochs) deren Sonderkultur schon viele Jahre Möhren sind. Bei Beckers werden auch Rüben und Getreide angebaut, aber die Möhren brachten zwar eine Menge Arbeit mehr, aber die Rendite war bedeutend höher. So sind Beckers total auf Möhren eingerichtet. Man findet dort eine schöne Waschhalle, wo Bänder, Waschmaschine und Wasseraufbereitung, sowie auch die verkaufsfertige Ware übersichtlich untergebracht sind. Als man bei Bloochs mit Möhren anfing, ereignete es sich einmal, dass einer der Söhne ein Mädchen geschwängert hatte. Die Eltern waren der Meinung, dass man damit, wo man mit fällt, auch  aufsteht. Der Sohn aber bat seinen Vater einen Morgen Möhren mehr anzubauen, um die junge Frau dann auszahlen zu können. Der Vater ließ sich einmal auf diesen Vorschlag ein, aber machte gleichzeitig klar, dass er nicht alljährlich einen Morgen Möhren mehr anbauen kann. Es gibt als nächsten den Obstbauern Heinz Willi Winter, der seid einigen Jahren neben Getreide und Rüben sein Augenmerk besonders dem Obstbau zuwendet.

Der Landwirt Michael Olligs hat zwar an seinen Sohn übergeben, aber dieser macht den Betrieb nur noch nebenberuflich. Olligs werden natürlich nur per Postanschrift so genannt und heißen im Volksmund Zöllig.

Dann gibt es noch den Nebenberufler Borsch ( Flöte ) wo auch nicht mit Nachkommen gerechnet wird.

Es gibt außerdem noch den praktizierenden Landwirten Norbert Brosch. Der Name Brosch bürgt in Gindorf für uraltes Bauerntum. Bis vor wenigen Jahren gab es noch zwei gute Betriebe mit dem Stammbuchnamen Brosch, denn in Gindorf nennt man sie Bocks. Der zweite Betrieb Brosch (Bock) hatte auch beste Überlebenschancen, aber der Sohn studierte Landwirtschaft und hat heute einen guten Posten beim Landwirtschaftsministerium. Außerdem hat sich der junge Landwirt Franz Josef Bremer seit einigen Jahren schön heraus geputzt. Er ist praktisch von Kind an in der Branche groß geworden, hat für einige viel Arbeit ohne Entgeld getan, aber dadurch auch viel gelernt. Zur Zeit bearbeitet er auch die Flächen seines Onkels, hat einige große Maschinen angeschafft und übernimmt dementsprechend sehr viel Lohnarbeit. Sein Onkel Peter Cremer, genannt Peschjans Peter, bearbeitet nach wie vor, wenigstens dem Fiskus gegenüber, den Frenzenhof. Er hat leider nur eine begabte Tochter, die als Studienrätin an einer Schule in Mönchengladbach arbeitet, und noch nicht verheiratet ist, und wohl keine Bäuerin werden möchte. Der Neffe Franz Josef aber hat eine gute, fleißige Frau bekommen und sein Junior ist zwar erst zehn Jahre alt, aber macht den Eindruck, ein echter Bauer zu werden. Franz Josef Bremer bearbeitet meines Erachtens um die vierhundert Morgen Ackerland, die fruchtfolgemäßig mit Getreide, Kartoffeln und Rüben bestellt werden. Er und die Gebrüder Becker sind zur Zeit die größten Bauern in Gindorf.

Nun muß ich aber auch über die Gindorfer Bauern mit dem Namen Steinhäuser etwas schreiben. Steinhäusers, die in Gindorf nur unter dem Namen Prüße bekannt waren, waren eine besondere Sippe. Da gab es zum Einen den Betrieb, auf dem der kinderlose Wilhelm Steinhäuser mit seinem älteren Bruder Josef (Jööp) wohnte und arbeitete. Gleich nebenan gab es dann noch „Prüße Männ“, Heinrich Steinhäuser, er war ein Vetter von Josef und Willi. Man weis in Gindorf nicht anders, der Vater der beiden ist als „Kiepebur“ Rucksackbauer zu Fuß nach Köln zum Markt gegangen, um dort Hühner und anderes Kleinvieh zu handeln. Dementsprechend haben die Gebrüder es zu einem Großbetrieb, mit Hilfe von Rheinbraun gebracht. Leider hatten die Gebrüder im Laufe eines jeden Jahres, oft monatelang Krach untereinander. Oft wußte man nicht, ob die gesäten Produkte als Ernte jemals eingebracht wurden. Die Einigung erfolgte aber immer in letzter Minute doch noch. Josef Steinhäuser und seine Frau sind schon einige Jahre verstorben, wogegen Willi und seine Frau ich denke, eine angenehme Zeit als Rentner erleben.

Heinrich Steinhäuser ist auch relativ jung verstorben. Er hatte zum Glück einige Jahre vorher seinen, nicht all zu lukrativen Hof aufgegeben und bei der Stadt Grevenbroich im gärtnerischen Bereich Arbeit gefunden, wodurch seine Frau hoffentlich, eine kleine Zusatzrente bekommt. Der älteste Sohn von Männ und seiner Frau ist ein guter Landwirt geworden. Er ist einer der besten Leute auf einem Schirrhof der Firma Rheinbraun und kommt mit den größten und schwierigsten Maschinen bestens zurecht.

In Gindorf wäre noch festzuhalten, dass die Familie Lupp seit Generationen dort als Schäfer ansässig ist. Zeitweise waren dort drei Lupps mit Schafen unterwegs. Zur Zeit gibt es allerdings nur den Schäferbetrieb Hans Lupp. Er hütet mit seinem Sohn Werner zwei große Herden, wovon eine, und zwar Heidschnucken, im Raum Viersen Nettetal beheimatet ist. Wer in Gindorf mit der Familie Lupp irgendwie verwandt oder bekannt ist, hat in seinem Garten einige Schafe herumlaufen.

Der Fußballclub und das Tambourcorps sind die einzigen Vereine, die den gemeinsamen Namen Gustorf – Gindorf beinhalten.

Zu meiner Jugendzeit war hinter Gustorf – Gindorf die Welt noch nicht zu Ende. Man konnte -natürlich über Feldwege,- einmal die Orte Reisdorf und St.- Leonhard, sowie Morken und Harff erreichen, und auch der wunderschöne Ort Königshoven war nicht weit entfernt. Auf der Gustorfer Höhe, (Halde von Rheinbraun) hat man übrigens ein schönes Kreuz mit Gedenkstein an die Dörfer St.– Leonhard und Reisdorf errichtet. Der von Rheinbraun neugebaute Ort Neu – Königshoven ist gewiß ein schönes modernes Dorf, aber die Schönheiten, die Kultur und die geographischen Unterschiede, die Alt-Königshoven besaß, sind mit Gold nicht aufzuwiegen.

Ich kam in Paffendorf zufällig mit einer alten, aber noch sehr intelligenten Dame ins Gespräch. Die Frau wohnte in Paffendorf, war etwas gehbehindert und hatte ihr Leben lang in der Gemeindeverwaltung Königshoven Morken – Harff und zuletzt in Bedburg gearbeitet. Es war hoch interessant zu erfahren, dass sie unter roten, braunen und schwarzen Bürgermeistern gearbeitet hatte, aber auch im hohen Alter nicht abwägen konnte, welche Farbe die beste war. Wenn sie aber von den Dörfern sprach, wo ihr Werdegang als Bürokraft vollzogen wurde, konnte sie die Wehmut nicht unterdrücken. Hatte sie doch das Schloß Harff und die Brücke zum Schloß unendlich oft bei ihrer Arbeit benutzen müssen. Man erzählt sich ja, dass irgendwelche Eroberer das Schloß eingenommen, den Grafen gefangen hatten und die Gräfin mit soviel Gepäck, wie sie tragen konnte, ausweisen wollte. Die Gräfin nahm dann ihren Grafen auf den Rücken, und man ließ sie so  die Brücke passieren.

Bei dem Gespräch mit der alten Dame erfuhr ich auch, dass die Frau mit Herrn Grünheck aus Stommeln, welcher bei unserer Fabrik lange als Vertreter tätig war, verschwägert war. Herr Grünheck hatte eine Kohlenhandlung, also Pferd und Wagen, machte mit unseren Lieferanten die Kontrakte und verteilte nach Bestellung auch den Zuckerrübensamen an die Bauern. Er war zwar verheiratet, hatte aber keine Nachkommen und in seinem Haushalt lebte noch eine Schwester von ihm. Dieser Dreipersonenhaushalt kannte nur „bete und arbeite“. Ich erinnere mich, dass Herr Grünheck, nachdem in Stommeln einige neue Baugebiete erschlossen wurden, sehr viel Geld an Erschließungskosten aufbringen mußte, weil er nicht verkaufen wollte. Wie die alte Dame mir erzählte, gab es aber einen Neffen mit durstiger Leber, welcher in garnicht langer Zeit die Immobilien seines Erbonkels restlos verjubelte. UUU

Nun bin ich schon in Stommeln angelangt ohne es zu wollen.

Stommeln, ja Stommeln war immer das größte Bauerndorf in unserer   Umgebung. Nicht dass dort besonders viele Bauern waren, nein die „Stommeler Bure“ sind etwas ganz besonderes. Ihre Sprache ist nicht Kölner platt und auch kein Gilbach – Dialekt, wenn man irgendwo von Korn Weinbrand oder Schnaps spricht, so ist das in Stommeln „Schabau“. Dort wird aber auch kein Privatmann beleidigt sein, wenn er mit „Stommeler Bur“ angesprochen wird. Was in Neuss das Schützenfest ist, ist in Stommeln der Karneval. An den tollen Tagen gibt es dort keinen, der nicht irgendwie mitbeteiligt ist. Ansonsten wird im ganzen Jahr nur tüchtig gearbeitet. Die Böden dort sind nicht ganz so gut wie die Gilbachböden aber darum wird kaum weniger geerntet. Auch an der Kleidung konnte man in früheren Jahren den Bauern aus Stommeln erkennen. Grüner Anzug und Mantel, derbe braune Schuhe mit Gamaschen und steife Bewegungen beim Gehen. Es gab auch in Stommeln einige große Höfe, die aber auch das Stommeler Flair besaßen. Da die Bauern ihre Rüben alle per Waggon anlieferten, bekamen wir diese in den ersten Jahren nur nach der Kampagne zu sehen. Dann holten die Bauern nämlich fürs ganze Jahr ihren Haushaltszucker und unzählige Eimer Rübenkraut. Es dauerte Jahre bis ich erfuhr, weshalb die Bauern so viel Rübenkraut holten, denn auch in Stommeln wurden Schweine geschlachtet und andere Lebensmittel angeboten. Des Rätsels Lösung war ganz einfach, dass jeder Helfer, ob in Stall, Feld oder Haushalt zu Weihnachten zusätzlich einen Eimer Rübenkraut bekam.  

Im Dorf Stommeln und Umgebung drehte sich alles um die Landwirtschaft und das, was damit in Verbindung zu bringen ist.

Da war noch Stommlerbusch, Gut Vinkenpütz, mit dem Eigentümer Daniel Schumacher nächste Generation Karl Schumacher und jetzt Daniela Schumacher – Nesseler. Dort gab es ab der zweiten Generation auch einen, wenn auch kleinen Tennisplatz. Hierzu muß ich erwähnen, daß Gut Vinkenpütz wie eine kleine Insel im Grünen auf einer Anhöhe oder kleinem Berg liegt. Aus diesem Grund war Herr Schumacher auch immer mit schweren Traktoren aber relativ kleinen Anhängern ausgerüstet.

In unmittelbarer Nähe war die Müllersche Gutsverwaltung Velderhof. Dort residierte zu meiner Zeit ein Verwalter namens Augustin mit roten Haaren, den Chef des Hauses habe ich nie zu Gesicht bekommen.

In den Gebäuden sowie auf den Feldern des Velderhofes hat man heute einen Golfplatz mit allem pi pa po angelegt. Die Herren Gutsbesitzer verstehen es eben ihre Immobilien zur richtigen Zeit für richtiges Geld an den richtigen Mann zu bringen. Auf dem Rittergut Birkhof befindet sich übrigens auch ein Golfplatz. Zwischen Stommeln und Stommlerbusch befinden sich einige sehr schöne Höfe, um den Herr des Hauses sprechen zu können mußte man sich 2 Tage vorher anmelden. Etwas anders war, das bei dem Hof der Frau Brigitte Wrede, dort regierten zwar nur Damen, die aber sehr freundlich und zuvorkommend waren. Bei diesen gutsituierten Damen ließ ich aber meinem jungen Kollegen Martin van Loog den Vorzug. Auch Peter Bonn und seine Familie waren sehr freundliche Leute, da brauchte man keine Entschuldigung anzubringen, man war zu jeder Zeit immer herzlich willkommen.

Auf der anderen Seite von Stommeln, Richtung Bergheim liegt noch die kleine Ortschaft Ingendorf. In Ingendorf gab es zwei große Höfe und noch wenigstens ein kleiner Bauer. Mein Kollege Adolf behauptete immer, dieser Bauer, wenn er einmal sterben würde, bräuchte weder durch die Hölle noch ins Fegefeuer, er hätte bei seiner Frau diese Feinheiten während des Lebens schon durchgemacht.

Die großen Höfe waren Ernst Herzogenrath und dessen Schwägerin Mathilde Herzogenrath, die den Betrieb früh an ihren Sohn Hans Michael übergab.

Ernst hatte immer einen fortschrittlichen Betrieb, war einer der ersten Pferdezüchter nach dem zweiten Weltkrieg und sein Personal, zu der Zeit noch Knechte, gingen für ihren Chef durchs Feuer. Der Meisterknecht von diesem Hof war Gottfried, überall in der Gemeinde bekannt, mit einem Ochsengespann angefangen, und wurde später auch mit einem schweren Lanz - Bulldoc fertig. Gottfried sprach nur Stommler Platt, gleich mit wem er ins Gespräch kam. Gottfried erzählte uns fast jeden Morgen einen Witz, wovon ich einen mein ganzes Leben nicht vergessen kann. Er stellte uns die Frage, ob wir wüßten was wunderbar und was sonderbar wäre? Es wäre wunderbar meinte er, daß Elias mit einem feurigen Wagen gen Himmel gefahren wäre, er saß schon halb auf seinem Traktor als er uns über das Sonderbare aufklärte. Sonderbar meinte Gottfried, wäre: „ Daß er sich dabei nicht den Hintern verbrannt hätte. So war das damals, als die Bauern von Waggonlieferung auf Fuhre umstellten, lernten wir zuerst die Knechte, heute Mitarbeiter der Bauern kennen. Mit den Leuten wurden wir genau so fertig wie  nachher auch mit den Herren. Die Frau Herzogenrath hat übrigens den Betrieb früh an ihren Sohn Hans Michael übergeben. In dem Fall habe ich auch wieder drei Generationen kennen gelernt, denn Hans Michael hat auch früh seinen Sohn mitbeteiligt. Da Ernst Herzogenrath auch keine Nachkommen hatte, sind beide Höfe von Hans Michael Herzogenrath bearbeitet worden. Dieser hat an exponierter Stelle einen wunderschönen Reiterhof gebaut, denselben aber an einen Pächter übergeben um nicht die eigentliche Landwirtschaft zu vernachlässigen. Es gab und gibt heute noch einige Reithallen, wo die Inhaber regelrecht unter die Räder gekommen sind, weil sie den Festivitäten und auch den Frauen nicht widerstehen konnten.

In Stommeln war es auch wie in manchem anderen Bauerndorf, daß der eine Bauer dem Anderen etwas vormachen wollte, wodurch echte Konkurrenz und auch gute Erträge erzielt wurden. Erwähnen möchte ich noch, dass es im ganzen Bauernstand, wenigsten bis zu meinem Ausscheiden, so war, dass der Bauer äußerst sparsam war, aber wenn irgendwo ein Bauernball oder eine bäuerliche Festlichkeit war, waren die Sparsamsten am großzügigsten.

Ich habe manchmal miterlebt, wenn in einem Dorf oder Bezirk Landzusammenlegung angesagt war. In solchen Fällen hatten die Bauern miteinander kaum noch freundschaftliche Beziehungen. Es dauerte oft Jahre bis  sich wieder einrenkte, was ein Beamter der Zusammenlegungskommission ungewollt durch einige Federstriche angerichtet hatte. Nun noch einmal zurück nach Stommeln. Dort waren, wie gesagt, ein Haufen alteingesessener Bauern die alle ein gutes Fundament unter ihren Betrieben hatten. Es gab mehrere Henseler, auch einige Werres, Gebr. Düren, Schall, Esser, Wilden, Giesen, Heinen, Kamp, Meller, Frimmersdorf, Poschen, Müller Großmann, Decker und Weibeler. Ob ich außer dem, von der Rheinbraun evakuierten Bauern Willi Clemens noch welche vergessen habe, weiß ich nicht.

Clemens haben in Stommeln  den Burlander Hof neu erbaut. Es ist ein wirklich schöner nach den neuesten Erkentnissen erbauter moderner Hof. Clemens hatten früher in Elfgen einen gut florierenden aber alten Hof. Der einzige Sohn hat Landwirtschaft studiert und seinen Doktor gemacht, womit er im Betrieb der auch Gemüse anbaut, tüchtig arbeitet. Ob er mittlerweile verheiratet ist, entzieht sich meiner Kenntnis. Clemens waren mir eigentlich anfangs für Stommeln etwas zu vornehm aber das Einleben in die neue Umgebung ging eigentlich zügig von statten.

Erwähnen möchte ich noch den jungen Bauer Hans Werres. Werres war eigentlich der Chemieexperte für Stommeln und Umgebung, er hatte die Situation frühzeitig erkannt. Sein Betrieb war nicht groß, aber die Hofstelle verfügte über genügend Raum. Er setzte sich mit den großen Chemiefirmen in Verbindung, absolvierte dort einige Kurse und war fortan nicht nur der Ansprechpartner der Landwirte, sondern der Produktenhandel und die Zuckerfabriken zählten auch zu seinen Gesprächspartner. Die Landwirte bestellten ihre Spritzmittel bei der Genossenschaft oder beim Händler und Hans Werres brachte diese dann mit modernen Spritzgeräten und Sachverstand aus. Der Betrieb Werres war von zwei Straßen aus erreichbar, aber der Spritzmittelraum war stets verschlossen und nur von ihm persönlich zu öffnen. Zu den Geräteträgern gehörte auch ein Unimog welcher für meine Begriffe besonders wegen der Spritzfaßgröße vielfach Verwendung fand. Kurzum, man konnte sich auf Herrn Werres in allen Belangen verlassen.

Eine Erinnerung an einen raffinierten Stommelner Bauer ist mir noch gut im Gedächtnis. Es war zu der Zeit, als die Bauern ihre Schnitzeln noch in Juttesäcken bekamen. Jeder Bauer hatte bei der Fabrik ein Sackkonto. Einmal kam der besagte Bauer, brachte uns per P K W einen Haufen Säcke zurück, bekam seine Gutschrift, gab die Säcke auch ab und sah wie der Arbeiter die Säcke auf einen Wagen legte und sich in den Wagen einspannte um zum Sacklager zu fahren. Im gleichen Moment nahm der Bauer die Gelegenheit war und stahl von dem Wagen mehr Säcke herunter als er uns gebracht hatte. Es ging alles so blitzschnell, dass wir ihn am Wiegehaus nicht aufhalten konnten, denn Schranken hatten wir noch nicht. Unser Rübenbüroleiter, Herr Besser telefonierte aber gleich nach Stommeln und ließ dem jungen Mann sagen, dass er sofort die gestohlenen Säcke zurück bringen müßte oder wir würden mit der Polizei kommen. Er kam wie ein reumütiger Sünder zurück, wurde von uns an eine andere Fabrik vermittelt und als die Lieferanten dieser Fabrik nach 15 Jahren uns übertragen wurden, stellte sich schnell heraus, dass unser Freund noch so schlecht war wie vor 15 Jahren.

Auch erinnere ich mich daran, dass bei dem Bauer Giesen in Stommeln, er wohnt nahe der ersten Ampel – Kreuzung, ein Bulle geschlachtet werden sollte. Es war eben so, daß die Bauern jedes Jahr einige Schweine und auch einen  Bullen auf dem Hof schlachteten um die Haushaltskasse etwas aufzufrischen. Der Bulle war schon aus dem Stall geholt und auf einer Betonplatte angekettet. Als ihm aber der Geruch des Metzgers in die Nase kam, war er nicht mehr zu beruhigen. Er riß einen einbetonierten Ring einschließlich Beton aus der Platte und wenn der Hof nicht rundum geschlossen gewesen wäre und der Metzger nicht seine Schußwaffe dabei gehabt hätte, wäre dieses Schlachtfest bestimmt dramatischer ausgegangen.

Etwas aus Stommeln muß ich noch mitteilen, und zwar handelt es sich um den Neubauer Großmann. Herr Großmann hatte die Tochter vom Bauern Hans Müller geheiratet. Müllers hatten einen schönen mittleren Betrieb mit guten Erträgen, aber der Hof hatte, wie so viele andere Höfe auch, keinen Nachfolger. Der Sohn der neben der Frau Großmann vorhanden war, studierte, und zwar Medizin. Herr Müller war schon so weit, dass er sein Rübenkontingent bei uns an die Bauern, die Land bekamen, verteilte. Daß sein Schwiegersohn jemals an der Landwirtschaft interessiert sein könnte, hätte weder er, noch irgendeiner in Stommeln für möglich gehalten, denn dieser war bei der Luftwaffe und dem standen dort alle Türen als junger Offizier offen. Er war schon in England, den U S A und Kanada als Flugzeugführer gewesen. Stommeln stand Kopf, als plötzlich die Neuigkeit die Runde machte, dass der Luftwaffenpilot Großmann die Armee verließ und Bauer wurde. Ich kann bestätigen daß Großmann, zwar eine verkürzte Lehre absolvierte, aber ein ganz hervorragender Bauer wurde.

Die nächste Ortschaft in Richtung Köln und für unsere Fabrik die Letzte, ist Pulheim. Pulheim und Stommeln haben sehr vieles gemeinsam. Sprache und Mensch unterscheiden sich kaum. Wohl sind die Pulheimer stadtnäher und haben dementsprechend früher Bauland verkaufen können. Wer sich früher in diesen Dörfern einschließlich Bocklemünd auskannte und dort lange nicht mehr war, glaubt, in ein fremdes Land zu kommen, wenn er die Gegend wiedersieht. Unsere langjährigen Lieferanten waren die Bauern Hubert Pütz und Ferdinand Vonname, die mit unserem Mitarbeiter Pütz verschwägert waren. Als unser Dormagener Werk aber geschlossen wurde, übernahmen wir die restlichen Pulheimer Bauern. Das waren unter anderem Gerd Maaß, Philipp Claren, Josef Weiler, Hermann Josef Decker und Willi Frhr. von Hoiningen.

Letzter hat zwar einen vornehmen Namen, aber sein Betrieb war doch ziemlich klein. Der Name und ein kleines Betriebchen soll das einzige sein, was der Freiherr damals seiner schwangeren Freundin überließ. Trotzdem war Herr von Hoiningen ein guter Bauer und für uns ein angenehmer Lieferant. Philipp Claren wurde von uns eigentlich ziemlich lange begleitet, er verfügte zuerst über einen kleinen Hof, aber hatte Mut und Unternehmungsgeist wie drei Gutsbesitzer. Sein Betrieb wurde von Jahr zu Jahr größer, aber er blieb immer mit den Füßen auf der Erde. Außer seinem Kegelklub und zwei Tage Karneval gab es bei ihm nur harte Arbeit. Erst als er finanziell gut betucht war, erlaubte er sich ein Pferd, was so recht seiner Mentalität entsprach. Zuerst möchte ich aber noch auf den Kegelklub zu sprechen kommen, indem er bestimmt einer der aktivsten und frohgestimmtesten war. Die Herren Kegelbrüder befanden sich auf Kegeltour, es könnte in Linz gewesen sein, auf der Rheinpromenade. Es wurde eine Wette unter den Brüdern abgeschlossen, die Schuhe von Philipp Claren wurden in den Rhein geworfen und er mußte innerhalb einer Stunde als Bettler mit Hut oder Mütze soviel Geld einsammeln, dass er ein Paar neue Schuhe kaufen konnte. Als er mir von dieser verrückten Sache erzählte, meinte er: „Moll, ich hätte nie gedacht, dass man als Bettler so schnell reich werden kann. Er sagte mir, daß keine 15 Minuten nötig waren um zu neuen Schuhen zu kommen. Unter einer DM  hätte keiner der Spender etwas in den Hut geworfen, in diesem Fall traf Philipp aber noch auf eine Dame, die ihn auf Anhieb wohl gern mochte, sie lud ihn ein, mit ihr in die Stadt zu fahren um ein Paar Schuhe zu kaufen. Er hatte zwar so viel Geld erbettelt, dass er gut und gerne die Schuhe kaufen konnte, aber die Dame verpaßte ihm ein Paar, die er vom Preis her nie gekauft hätte. Später stellte sich dann heraus, dass die Dame eine Lederwarenfabrik besaß aber auch Herrn Claren wegen seiner Unbekümmertheit schon etwas ins Herz geschlossen hatte. Jedenfalls sprachen sich beide in einem guten Cafe bei Kuchen und Kaffee aus.

Herr Claren hatte sich ja ein Pferd zugelegt und besuchte nun auch als Offizieller ( also Turnierreiter ) einige Turniere. Bei einem solchen Turnier in der Nähe von Aachen verunglückte Claren und lag lange Zeit in Koma. Nach langen Behandlungen war er eines Tages wieder ansprechbar. Er mußte wieder wie ein Kleinkind mit Sprechen und Schreiben anfangen, aber nach zwei Jahren überraschte er uns, als er wieder mit einem Zug Rüben bei uns erschien. Leider verstarb ihm seine Frau sehr früh an einer schweren Krankheit. Den Betrieb übergab er seinem Sohn, war aber selbst immer mit im Einsatz. Nachdem ich in Pension war, bekam ich eines Tages eine Todesanzeige und war entsetzt dass Herr Claren verstorben war. Ich habe ihn auf seinem letzten Weg begleitet und hörte von seinem Sohn, dass er bei der Inspektion der Parzellen im Auto einen Herzschlag erlitt und trotz schneller ärztlicher Hilfe in den Armen des Sohnes verstarb.

Der Nächste von dem ich sprechen möchte ist der Hofbesitzer Hermann Josef Decker. Zu der Zeit als wir ihn kennenlernten, war Herr Decker schon ein steinreicher Mann. Wir hatten Herrn Decker schon Jahre vorher bei den alljährlichen Winterversammlungen in Pulheim kennengelernt. Dort waren außer den Landwirten im Kölner Raum, alle Zuckerfabriken, die Chemiefirmen Bayer und B A S F  und auch Vertretungen von den Landwirtschaftsschulen eingeladen. Bei diesen Versammlungen und vor allem danach, war Herr Decker immer tonangebend. Es gab dort neben der üblichen Ortsbauernschaft noch eine Vereinigung die sich den Namen Kasino, also Unterkunft oder Zusammenschluß der größeren Landwirte gegeben hatte und dort war Decker auch tonangebend. Über die Kondition des Herrn Decker habe ich immer und immer wieder staunen müssen, er trank alle unter den Tisch und bei der Verabschiedung war er immer noch tipp topp, da ich immer den Wagen fahren mußte, konnte ich die Beschaffenheit der einzelnen Herren beurteilen. Bei Hermann Josef Decker reihte sich ein positiver Paukenschlag an den anderen, kurzum, wo früher einmal sein Hof mit Wiesen und Weiden waren, befindet sich heute ein Wohngebiet, wo wenigstens zweihundert Familien, teils in Häusern oder schönen Wohnungen ihre Bleibe gefunden haben. Ich spreche vom Karthäuserhof und der Karthäuserhofstraße. Herr Decker hat bei dieser ganzen Bautätigkeit keinen Makler nötig gehabt, er wußte seinen Reichtum selbst zu verwalten und blieb trotzdem immer mit beiden Füßen auf der Erde. Decker war für mich immer ein vornehmer großzügiger Bauer, der sich selbst immer einsetzte aber nur mit besten Traktoren und Hängern erschien. Selbst nachdem er eine schwere Kehlkopfoperation überstanden hatte, brachte er seine Rüben noch selbst zur Fabrik. Obwohl er das alles als Hobby betrachtete, sah er sich gerne selbst bestätigt und umworben. Unsere Arbeiter an den Entladestationen freuten sich über jeden Zug Deckerrüben, dann gab es für jede Aufmerksamkeit ein Trinkgeld. Als ich ihn einmal bat, die Trinkgelder in Anbetracht der anderen Bauern nicht mehr zu geben, wurde er blitzig und erklärte mir, dass er sein Geld verschenken könne, an wen er wolle. Herr Decker wollte zwar immer wissen wer er war, aber wollte nie in den Jahren wo ich ihn kannte, eine Extrabehandlung.

Bei der Beschreibung und Betrachtung der Pulheimer Bauern möchte ich mich auf diesem Wege für die Freundschaft und Zuvorkommenheit der Familie Hubert Pütz und Ferdi Vonnahme bedanken. Ich habe nur sehr selten die Gastfreundschaft eines Bauern in Anspruch genommen, aber bei Pütz stand immer fest, dass dort für uns der Tisch mitgedeckt war. Herr Pütz hat auch immer freimütig über sein Glück gesprochen, als fast all seine Parzellen Bauland wurden. Seine Familie, die Bruderschaft Pulheim und ich glaube, die Kirche in seinem Heimatort haben alle auch davon profitiert.

Mit dem Herrn Maaß möchte ich mich von Pulheim verabschieden. Der Betrieb Maaß, jetzt Gerd Maaß wird leider auch nicht mehr lange wirtschaften, obwohl auch dort gute Voraussetzungen bestehen. Zur Zeit meiner Pensionierung bekleidete Herr Maaß einen guten Posten beim Traktorenwerk I. H. C. in Neuß. Diese Fabrik hat natürlich auch mittlerweile ihre Tore geschlossen aber Herr Maaß tauscht bestimmt nicht mehr den Schreibtischsessel gegen eine bäuerliche Tätigkeit. Herr Maaß hatte eine attraktive Frau, die auch aus der Landwirtschaft kam, geheiratet. Wie gesagt, unsere Beziehungen zu den Landwirten im gesamten Kölner Raum waren erstklassig.

Ich hatte unter Stommeln von dem aus Elfgen evakuierten Landwirten Willi Clemens gesprochen. In Elfgen war zu der Zeit, als Elfgen noch ein eigenständiges Dorf war, viel Leben und Treiben unter allen Dorfbewohner. Auch dort war jedes zweite Haus ein Bauernhaus. Es gab entsprechend der geringen Einwohnerzahl immerhin drei Gaststätten, wo  immer etwas los war. Schreiner Schuster und Schmied vervollständigten die dörfliche Idylle.

Die Bauern die mir noch in Erinnerung sind, waren damals der Hierehoff (Herrenhof) den die Familie Schmitz bewirtschaftete, den Lappehoff (Lappenhof) hatte die Familie Heyers in Pacht. Außerdem gab es noch Linges, Klein, Peiffer, Dorn-Jansen, Lambertz, Sauer, Heinen und Clemens. Die Gaststätte Faßbender betrieb auch eine schöne Landwirtschaft und der Dorfschmied, er hieß Nagel, bearbeitete ebenfalls einige Morgen Ackerland. So war das eben auf den kleinen Dörfern, ein Rad trieb das andere an und jeder war seiner Intelligenz und Tatkraft entsprechend am Dorfgeschehen beteiligt. Elfgen lag geographisch auf der Meereshöhe wie Grevenbroich und Elsen. Man sprach aber immer vom Elfgener Berg, wobei es eigentlich zwei Berge waren. Die Bundesstraße 1 und 59, die ab Elsener Schule zusammen liefen, trennten sich in Elfgen wieder. Die B 1 ging in Richtung Garzweiler und führte nach Aachen und die B 59 ging bei der Wirtschaft Faßbender rechts ab in Richtung Rheydt – Mönchengladbach und beide Straßen hatten dann ab Elfgen enorme Steigungen zu verzeichnen. Tatsache war einfach, dass Fahrzeughalter, ob früher Pferdewagen oder später L K Ws, die Ladungen dementsprechend selbst unter Kontrolle hielten, da die Berge in den Straßen beider Richtungen bewältigt werden mußten. Ich erinnere mich noch gut an einen tragischen Unglücksfall nach dem Krieg und zwar am Elfgener Berg in Richtung Rheydt. Ein L K W Fahrer wollte unten einen Hänger abhängen und zuerst mal einen nach oben bringen, aber hatte seinen Zug nicht richtig festgelegt mit Keilen oder Klötzen. Beim Auseinanderhängen der Hänger wurde der Fahrer dann zwischen den beiden Wagen zu Tode gequetscht. Dies geschah in den ersten Nachkriegsjahren, wo manch ein Lastkraftwagen oft zwei Hänger im Schlepp hatte. Die Abfahrt über die beiden Berge war ebenfalls sehr  riskant, wenn Bremsen und Auflaufbremsen nicht 100% funktionierten, war das Risiko kaum abschätzbar.

Von und über Elfgen wäre auch zu berichten, dass dort immer schon ein gewisser Geschäftssinn beheimatet war.

Einige der Bauern belieferten Märkte und entwickelten sich zum Gemüsehändler. Der Herr Wachtmeister war wohl der Erste der mit Möhren einen Großhandel anfing. Er ließ die Möhren durch eine Waschtrommel laufen und war schnell soweit, dass er die Großmärkte in Düsseldorf und Essen belieferte. Schnell hatte man ihn zum Möhrenkönig gemacht und er war keinem böse, der ihn „Murri“ nannte. Unter diesem Namen war er auf allen Großmärkten in Deutschlands westlichen und südwestlichen Regionen bekannt.

Ein Gemüsehandel wurde auch von einem der Söhne vom Bauern Schiffer eröffnet. Auch der Herr Schiffer, der nicht nur mit Möhren handelte, hatte einen Schönen Betrieb aufgebaut. Wachtmeister hatten zuletzt drei oder vier große L K Ws. Laufen, eine große Wasch- und Verpackungshalle die einem Industrieunternehmen gleichkam und jede Modernisierung wurde wahrgenommen. Als der Betrieb richtig florierte und ins Grevenbroicher Industriegebiet umgezogen war, verstarb der Inhaber, sodass heute zwar kein Bankrott angemeldet ist, aber die Nachkommen haben scheinbar keinen Mut zur Weiterführung des Betriebes. Die Bauern, die Jahrzehnte ihre Möhren an Wachtmeister geliefert haben, haben nun das Nachsehen.

Ich habe in Elfgen hautnah miterlebt, wie ein Dorf, Hof für Hof und Straße nach Straße sowie Schule und Kirche der Braunkohle platzmachen mußte. Die Entschädigung mag noch so gut ausgefallen sein und Neuelfgen mag noch so konzentriert als Dorf wieder aufgebaut worden sein, aber die alte Heimat gibt es nicht mehr.

Als von dem ehemaligen Elfgen noch höchstens 5 % an Häuser und Bewohner dort waren, habe ich dort eine schöne Zeit mit gemacht. Der Landwirt Adi Lambertz, dessen Hof an der Straße am Schlagbaum lag, wurde von mir fast täglich aufgesucht. Dort half ich, ob im Kuhstall oder beim Schweinefüttern, ich ging nach meiner Tätigkeit im Büro so richtig in der Arbeit auf dem Hof auf. Einmal wöchentlich wurde dort Karten gespielt, man konnte lachen, schreien und scherzen so laut man wollte. Wenn gekartet wurde, erschien Karl Böker, Heinrich Linges, Peter Winter und Opa Emil Gerresheim, wir hätten um nichts in der Welt darauf verzichten wollen. Es kam auch vor, dass bei einem der drei Bauern eine Kuh ans Kalben kam, dann stand jedes mal eine größere Tauffeier auf dem Programm, die mit viel Alkohol abgeschlossen wurde. Frau Winter die bei Lambertz den Haushalt führte verwöhnte uns mal mit warmen Kakao, ein andermal mit Reibekuchen oder einer Wunschspeise.

Adi Lambertz hat das ihm zugeteilte Land in Widdeshoven bestimmt zwei Jahre von Alt-Elfgen aus bewirtschaftet, bevor er den neuen Hof übernehmen konnte. Karl Böcker und Heinrich Linges gaben ihre Betriebe auf. Die letzten Jahre in Elfgen wird auch denen in bester Erinnerung geblieben sein.

Die Geschwister Heyers hatten zu dieser Zeit schon ihre Aussiedlung überstanden. Sie hatten sich schon auf dem neuen Hof in Ückinghoven bei Deelen mit dem altbekannten russischen Mitarbeiter Max gut eingelebt. Es war dort ein sehr schöner mittlerer Hof mit Milchviehstall erbaut worden, der solange ich weiß Sauberkeit und Aufgeräumtheit ausstrahlte. Die Futtertröge waren immer in einem derart sauberen Zustand, daß man jederzeit auch daraus essen konnte.

Auch Toni Sauer war in unmittelbarer Nähe, und zwar nach Oekoven umgesiedelt worden. Er war in einen vorhandenen aber auch schönen Hof eingewiesen worden. Dort baute er genau wie zu Hause hauptsächlich Möhren an. Toni war unverheiratet und verlor auch noch plötzlich seine Mutter. Nun nutzte auch aller Fleiß nichts mehr, Toni gab den Betrieb auf und ging als Verwalter auf einen Betrieb nach Viersen. Leider ist Toni Sauer ein gutes Jahr später plötzlich verstorben.

Das Dorf Belmen war zu dieser Zeit fast restlos abgebrochen. Der größte Bauer, Gruven, hatte seine Tätigkeit als Landwirt drangegeben, die Bauern Coenen 2 X und Peter Meuser sowie Heinrich Thelen hatten auswärts neue Höfe bekommen, der Betrieb Schiffer wurde von Ludwig Vos aus Jüchen vom Ackerland her übernommen und Josef Thelen sowie Peter Schläger hatten auch das Handtuch geworfen, sodaß Belmen abgehakt werden konnte.

Da von Jahr zu Jahr immer mehr Landwirte ihren Betrieb aufgaben, sei es wegen fehlendem Nachwuchs oder zu geringer Rentabilität, konnte die Rheinbraun großzügig agieren und die Bauern, deren Land sie brauchten, mit Ersatzland bestens zufrieden stellen.

Da waren die Landbeschaffungsprobleme zehn Jahre früher enorm schwieriger. Der Ortschaft Belmen lag nämlich früher, also links der alten B 1, das Dorf Reisdorf und auch St. Leonhard gegenüber. Da zu dieser Zeit auch der kleinste Bauer seinen Betrieb weiterführen wollte, mußte die Rheinbraun schon große Anstrengungen machen, um die Leute halbwegs zufrieden zu stellen.

In Reisdorf waren drei oder vier Bauern, wovon keiner mehr im Kreis Grevenbroich ist. Dem größten Bauer (Jansen) gab man im Kölner Raum einen Betrieb und die anderen, dazu gehörte ein Herr Krings, den man „Butterbrötchen“ nannte, wurden in Richtung Krefeld – Viersen umgesiedelt.

Auf dem Gut St. Leonhard residierte damals, ob als Eigentümer oder Pächter, die Familie Zimmermann. Bei Zimmermanns waren zwei Jungen und eine Tochter. Es hieß damals, dass der Senior für die Tochter ein Kino in Grevenbroich gekauft hätte. Die beiden Söhne, sie hießen Fritz und Arthur waren noch unverheiratet, aber um die 50 Jahre alt, sie übernahmen einen schönen Hof in Bösinghoven. Beiden war anzumerken, dass sie zwar Bauernsöhne, aber keine Bauern waren. In der Zeit meiner Tätigkeit bei der Zuckerfabrik hatte ich mehrmals die Gelegenheit das festzustellen. Als in Bösinghoven eine Autobahn gebaut wurde, hätten die beiden richtig reich werden können, aber sie waren nicht in der Lage das Baumaterial was in Massen nur 10 cm unter ihrer Pflugfurche lag richtig zu verkaufen. Der Vater hatte zwar zwei brave Jungen groß gezogen aber doch vergessen, denen auch die wirkliche Welt mit guten und weniger guten Eigen- und Machenschaften, kennen und erleben zu lassen.

Überall dort wo früher Hüllen und Mulden und Düvelskeller (Teufelskeller) oder bewachsene Hohlwege waren, befindet sich heute, schön angelegt das Elsbachtal. Die Rheinbraun hat sich dieses Tal wirklich etwas kosten lassen, die ganze Anlage ist, ob Bachverlauf, Sträucher, Bäume oder all das Ackerland welches den Bauern in gutem Zustand wieder übergeben wurde, rundweg in Ordnung. Selbst Niederwild, fast sämtliche Vogelarten, und sogar Würmer, Käfer und andere Mikroorganismen, die für die Sauerstoffzufuhr des Bodens verantwortlich sind, sind reichlich vorhanden.

Die Rheinbraun behält die rekultivierten Flächen wenigstens vier Jahre in eigener Bewirtschaftung. Es wird drei Jahre lang nur Luzerne, dann Getreide, meistens Weizen, angebaut und dann übernimmt der Landwirt und kann seine normale Fruchtfolge anwenden. Die Wurzeln der Luzerne haben den Boden derart durchlässig gemacht, dass alle Voraussetzungen für fast jede Saat erfüllt sind. Auch erleben wir manchmal, dass die Fischreiher, die eigentlich für die Erft und die anderen Wassergräben zuständig sind, in den Luzernefeldern auf Mäusefang gehen. Ich möchte noch hinzufügen, dass die gesamte Struktur des Elsbachtals entweder mit den damaligen Großparzellen in Ostdeutschland oder mit den Farmen in den U S A in Verbindung gebracht werden können. Zur Zeit ist man dabei, einige Wirtschaftswege (Ca 10 km) zu asphaltieren .

Für mich persönlich ist diese Entwicklung, ausgenommen der Tatsache, dass viele Landwirte ihren Beruf aufgeben, sehr positiv. Haben doch die Bauern die ihren Beruf weiter ausführen, oft zehn und mehr ha. Ackerland in einer einzigen Parzelle oder sogar das gesamte Land durch Landzusammenlegung, konzentriert in einer Parzelle zur Verfügung gestellt bekommen. In solchen Fällen sagt man auch, der Betrieb ist gut arrondiert.

Die Ernten die wir in den letzten Jahren unter die Lupe genommen haben, waren durchweg gut bis sehr gut. Hierbei muß anerkannt werden, dass Getreide so gut wie Kartoffeln und Möhren oder auch Rüben, sehr gut waren. Ich bin ungefähr zehn Jahre Rentner und mein Freund ist, auch wenn er den Betrieb an seinen Sohn übergeben hat, immer noch ein echter Bauer. Wir beobachten das Geschehen seit dieser Zeit und stellen fest, dass die jetzige Rekultivierung viel exakter und korrekter vor sich geht, als vor zehn Jahren. Einen dicken Stein sieht man höchst selten noch auf dem Acker liegen.

Die neuen Grünstreifen, Feld- oder Wegraine, sowie die Flächen die mit Strauchwerk und kleinen Bäumen bepflanzt sind, werden mittlerweile, wenn auch zögernd, von den Bauern akzeptiert. Habe ich überhaupt schon erwähnt, dass oberhalb des Elsbachtals, auf der Halde >Gustorfer – Höhe< ein großer Segelflugplatz und auch ein Modellflugplatz existiert ?  Diese Einrichtungen wurden anfangs auch nicht gerne gesehen aber gehören heute mit ihren Flugtagen und anderen Darbietungen zum üblichen Jahresablauf.

Mancheiner, der meine Zeilen liest, wird annehmen, ich würde der Rheinbraun verfallen sein. Die Wirklichkeit liegt ganz weit entfernt. Habe ich doch manche Bauernfamilie, aber auch Privatleute verzweifeln und vor Heimweh krank werden sehen. Es bleibt mir in Erinnerung als ich in den Jahren zwischen 1970 und 1980 in der Ortschaft Holz den Herrn Packbier aufsuchen mußte. Es war ein wunderbarer, klarer Frühherbsttag. Irgendwie kam ich auf das schöne Wolkengebilde, welches von den Kraftwerken Neurath und Frimmersdorf kam, zu sprechen. Herr Packbier wurde regelrecht wild und meinte :"Die rücken uns immer mehr auf die Pelle." Da nutzte meine Beruhigungstheorie garnichts, obwohl die Wolkenfabrik und auch der Abbau der Braunkohle noch viele Kilometer von Holz entfernt waren, hatte dieser Bauer schon die richtige Ahnung.

Damals habe ich mich der sogenannten Wolkenfabrik etwas mehr gewidmet und mußte feststellen, dass diese Wolken der Landwirtschaft und auch jedem Kleingärtner täglich Stunden an Sonneneinstrahlung wegnahmen. Die Sonne fehlte bei der Zuckerbildung in der Zuckerrübe so gut wie bei der Reife aller Getreidesorten oder aller anderen Feld- und Gartenfrüchten.

Seitdem die Bagger nun in Richtung Holz, Otzenrath und Immerath vorrücken, ist mir diese Begegnung schon oft ins Gedächtnis gekommen.

Der Betrieb Packbier in Holz ist ein mittlerer, sauberer Hof auf dem sich auch noch ein Nachkomme mit bäuerlichem Mut befindet. Der junge Mann hat auch in ein paar Kampagnen in unserer Zuckerfabrik gearbeitet, wo er einen sehr guten Eindruck hinterließ. Der Senior Packbier war damals Ortsbauernführer der Dörfer Hochneukirch und Holz. Es gab eine Reihe guter wenn auch nicht sehr großer Bauern.

Der größte, der Busch – Hof, Max Busch, ist mittlerweile zwei mal umgezogen und wohnt jetzt in Nievenheim bei Dormagen. Auch wenn jeder Umzug noch mehr Land und auch Bauland brachte stehen Buschs finanziell zwar sehr gut da, aber der eigentliche Betrieb ist für meine Begriffe nicht dementsprechend aufgestockt worden. Die anderen Landwirte in Holz, ob Deußen, Röben, Paulussen, Frentzen, Kamphausen, Beckers oder Klos waren alles mittlere saubere und gut wirtschaftende Betriebe.

Fridhelm Frentzen war fortschrittlich, weil er Pferdepension hatte und traditionell weil er noch sehr lange einen guten Milchviehstall unterhielt.

Willi Roeben arbeitete mit dem Bauer Bickler aus Hochneukirch zusammen. Beide machten Getreide und Rüben und als Sonderkultur Blumenkohl. Deußen und Paulussen waren auch gute Ackerbauern die zudem noch über einen guten Kuhstall verfügten. Bei dieser Gelegenheit muß ich dem Betrieb Paulussen noch einige Extrasilben widmen. Irgendwann war dort die Rübensaat nicht richtig aufgegangen. Ich wurde als Gutachter hingeschickt, habe alles unter die Lupe genommen, mehrere Zählungen durchgeführt und konnte Vater und Sohn überzeugen, dass die Saat nicht umgebrochen werden mußte. Zwei Tage später stand der Sohn morgens schon an der Fabrik und wollte neues Saatgut haben. Ich erfuhr, daß Mama am Vortag kurz und bündig den Befehl zum Umbruch gegeben hatte. Mama war eine sehr resolute Frau auf der dieser Betrieb zugeschnitten war. Mama Paulussen ist ihrem Mann vor vier Jahren in die Ewigkeit nach gegangen. Sohn Heinz hatte bis dahin den Betrieb wirklich in bester Ordnung. Auch waren ein paar Wohnungen verpachtet. Die einzige Tochter hat einen guten Bauer aus dem Raume Erkelenz geheiratet und Heinz Paulussen und seine Frau versuchen von den schönen Lebensqualitäten noch einiges abzubekommen. An Vieh ist nichts mehr vorhanden und wie man hört lassen die beiden kein Fest an sich vorbei gehen.

Zum Betrieb Klos kann ich nur sagen, er war klein aber gut und rentabel geführt. Herr Klos war gut beraten frühzeitig aufzuhören. Die Hofgebäude waren lange Jahre an eine Duftwasserfabikation verpachtet, wogegen die Ländereien an die Kollegen verpachtet wurden.

Der Betrieb Beckers hat von Bullen über Schweine, dann schwerpunktmäßig Kartoffeln und vieles andere versucht aber jetzt seine Pforten geschlossen. Erwin Beckers hat, weil die Rheinbraun von ihm eine Parzelle haben mußte, angeblich dort als Verwalter angefangen. Er ist mir schon einige male mit seinem Rennrad  begegnet aber was, oder wo er was verwaltet, konnte ich noch nicht ermitteln.

Der Landwirt Deußen, ist in Holz eine alt bekannte Größe. Und das bezieht sich nicht nur auf die Körpergröße. Die Familie Deußen, besonders die Herren, sind alles große schlaksige Männer. Ich bin jetzt etwas überfragt ob der Senior Ernst Deußen in Holz oder in Hackhausen gebürtig war. Solange ich mit Deußens zu tun hatte, ob in Holz oder Hackhausen habe ich mit fachlich perfekten und guten Landwirten zu tun gehabt. Ernst Deußen in Holz, oder dessen Nachfolger hat vor wenigen Jahren einen modernen Milchstall neu gebaut und muß nun mit der Umsiedlung zurecht kommen. Der Bruder Karl Günter Deußen aus Hackhausen hat seinen Hof der Rheinbraun für schulische Zwecke zur Verfügung gestellt und ist schon nach Evinghoven in einen schönen, neuen Hof, umgesiedelt.

Hochneukirch war für uns eigentlich immer eine Hochburg in Sachen Zuckerrüben. Trotzdem gab es dort Außer Max Busch kaum einen größeren Landwirt. Der Verladebahnhof und später besonders unsere Verladestelle brachten die Ortschaft immer ins Gespräch.

Außer dem schon genannten Bickler waren noch die Bauern Ecken, Lüpges, Hensen und Otten als praktizierende Landwirte im Ort. Lüpges hatte seit eh und je einen guten Brennszoffhandel als zweites Standbein.

Hensen und Otten waren immer Doppellieferanten die bei uns nie richtig Fuß fassen konnten.

Heinrich Ecken war zwar kein großer Bauer aber für meine Begriffe fehlte auf diesem kleinen Hof nichts, auch kein Geld. Heinrich Ecken verstand es, sowie auch später sein Sohn, immer zur richtigen Zeit die lukrativste Kultur anzubauen. Es gab nichts was am Hof Ecken nicht zu haben war, ob Gemüse, Eier oder Fleisch vom Rind, Schwein oder Kaninchen. Obwohl bei Ecken Familiär nicht alles klar war, (der Sohn hieß nämlich Steinhäuser) genoß die Familie im ganzen Dorf Hochachtung.

Da ich das Dorf Hackhausen schon kurz angeschnitten hatte muß ich mich darauf mal kurz konzentrieren.

In Hackhausen waren zu meiner Zeit Ulrich Klaßen, Willi Aretz, Paul Quack, Johannes Vogels, Karl Günter Deußen und Peter Kremer aktiv. Ulrich Klaßen führte einen schönen mittleren Hof. Er züchtete Pferde für die Trabrennbahn und war dementsprechend wenigstens einmal in der Woche in Mönchengladbach beim Rennen anzutreffen. Ulrich war schon früh durch sein Hüftleiden ein vom Schmerz geplagter Bauer. Darum gab er seinen Betrieb auch vorzeitig auf.

Paul Quack und Johannes Vogels haben auch seid 1992 ihre Betriebe, die beide rentabel geführt wurden, abgemeldet.

Peter Kremer hatte immer mehr Gemüsebau als Landwirtschaft. Bei ihm konnte man immer mit sehr guten Zuckerprozenten rechnen. Er hatte einfach ein Händchen dafür, die Kunstdüngergaben, trotz des Gemüseanbaus, bestens dosiert den verschiedenen Kulturen zukommen zu lassen. Peter Kremer bewältigte mit seiner Frau gemeinsam die anfallende Arbeit auf dem Hof und im Feld. Es wäre wünschenswert wenn beide jetzt auch ein ruhiges Rentnerleben führen würden.

Willi Aretz, besser gesagt sein Sohn, bewirtschaftet den größten Hof in Hackhausen. Aretz Lang (Willi) ist vor einigen Jahren an Herzschlag plötzlich gestorben. Er war in allen Gremien der Landwirtschaft aber auch im Dorfleben oder bei der Jagd aktiv. Daß Willi immer schon großzügig war, geht aus folgender Erzählung, die ich von meinem Freund und Kollegen Hans Grandke habe, hervor.

Hans Grandke hatte 1950 bei Pfeifer und Langen angefangen, er war ein schwerverwundeter in die Heimat entlassener Soldat, der das Glück hatte im Rübenbereich einen Arbeitsplatz zu bekommen. Mein Kollege war zudem Flüchtling, er war Bäcker und Konditormeister hatte den rechten Arm gelähmt, und konnte folglich seinen Beruf nicht mehr ausüben. Er war ungeheuer ehrgeizig und ließ sich keine Arbeit vormachen. Seine Familie bestand damals aus seiner Frau und drei Mädels zwischen vier und fünfzehn Jahren. Damals war es sehr schwer eine Familie durch zu füttern und Hans Grandke hatte das große Los gewonnen als er von Willi Aretz mit seiner Familie für einen Sonntag auf dessen Hof eingeladen wurde. Um es kurz zu machen:“ Beim Frühstück gab die Familie Grandke die erste Vorstellung. Als die drei Mädels, besonders aber Marlis die älteste, von dem bäuerlichen Frühstück nicht genug bekommen konnte und Mutter diese unterm Tisch anstieß, sprudelte es wie folgt über deren Lippen: „ Mutti laß mich doch in Ruhe, Vati hat doch gesagt am Sonntag könnt ihr euch mal richtig satt essen. Soviel zur Großzügigkeit des Wilhelm Aretz. Der Junior Aretz hat viel von seinem Vater und der übrigen Familie mitbekommen und genießt ebenfalls überall einen guten Ruf. Hackhausen war und ist ein kleines sauberes Dorf in der Gemeinde Jüchen, in dem ob Bauern, Gewerbetreibende oder auch Arbeiter und Angestellte, für die Beurteilungsnote gut bis sehr gut, sorgen.

Die Dörfer Otzenrath, Immerath, Jackerath und Garzweiler lieferten ihre Rüben nach Ameln und Jülich. Durch unsere Carbokalkausbringung hatten wir Gelegenheit auch dort einige große Höfe kennen zu lernen, Die Äcker im Raume Jülich und auch Düren lassen unseren Böden nicht viel nach.

In Sasserath waren damals auch noch einige gut situierte Bauern. Auch da spielte das nahe Mönchengladbach eine entscheidende Rolle. Wir hatten in Sasserath die Landwirte Alfred Brandt, Albert Coenen, Ernst Wilh. Dürselen, Hans Dürselen Günter Lindgens ünd Herbert Stromenger. In den letzten Jahren meiner Tätigkeit haben wir die übrigen Bauern in näherer Umgebung, wie Odenkirchen, Saarhof, Wetschewell und einige mehr unter der Sasserather Kontonummer166100 zusammengefaßt.

Hierzu muß ich folgende Erklärung machen. Jeder unserer Lieferanten hatte eine sechsstellige Kontonummer. Die beiden ersten Stellen bezogen sich auf den Kreis. Dann kamen zwei Zahlen die für die Ortschaft standen, und in den letzten zwei Zahlen waren die Landwirte aus dem Ort alphabetisch einsortiert. 140102 war die Kto. Nr. der Geschw. Delvos in Aldenhoven.

Sasserath und Umgebung war unter 16 (Kreis) 61 (Ort) u. s. w. zu finden. Hugo Coenen war ein Landwirt der im Krieg ein Bein verloren hat aber seinen Betrieb immer in Ordnung hatte so daß der Sohn Albert den Hof gerne übernahm. Die Bauern Brand, Hans Dürselen und Lindgens hatten ganz erstklassige Milchviehställe. Herbert Stromenger habe ich nur in Gummistiefeln gekannt, zudem war er ein Freier auf Lebenszeit. Es gab noch in diesem Raum den Bauer Heini Kamphausen der mir allein schon wegen seiner tollen Stimme und Einstellung zum deutschen Lied stets in Erinnerung bleiben wird. Heinrich Kamphausen hatte derart starke Hüftbeschwerden, daß er, wenn er eine Fuhre Rüben brachte, beim Kippvorgang auf seinem Traktor sitzen blieb. Er war einer der ersten Bauern dem man eine neue Hüfte eintransplantierte. An Heinrich Kamphausen war wirklich ein Wunder geschehen, er lief und bewegte sich nach der Operation wie ein junger Gott.

Saarhof, der Name besagt es schon, ist ein Ortsteil welcher über 2 Höfe und zwei Privathäuser verfügt. Die Bauern Barawasser und Lauffs waren wohl die Einwohner die auf Grund ihrer sehr guten Milchviehställe dem Staat Einkommensteuer zahlen mußten. Wenn ich überlege, daß ich bei Barawasser schon die vierte Generation erlebte komm ich mir recht alt vor. Leo Barawasser war Onkel Leo den ich auf dem Schmitzhof kennenlernte. Dann traf ich Onkel Leo auf dem Hariksee bei einer Bootsfahrt, wo er seinem Enkel Heinz Günter, den jetzigen Hofinhaber gemeinsam mit seiner Frau das große Wasser zeigte. Onkel Leo sogut wie sein Sohn Günter haben noch hart und ohne technik arbeiten müssen. Hans Günter hat es doch schon etwas besser. Man denke nur an Melkmaschinen, Mähdrescher, Rübenroder und gut ausgerüstete Traktoren mit besten Geräten bestückt. Hans günter war auch früh verheiratet was aber nicht geklappt hat. Trotzdem bin ich überzeugt, daß die vierte Generation, ein Junge, zu einem guten Bauer erzogen wird. Heinz Günter hat auch noch eine Schwester die bei Bayer Dormagen beschäftigt war und die nötigen Botengänge für den Hof erledigte.

Der Landwirt Lauffs hat in früheren Jahren seine Rüben nach Elsdorf gebracht. Dann heiratete einer der Gebrüder in Kelzenberg ein und beide Betriebe wurden zusammen gelegt und nach Wevelinghoven übertragen. Die Zusammenarbeit zwischen den Gebrüder Lauffs und der Zuckerfabrik Wevelinghoven konnte man als sehr gut bezeichnen.

Im Kreis Rheydt – Mönchengladbach, also Konto-Kreisnummer 16 gehörten noch 1641, das war die Ortschaft Neuwerk und 1672 das Bauerndorf Schelsen zu dem Einzugsgebiet der Zuckerfabrik Wevelinghoven. Als ich vor 45 Jahren bei der Zuckerfabrik meine Arbeit aufnahm, gab es noch außer dem Werk Wevelinghoven, die Pfeifer u. Langen Fabriken Ürdingen, Dormagen, Ameln, Euskirchen und Elsdorf. Zudem waren in unserem rheinischen Raum noch die Bauernfabriken  Zucker – Bedburg, Zucker – Jülich und die Zuckerfabrik Brühl. Außerdem gab es noch die Zuckerfabrik in Düren, die aber von der Familie Schöller geführt wurde. Nachdem Pfeifer und Langen die Werke Ürdingen und Dormagen geschlossen hatte, wurde am Niederrhein und zwar in Appeldorn ein ganz neues Werk aus dem Boden gestampft. Ebenfalls wurde die Fabriken Düren, und Brühl  sowie die Lippe –Weser Zuckerfabriken Lage und Emmerthal von Pfeifer und Langen erworben. Nun wurden die Zuckerfabriken Düren, Brühl, Ameln und Emmerthal geschlossen.

Im Zuge der weiteren Bereinigung auf dem Zuckermarkt wurde das Werk in Wevelinghoven so wie die Bauernfabrik Bedburg, wo sich die Aktionäre für eine Fusion mit  Jülich entschieden, auch geschlossen. Im Rheinland gibt es also zur Zeit noch die Fabriken Appeldorn, Elsdorf, Euskirchen und Jülich, sowie die Fabrik Lage an der Lippe.

Während all dieser Transaktionen auf dem Zuckermarkt wurde bei Pfeifer und Langen weiter geforscht und der Landwirtschaft aber zuerst Pfeifer und Langen,durch die neue Chipsfabrik eine weitere rentable Produktpalette geschaffen. Ein Teil unserer Landwirte bekamen die Gelegenheit gewisse Sorten Kartoffeln unter strengen Auflagen für die Chipsfabrik anzubauen. Zuerst waren die Bauern der Meinung die Anforderungen nicht erfüllen zu können, aber durch intensive Beratung und gegenseitiges Vertrauen stellte man schnell fest, daß auch der deutsche Landwirt lernfähig und begabt ist.

In dem geschlossenen Werk Dormagen hatte Pfeifer und Langen eine Forschungsabteilung eingerichtet und experimentierte dort an einigen Produkten herum. Eines Tages erfuhr ich durch einen ehemaligen Kollegen der jetzt in Dormagen arbeitet, daß man dort neuerdings Weizen angenommen hatte um daraus Zucker zu produzieren. Zucker aus Rüben sowie aus Zuckerrohr war mir bekannt darum stand ich der neuen Errungenschaft sehr skeptisch gegenüber.

Trotzdem blieb ich am Ball und konnte erfahren, daß mit und von dem uralten Getreide, dem Weizen, nicht nur Mehl, Kleie und Keime zu machen war. Es dauerte nicht sehr lange bis in Dormagen neue Hoffnungen auf eine neue Produktionsstätte aufkamen. Dies geschah auch Zug um Zug so daß auch schnell wieder ein großer Arbeiterstamm einen neuen Arbeitsplatz sozusagen sicher hatte.

Der erste Zucker, wenn auch in flüssiger Form, ließ nicht lange auf sich warten und wurde auch schnell und gut vermarktet. Unsere Entwicklungs- und Forschungsabteilung hatte schnell erkannt, daß aus Weizen, außer Flüssigzucker für die Lebensmittelindustrie, auch noch für die Viehfutterindustrie und die Papierindustrie Produkte gewonnen werden können. Ich habe mich während meiner aktiven Dienstzeit für jede Neuheit und Verbesserung eingesetzt und einiges mit vervollständigt. Leider mußte ich in unserem Kölner Zuckerhut eines Tages lesen, daß die Dormagener Glukosefabrik geschlossen wurde und die Produktion nach Chamtor in Frankreich verlegt wird, womit der Standort Dormagen wohl für Pfeifer und Langen und für mehrere Mitarbeiter verloren geht. Mir wäre es sehr recht gewesen, wenn unsere Landwirtschaft ein weiteres Standbein durch Weizenanbau für die Zuckerfabrik Dormagen bekommen hätte.

Nun aber zurück zu 164100 Neuwerk. Neuwerk ist eine bäuerliche Domäne die sich sehr langgestreckt um Mönchengladbach zieht. Neuwerk war für mich immer das zweite Willich. Auch hier mußte man schon unter ortskundiger Anleitung einige Zeit zu tun haben, um in etwa die Weiträumigkeit des Ortes kennen zu lernen. Ich erinnere mich, daß wir jeden Winter auch in Neuwerk eine Bauernversammlung besuchen mußten und mein Vorgesetzter Zimmermann, der immer für die Hinfahrt verantwortlich war, nie den richtigen Weg fand. Zu dieser Zeit gab es noch 20 praktizierende Bauern in Neuwerk. Diese hatten fast alle große Viehställe und vor allem Milchviehställe. Getreide und Kartoffeln wurden dort aber auch mit großem Erfolg angebaut. An eine Besonderheit in Neuwerk erinnere ich mich noch recht gut. Der Bauer Josef Quinkelen hatte Rübensamen geholt und bei unserer Unterhaltung kamen wir auf die Mondkonstellation Neumond ( im Volksmund jonk Leid junges Licht) zu sprechen die kurz bevor stand und einer alten Bauernregel zufolge keine Saatperiode sein soll.

Nach einigen Wochen rief Herr Quinkelen an und bat mich mal nach seinen Rüben zu sehen. Er hatte von Donnerstag bis Sonntag gesät und zwar nur eine Sorte aber der Aufgang und die heranwachsende Saat vermittelte einen anderen Eindruck. Wir rekonstruierten den gesamten Saatvorgang sowie die Saattage und mußten feststellen, daß der letzte Saattag in die Neumondperiode fiel, was sich durch auffallend viele Schosser zeigte. Diese Feststellung wurde natürlich von den jungen Bauern belacht aber wir konnten nichts herausfinden was uns auf eine andere Fährte gebracht hätte. Für einen der mit dieser Materie nichts zu tun hat fällt es natürlich schwer derartiges für möglich zu halten. Da meine Familie und ich aber fünfzehn Jahre hintereinander auf der Insel Borkum Urlaub gemacht haben und dort mit uralten Insulaner zusammen wohnten, welche uns auf einige Naturereignisse aufmerksam machten, ist mein Glaube verständlich.Ja wenn ich dieses Thema bei unseren Flachlandindianer anschneide muß ich schon viel Überzeugungskraft anwenden um nicht belacht zu werden. Wer glaubt schon, daß dort ein hochtragendes Pferd oder eine Kuh im gleichen Zustand, bei Niedrigwasser nicht zur Geburt kommt?. Gleiches wird dort von hochschwangeren Frauen behauptet. Bei Frauen habe ich diese Weisheit noch nicht kontrollieren können, ich kann wohl bestätigen, daß erst bei Flut (Hochwasser) die bekannten nervösen Vorbereitungen, auf eine Geburt, beginnen. Eine weitere für uns seltene Tatsache ist auch die Springflut, diese stellt sich nur bei Neumond ein. Für mich war es immer interessant auf dieser Insel, mitten in der Nordsee, mit den naturverbundenen Menschen diese Themen zu diskutieren.

Das sollte jetzt lediglich die Bestätigung zu meiner Theorie, Schosserrüben bei Ausbringung der Saat während der Neumondperiode sein.

Es wäre vermessen so einfach Neuwerk zu verlassen und zur Tagesordnung über zu gehen. Die Neuwerker Bauern von Brüggen über zwei mal Brungs, ob Peter Coenen, Kresken, Liesen, Loenes, Spicker oder Heinz Stähn, alle waren ganz prima Ackersleute. Auch die Tierzucht ,die Milchwirtschaft oder die Eigenständigkeit war dort in besten Händen. Wir haben in den langen Jahren  wo wir mit den Bauern in Neuwerk zu tun hatten nur freundliche Menschen kennengelernt, die auch unter sich ein gutes Verhältnis pflegten.

In der Gegend um Viersen hatten wir auch noch einige Lieferanten. Diese einzeln aufzuführen ging natürlich zu weit. Es waren nur ganz wenige die uns wirklich bekannt waren. Eine junge Frau, die aber aus familiären Gründen sehr oft in unsere Gegend kam und für meinen Kollegen Grandke eine Augenweide war, muß ich aber kurz beschreiben. Frau Tillen wohnte in Süchteln und führte dort mit ihrem Mann Erich einen kleinen Betrieb. Sie war in Wey, ich glaube als einzige Tochter der Familie Walter Pöstges geboren. Wenn sie dann zu Familienfeiern nach Wey kam, verband sie das mit einem Besuch bei der Zuckerfabrik. Die Bauern konnten bei uns ja Zucker, Rübenkraut und zeitweise auch Marmeladen kaufen und Frau Tillen verband dann das Eine mit dem Anderen. Frau Tillen war wirklich eine nette Frau, mit schwarzem Haar dunkler Haut, sie war gut gewachsen aber wie das eben so bei den damaligen Landfrauen war, wenn es ums sprechen ging war die Herkunft nicht zu leugnen. Außer der Frau Tillen kam noch eine hoch moderne Dame und zwar die Tochter eines Herrn Dr. Burghardt, der Eigentümer eines großen Hofes im Raume Butzheim / Knechtsteden war und mußte nur von meinem Freund und Kollegen Grandke bedient werden. Die Dame war bei uns jedenfalls lieber gesehen wie der Nachfolger auf diesem Hof. Das waren ein paar kleine Episoden meines Kollegen die aber wie alles bei und von ihm gradlinig und korrekt über die Bühne gebracht wurden.

Nun will ich noch einige Zeilen über das Bauerndorf Schelsen schreiben. Schelsen gehört geographisch zum Kreis Mönchengladbach obwohl von dem Ackerland der ansässigen Landwirte mancher Morgen im Kreis Grevenbroich liegt. Die Ortschaft Schelsen ist mir erst ein Begriff geworden, nachdem ich von der Zuckerfabrik aus dort zu tun hatte. Ähnlich wie in Stommeln ist auch hier jedes zweite Haus ein Bauernhaus. Die Bauern waren alles liebe und brave Menschen, die in erster Linie Gott und dann der Arbeit die Ehre gaben. Also bete und arbeite.

Wenn ich aus Richtung Steinforth Rubbelrath in Schelsen einfahre, habe ich zur Linken und auch zur Rechten als erstes Haus einen Bauern. Der Herr Dürselen der auf der linken Seite wohnt hat es gewiß nicht leicht im Leben gehabt. Der Vater blieb im zweiten Weltkrieg und die Mutter heiratete einen Junggesellen aus Stommeln. Dieser hielt den kleinen Betrieb zwar in Ordnung, aber nach wenigen Jahren verstarb der neue Vater auch und das Hänschen mußte den Hof wieder als junger Bursche den Hof alleine führen. Ihm gegenüber wohnte der Land- und Gastwirt Schillings. Der hatte natürlich andere Möglichkeiten in der Wirtschaftswunderzeit etwas zu erreichen. Der Sohn vom Herrn Schillings studierte, hatte immer einige Pensionspferde auf seinen Weiden und hat heute wohl mit Ackerschaft nichts mehr zu tun.

Als ich kürzlich durch Schelsen fuhr, konnte ich eine Strukturveränderung in Richtung moderne Stadt feststellen. Seit meiner Pensionierung ist von den ganzen Bauern kaum noch etwas übrig geblieben. Selbst Bauern, von denen ich annahm daß sie nicht mit der Pistole aus ihrem Beruf zu treiben waren kapitulierten und ließen sich mit Geld praktisch von ihrer Scholle wegkaufen. Da gab es den Bauern Josef Dürselen, der einen schönen Hof abseits vom Dorf bearbeitete und zudem Zeitweise den Ziegeleihof in Anstel mitbewirtschaftete. Gewiß, er hatte auch keinen Nachwuchs und auch eine Krankheit zu überstehen, aber für mich war es ein Schock zu hören, daß er aufgehört hat. Seine Ländereien hat wohl eine Baumschule übernommen. Auch Karl Deußen hatte einen schönen Hof, praktisch mitten im Feld von seinem Schwiegervater übernommen. Die Tochter wurde Lehrerin aber heiratete einen Bauernsohn. Diese Ehe war nicht von langer Dauer und dadurch liegt wieder ein erstklassiger Hof mit besten Grundlagen regelrecht brach. Ich behaupte mal ganz frech, die Zeit der Bauern geht ganz langsam dem Ende entgegen. Das soll nicht heißen, daß demnächst weder Kartoffeln noch Getreide oder Rüben angebaut und geerntet werden, aber die bäuerliche Tradition wie sie früher auf den Dörfern üblich war gibt es nicht mehr. Viehbetriebe gibt es nur noch ganz wenige, einen Kuhfladen oder einen jauchefahrenden Bauern sieht man nur noch selten. Ja selbst die für Landwirte vorgesehene Wirtschaftswege präsentieren sich meistens in sauberem Zustand. Die wenigen jungen Leute die heute den Beruf Landwirt erlernen wollen, können dies selten oder nicht auf einem Hof. Viehzucht und Gemüsebau und Schweineast werden zwar bei den Prüfungen verlangt, aber sind nicht auf einem Betrieb zu erlernen.

Ungefähr 1 km Luftlinie von mir entfernt wohnt der Milchviehbauer Therhardt. Nun hat dieser Betrieb schon ausgesiedelt, befindet sich also nicht mehr in einer Ortschaft. Er hat natürlich an den beiden Wirtschafts-wegen die seinen Betrieb anbinden, einige Mieten und Silos angelegt. Daß diese Wege allerdings bei schlechtem Wetter nicht immer sauber sind ist selbstverständlich. Wenn der arme Mann aber immer hören müßte was die Leute, auch ehemalige Bauern, für schöne Worte finden wenn die Schuhe oder das Fahrrad mal schmutzig werden, obwohl die Wege hauptamtlich für die Landwirtschaft geschaffen wurde, würde er nicht mehr ruhig schlafen. Der Hof wird runde 100 Kühe füttern und melken und für soviel Tiere muß Futter und Stroh herangeschafft werden. Da bleibt es nicht aus, daß bei aller Anstrengung der Weg auch mal nicht ganz so sauber ist.

Heute berichteten die Medien, daß auch in Deutschland die ersten BSE-Fälle bekannt wurden. Was das für  die Landwirtschaft bedeutet ist garnicht so schnell zu erfassen. Die Herde des betroffenen Landwirten, auch um die 100 Tiere, wird heute zum Schlachthof gebracht wo alle Tiere getötet und auf BSE untersucht werden. Anschließend werden die Kadaver dann verbrannt.

Ob die Politik, die bisher total versagt hat, den betroffenen Bauern irgendwie entgegen kommt ist sehr fraglich. Die Opposition CDU und FDP macht zur Zeit den Regierungsparteien große Vorwürfe wegen der derzeitigen BSE-Situation, dabei haben diese Damen und Herren solange es in England die ersten BSE – Fälle gab die Grünen überall lächerlich gemacht und alle Warnungen, ich denke zu Gunsten der Fleischwarenindustrie, abgeblockt.

Urplötzlich hört man auch sehr viel über wissenschaftliche Erkenntnisse die aber jetzt erst, wo das Kind in den Brunnen gefallen ist, eingeleitet werden. Ebenfalls hat so ein akademischer Furchenscheißer die Idee aufgetischt, daß man auch Weiden und Wiesen sowie Böden die mit Dung der Tiere behandelt wurden wissenschaftlich untersuchen müßte. Die höheren Gehaltsstufen werden durch diese Misere wieder richtig hinzu verdienen, mit Gutachten und der Gleichen, aber die Zeche dieser furchtbaren Angelegenheit zahlt der Bauer und der kleine Endverbraucher.

Der Bauer Therhardt von dem ich geschrieben habe hat jedenfalls zu all seinen Problemen noch eine große Sorge zusätzlich bekommen. Ich hoffe für ihn und für all seine Kollegen die mit Kühen zu tun haben, daß sich die BSE-Angelegenheit bald zu aller Zufriedenheit erledigt.

Wenn man überlegt, daß 95 % unserer heutigen Milchviehbetriebe ihre Milchkontingente von Jahr zu Jahr durch Zukäufe vergrößert haben, ihre Ställe und Melkeinrichtungen der neuen Stückzahl anpassen und dafür viel Geld hinblättern mußten, kann man verstehen mit welchen Gedanken diese Leute zur Zeit abends zu Bett gehen. Milch und Milcherzeugnisse werden zum Glück vorerst noch nicht als gefährlich deklariert. Es wäre wirklich ein Segen, wenn Wissenschaft und Regierung mal rechtzeitig auf solche Mißstände hinweisen und dementsprechende Gesetze verabschieden würden. Bestes Beispiel ist die soeben zu Ende gegangene Klimakonferenz in, ich glaube, Den Haag. Auch Hier wissen alle die daran beteiligt sind was sich in der Atmosphäre abspielt, und wie wichtig es wäre diesen Verschmutzern Einhalt zu gebieten, aber solange die Ärmsten der Armen den meisten Schaden der Klimaveränderungen haben, verlassen diese Herren hocherhobenen Hauptes diese und garantiert noch einige Konferenzen mehr. Die Wissenschaft müßte auch ihre Lobby endlich mal einbringen, denn all das was die Atmosphäre verunreinigt ist ja auch durch die Wissenschaft experimentiert, ich hoffe im guten Sinne, worden.

Bei solchen politischen Extras, wie Klimakonferenz, BSE – Krise oder wie jetzt die Gipfelkonferenz in Niza, fragt man sich wirklich, ob dieses neue Europa welches schon Jahrzehnte unser Geld kostet, nur ins Leben gerufen wurde um einigen Politikern einen gut dotierten Posten auf Lebenszeit vermitteln.

Es liegt mir fern zu der augenblicklichen Situation einen Politiker oder sonst jemanden verantwortlich zu machen. Trotzdem habe ich die Wunderwirtschaftszeit von der Picke an mitgemacht, und vieles erlebt.

Unter anderem habe ich miterlebt, wie in der Landwirtschaft alles mit Maß und Ziel geordnet war. Auf jedem Hof war, den Ländereien entsprechend Großvieh, Kühe und Pferde sowie Schweine, Gänse, Enten und Hühner. Das Vieh auf dem Hof sorgte dafür, dass die Parzellen natürlich gedüngt werden konnten. Hier und da wurden kleine Mengen an Kalk- oder Kunstdünger zugekauft. Der natürliche Werdegang ließ uns selten eine Krankheit an irgendeiner Kultur erkennen. Selbst das vorhandene Ungeziefer wurde auf natürlicher Basis in Grenzen gehalten.

Nach dem verlorenen Krieg und dem totalen Zusammenbruch unserer ganzen Wirtschaft und Infrastruktur, hatten unsere Staatsmänner und andere Experten große Not, die achtzig Millionen Deutsche zu ernähren.

Aus Amerika kam nicht nur Hilfe gegen Hunger und Not, von dort wurde auch außer dem Positiven manches Laster nach Deutschland gebracht. Um diese Zeit war ich ein junger Mann zwischen zwanzig und dreißig Jahren. Wir wußten natürlich auch, dass es zweierlei Menschen gab, aber mit Drogen und der Kriminalität wie sie sich heute darbietet hatten wir nicht die geringste Verbindung.

Als die ersten Illustrierten den deutschen Markt belebten, gab es eine Kommission, (der Name ist mir entfallen) die das Bild- und Wortmaterial überprüfte um das jeweilige Blatt für moralisch und jugendfrei zu beurteilen. Diese Kontrollen haben aber nicht länger als zehn Jahre gedauert, ja selbst Bischöfe mußten erfahren, dass alles was aus Amerika kam, gut war. Man sieht auf den Titelbildern der meisten Illustrierte eine wenigstens, halbnackte Frau, und selbst unsere Kirchenfürsten finden scheinbar daran nichts schlimmes mehr.

Die Chemie in Amerika war der Unseren natürlich weit voraus, aber BASF so gut wie Bayer waren schon auf der Straße des Vormarsches. Die deutsche Wirtschaft, oder besser gesagt, unsere Schaffenskraft brachte es soweit, dass wir fünf Jahre nach dem furchtbaren Krieg, schon in der Lage waren, erste Vorräte für unser Volk anzulegen. Nur wenige Jahre später fing man in Deutschland mit Massenproduktion und Viehfabriken an.

Hier habe ich auch, wenn auch im Kleinen, die Anfänge mitgemacht. Mein Schwiegervater war ein alter Hühnerzüchter. Er hatte zwar ein Leben lang mit dem Federvieh hantiert, aber beim Bilanzieren nie schwarze Zahlen geschrieben. Opa war aber auch Erfinder und hatte in den jungen Jahren auch schon Patente angemeldet. Eines Tages nahm er einige Apfelsinenkisten, stellte die in seinem Hühnerstall auf, und die erste Legebatterie, wenn auch sehr primitiv, war entstanden. Er hatte aber bald einen handwerklich versierten Mitstreiter gefunden, mit dem er eine Form fertigte, womit aus steifem Draht ein apfelsinenkistengroßer Käfig, mit Eierablegerinne gefertigt wurde. Nach einiger Zeit beherbergte der Stall für 48 Hühner derartige Käfige mit automatischer Tränke.

Es stellte sich schnell heraus, dass die 48 Hühner, die ab sieben Uhr einen beleuchteten, hellen Stall hatten, die Futterkosten und noch etwas mehr einbrachten. Weil in jedem abgeteilten Käfig nur ein Huhn war, war eine gute Kontrolle möglich. Das Huhn, was nicht die Legeleistung erfüllte landete in den Suppentopf. Die schrecklichen Tierschicksale, die man oft in Dokumentarberichten sieht, habe ich in Opas Hühnerstall nicht erlebt.

Da die Tiere einzeln gehalten wurden, brauchte man auch die Schnäbel nicht abzuschneiden. Ich erinnere mich auch nicht, dass mal geimpft wurde, oder besondere Medikamente über Trinkwasser oder Futter verabreicht wurden. Bei meinen späteren Besuchen in der Landwirtschaft habe ich oft, oder immer, in den gleichen Käfigen wie wir sie hatten, drei Hühner vorgefunden. Oft waren die Tiere mehr nackt als gefiedert, die Füße waren zum Stehen und Gehen nicht mehr in der Lage. Es hat lange gedauert bis man in diesen Ställen mal wieder durchatmen konnte, weil vom Boden bis zur Decke alles mit einer Flusen- Feder- Staubschicht behaftet war. Hauptsache die Eieranzahl stimmte. Wie gesagt, es hat eine Zeit gedauert, bis durch natürliche Belüftung und Ventilatoren die Ställe für Tier und Mensch akzeptabel waren.

Mit Großvieh wurde ähnlich verfahren. Auch hier hat mancher Bauer viel Lehrgeld zahlen müssen bis Stall und Tier auf einander abgestimmt war. Es kam vor, dass ein Bauer der vier bis fünf Kühe hatte, plötzlich zwischen zehn und fünfzehn Bullen mästete und in einem sogenannten Laufstall untergebracht hatte. Wenn in solchen Fällen nicht alles genau abgestimmt war, konnte es passieren, dass bei den Tieren die übliche Gewichtszunahme nie erreicht wurde.

Bei der Kälberaufzucht gab es auch genügend Schwierigkeiten zu überwinden. Man konnte zwar die vorhandenen Ställe schnell und nicht mit großem Aufwand voll Kälberboxen stellen, aber die kleinen Tiere sind sehr empfindlich.

Solange diese Umstrukturierungen noch in Selbsthife erfolgte, war das finanzielle Risiko nicht ganz so groß, als man aber anfing den Bauern Milchviehställe für hundert und mehr Kühen aufzureden, fing bei vielen Bauern echte Armut an. Tatsache war, dass Bauern die einen Stall für 45 bis 50 Kühe oder Bullen bauen wollten, von den landwirtschaftlichen Beratern zu einem doppeltgroßen Stall beraten wurden. Woher das Geld und die Milchkontingente kamen schien kaum eine Bedeutung zu haben.

Ich habe einige wenige Bauern sehr arm werden sehen und auch ein paar erlebt, die ihren Verpflichtungen nicht mehr nachkommen konnten und Konkurs anmelden mußten.

Die Eigenschaften Sparsamkeit und Ehrlichkeit sind bei den Bauern auch heute noch erste Priorität, so dass auf alles verzichtet wird um den Betrieb betriebsfähig zu erhalten. Es muß festgehalten werden, dass Großställe solange sie von Bauern, also Fachkräften betrieben wurden, zu ertragen waren. Als aber die industrielle Aufstallung von Federvieh, Kälbern und Rindern anfing hörte die natürlich Aufzucht oder Mast auf. Die Tiere bekamen von der Geburt bis zum Schlachthaus Antibiotika als Hauptmahlzeit.

So wie die Tiere, gleich welcher Art, wenn sie in Massen gehalten werden nur mit Medikamenten halbwegs gesund bleiben, geht es auch mit jeder Pflanze wenn man sie in Massen anbaut und Monokultur betreibt. Ich erlebte die Zeit, wo die Zuckerrübe immer attraktiver wurde, und jede der vielen Zuckerfabriken große Anstrengungen unternahm, möglichst viel Rohstoff während der Kampagne auf Vorrat zu nehmen. Früher, als noch Pferde die Fruchtfolge beeinflußten, und höchstens jedes vierte Jahr Rüben angebaut wurden, gab es kaum Krankheiten oder sonstige Ausfälle bei Rüben. Die Landwirtschaft wurde aber animiert soviel Zuckerrüben wie eben möglich anzubauen. Die Parzellen für Hafer, Klee und Stroh fürs Pferd konnten nun für die lukrative Rübe teilweise mitveräußert werden. Noch schlimmer wurde es, als die Rheinwiesen kaum noch für Schafe und Kühe gebraucht wurden, und Getreide und Rüben bis kurz an den Strom angebaut wurden. Der Mehr- oder Massenanbau brachte dann auch sehr schnell einige Krankheiten die im Rübenanbau früher nicht bekannt waren.

Da gab es urplötzlich Nematoden, eine Wurzelkrankheit, besser gesagt Schädlinge die sich an den Rübenwurzeln breit und satt machten. Fachleute nennen diese Schädlinge Äälchen oder Aaltierchen (Fadenwürmchen), welche die ganze Rübenpflanze ruinierte. Ob Blatt, Rübenkörper oder Wurzel, die Pflanze macht kurzum einen unmöglichen Eindruck. Die Monokultur macht in brutalster Weise auf sich aufmerksam.

Ich erwähnte schon mehrmals, dass die Zuckerrübe für die Bauern die lukrativste Saat war. Weißkohl und Rotkohl brachten damals auch einen halbwegs guten Gewinn. Nun harmonierten diese Kulturen aber nicht miteinander, weil Kohl eine Wirtspflanze für die Nematode ist. Aus dem Grunde waren damals enorme Flächen regelrecht verseucht, wo Roggen als Vorfrucht hätte stehen müssen gab es Kohl, (Kappes) Erst in den Jahren um 1980/85 machte man ultraviolette Luftaufnahmen und erkannte welch enorme Gebiete von der Nematode befallen waren. Es zeigte sich, dass die meisten Parzellen in der Nähe der Zuckerfabriken befallen waren. Die Saatgutzüchter und die chemischen Fabriken waren schnell mit resistenten Sorten und noch mehr Chemie zur Stelle. Die Firma Bayer hatte damals Temik an die Landwirtschaft freigegeben, bis dahin konnte dieses Mittel nur von Gärtnern angewendet werden. Temik war für mich das beste aber auch gefährlichste Mittel, was je im Rübenanbau angewandt wurde. Es war zuerst an feinem Maisschrot gebunden, und dadurch für Vögel und Wild sehr gefährlich. Dann wurde das Mittel an winzige Basaltkörner gebunden aber kurze Zeit später ganz verboten.

Ich machte die erste Bekanntschaft mit Temik in der Ortschaft Steinhausen. Dort gab es einen Landwirt namens Wilhelm Blankertz, dessen Länderein alle nematodenverseucht waren. Dort brachten wir erstmalig Temick an die Zuckerrübensaat und konnten feststellen, weil wir zur Kontrolle einige Maschinenbreiten ohne das Mittel ausbrachten, dass Temik eine enorme Wirkung hinterließ. Nach getaner Arbeit gingen wir mit dem Herrn Thomas, von der Firma Bayer, zum Hof Blankertz und brachten dort an der Hofeingangstür an einer Seite etwas Temik an einen Rosenstrauch. Im Sommer zeigte sich dann, dass der behandelte Rosenstrauch in wunderbarer Farbe und ohne Ungeziefer gegenüber den anderen Rosen, die total vermilbt waren, dastand. Auch die Zuckerrüben die mit Temik behandelt waren, waren kaum von Rüben die auf unbefallenen Parzellen wuchsen zu unterscheiden.

Nachdem man den deutschen Flüssen weitgehend begradigte Flußläufe verpaßt, und die Überschwemmungsgebiete in den normalen Fruchtfolgeplan einbezogen hat, dauerte es nur bis zum nächsten Hochwasser, dass wieder eine neue Krankheit im Zuckerrübenbau registriert werden konnte. Das war die Rizomania. Man hat mittlerweile festgestellt, dass Rizomania vorwiegend an Flußläufen und dort vor allem nach Hochwasser und Überschwemmungen in Erscheinung tritt. Das Krankheitsbild der Zuckerrübe bei Rizomaniabefall ähnelt den mit Nematodenbefall verseuchten Parzellen sehr. Der Rübenkörper hat eine gelbbraune Farbe und weist Ringe auf die einer Spirale gleichkommen. Die Nematode macht die Rübe zwar von der Wurzel her krank, aber die fast leblosen Pflanzen, mit ihren notreifen Blättern hinterlassen in beiden Fällen den gleichen Eindruck. Auch hier hat man mittlerweile einige resistente Zuckerrübensorten eingeführt, damit die Bauern einen kleinen Ausgleich haben.

Während ich von großen wenig einladenden Ställen schreibe, kommt mir der Betrieb des Herrn Friedrich Papenhoff in den Kopf. Herr Papenhoff hatte immer einen guten sauberen Betrieb, wo schon immer Lehrlinge ausgebildet wurden. Dort standen zu damaliger Zeit bestimmt um die 20 Milchkühe in einer Reihe. Obwohl auch schon eine automatische Entmistung vorhanden war, war die Strohmatte die sich auf dem Gang hinter den Kühen befand, eine Augenweide. Diese Strohmatte kam einem wie eine maschinengemachte Matte vor, Milcheimer und Milchkanne hatten auch in leerem Zustand keine Schwierigkeit einen guten Stand zu haben. Dort saßen immer zwei wunderschöne Katzen, die aufs nächste Melken und auf Mäuse warteten. Die Tiere hatten ab Mai gleich hinter dem Stall ihre Weiden und waren stets sauber und gepflegt. Meist warf ich, bevor ich das Haus betrat einen Blick in den Stall, der sich immer in der selben Qualität präsentierte.

Dann übernahm der Schwiegersohn, der übrigens auch als Lehrling auf dem Hof angefangen hatte den Betrieb.

Der Herr Jäger, so heißt der Schwiegersohn, ist bestimmt ein tüchtiger Landwirt geworden. Er bezog in den ersten Jahren seiner Lehre immer einen Zug Schnitzel für den elterlichen Betrieb und hat auch auf dem Kommerhof (Papenhoff) eine gute Lehrstelle gehabt. Herr Jäger hat natürlich den schönen Milchstall umgebaut und seine Kühe stehen und gehen heute auf Spaltenböden. Er ist mittlerweile Vorsitzender aller Milcherzeuger in unserer Gegend und muß seinen Mitgliedern ja Vorbild sein. Die fachliche Qualität des Herrn Jäger möchte ich keinesfalls schmälern, aber die Kühe in dem ehemaligen Anbindestall waren bestimmt etwas glücklicher.

Im Dorf Rubbelrath gab es außerdem noch die Bauern Josef Schönen, Geschwister Blankenstein und Gebr., nachher Karola Schönges. Bei Schönen wird zur Zeit das ehemalige Stallgebäude zum Feste feiern vermietet. Die Geschwister Blankenstein sind schon vor Jahre verstorben und der aus Schelsen stammende Kurt Nilgen führt nun von Rubbelrath aus beide Betriebe. Der Betrieb Schönges wurde zuerst von Josef Schönges und seinem Bruder recht und schlecht geführt. Obwohl Josef Schönges immer etwas besonderes in seinem Betrieb integriert hatte, wie zum Beispiel Traberzucht und bei ihm sah ich auch das erste fahrbare Gewächshaus. Die Gebrüder wurden nicht sehr alt und der einzige

Nachkomme von Josef Schönges, ein Sohn, war noch zu jung den Betrieb zu übernehmen sodass die Mutter Karola wie eine Direktrice den Betrieb leitete. Den Sohn lernte ich während meiner aktiven Zeit auch noch kennen. Er war ein lieber junger Bauer, aber auch er hatte ein teures Hobby, und zwar machte er damals den Flugschein um sich der Fliegerei zu widmen.

Mit der Ortschaft Rubbelrath, kommt meistens gleichzeitig der Ort Steinforth ins Gespräch, weil man, wie heute so oft, ohne Umstände ein Dorf verläßt und das nächste betritt.

In Steinforth fängt man vorne mit Humpesch an und hört hinten mit Humpesch auf. Außer dreimal Humpesch gab es noch einen Bauern mit dem Namen Funken. Ich erinnere mich noch gut an eine Zeit wo dort ein paar Landwirte mehr ihrem Job nachgingen. Da gab es einen Betrieb Müller, wo der Mann den elterlichen Betrieb in Belmen noch bewirtschaftete, und die Frau Müller mit ihrem taubstummen Bruder den Hof in Steinforth machte. Der Hof in Steinforth brachte meineserachtens mehr Rendite als der Hof in Belmen obwohl dieser größer war und auch über bessere Ackerzahlen verfügte. In Steinforth wurde sehr viel Kleingemüse, von der Petersilie, über Dill, Porree, Salaten, Blumenkohl bis zur Kohlrabi, also alles Produkte für den Markt angebaut. Es wurde dort sehr intensiv gearbeitet und auch gut verdient. Ich erinnere mich, dass die Frau Müller, sie war glaube ich eine geborene Lemm, berechtigt war, für den Bruder mit dessen Namen zu unterschreiben.

Die Humpeschs waren zwar untereinander verwandt aber Geschwister waren sie nicht. Zwei der drei Humpesch-Höfe hatten sehr gute Milchställe

und der dritte hat sich in die Karotte (Möhren) verliebt, und scheint mit dieser Sonderkultur gute Geschäfte zu machen.

Es macht heute Freude mal sonntags über die Dörfer zu fahren. Ein Dorf ist mit dem anderen durch schöne Asphaltstraßen oder Wirtschaftswege verbunden. Wenn früher einer von Glehn nach Liedberg wollte, konnte das bei schlechtem Wetter zum Problem werden. Auch die Dörfer im Dycker-Ländchen waren nur über bessere Feldwege zu erreichen. Da mein Vater in Wallrath eine Schwester wohnen hatte, fuhren wir alljährlich wenigstens ein mal dort zu Besuch, natürlich per Fahrrad. Das Flickzeug was Vater immer mitnahm, kam auch jedesmal zur Geltung. An die Tante kann ich mich kaum noch erinnern, wohl aber weiß ich, dass mein Vater immer sagte :“ Tante Stiena (Christine) ist nicht auf Rosen gebettet, sie hat einen Lahmen und einen Blinden zu versorgen, ihr Mann war nach dem Sturz von einer Karre gelähmt und der mit im Haus lebende Schwager war blind.“ Wenn ich Maler wäre, könnte ich noch heute die Begebenheiten und Eindrücke wiedergeben, die sich mir damals darboten wenn ich dort in der Toreinfahrt stand.

Liedberg war früher auch ein Dorf in dem viele Bauern wohnten. Aber dort sogut wie im Nachbardorf Steinhausen haben die Bauern früh eingesehen, dass in der Industrie oder bei Stadt und Staat leichter an Geld zu kommen war. In Liedberg gibt es nur noch den Obst beziehungsweise. Apfelbetrieb Otto Scherer und den Betrieb Heinz Blankertz noch. Heinz Blankertz hatte immer einen  guten Betrieb, da Heinz mein Jahrgang war und wir uns schon länger kannten erzählte er mir, dass er eigentlich nicht Bauer werden sollte. Sein Vater hatte mit ihm eine Most- und Saftkelterei aufgebaut, dann kam der zweite Weltkrieg, der eigentliche Bauer starb auf dem Schlachtfeld und Heinz mußte dann den Hof übernehmen weil der Vater auch nicht mehr bei Kräften war. Ich glaube nicht, dass es den Betrieb Blankertz noch gibt, weil der junge Müller aus Steinforth, entweder den väterlichen und mütterlichen sowie den Betrieb Blankertz zusammen bewirtschaftet, er hat nämlich die Tochter von Heinz Blankertz geheiratet, oder aber er ist ganz in seinen erlernten Beruf, Automechaniker gegangen.

Der Betrieb Otto Scherer präsentiert sich heute, für jeden gut sichtbar als Apfel und Obsthof Liedberg. Der Hof der Familie Scherer liegt in zentraler Lage und in Schloßnähe. Den Gemäuern entsprechend handelt es sich um einen sehr alten aber schön angelegten Hof. Als ich erstmalig den Betrieb Scherer aufsuchen mußte, herrschten dort noch Sitten und Gebräuche die nicht einfach zu beschreiben sind. Die Betriebsleitung lag in der Obhut von drei alten Fräuleins die von der Arbeit schwer gezeichnet waren. Otto Scherer hat es bei seinen Tanten bestimmt nicht einfach gehabt, zumal er eine moderne Bäuerin aus Schelsen zur Frau bekam. Bei Otto Scherer sowie seinem Sohn ist aber seit Jahrzehnten schon die Moderne eingekehrt. Ob Obstplantage, Erntevorrichtungen oder Lagerung der Äpfel, alles ist zeitgemäß modern und sehr sauber.

Liedberg wäre somit abgehakt und in Steinhausen tut sich mit der Landwirtschaft auch nicht mehr all zu viel. Ich denke in Steinhausen gibt es noch drei bis vier praktizierende Bauern die aber auch in nächster Generation nicht mehr komplett bleiben. Außer dem Bauer Blankertz, den ich schon im Zusammenhang mit einem Temikversuch beschrieben habe, gibt es noch die Bauern Josef Neuhausen und Josef Hintzen. Beide Höfe bearbeiten je um die 25 ha Ackerland und versuchen durch Direktverkäufe ihrer Produkte die Kasse etwas aufzumöbeln. Ich wünsche den kleinen und mittleren Betrieben, dass ihre Produkte so bezahlt werden, damit die Höfe noch recht lange und rentabel bestehen bleiben. Es gab auch dort noch einen Bauer mit dem Namen Blankertz, („ de Schwatte „) wo aber auch der Nachkomme nicht übernehmen wollte. Herr Hintzen ist mir noch in Erinnerung, weil er mir einmal unterjubelte, seine Frau hätte gesagt, „ ich hätte ihm den Wochenschlußstempel zu früh gesetzt, hier und in manchem anderen Fall waren die Frauen vor den Männern emanzipiert.

Ja, es gab eine Reihe gut situierter Höfe, wo nichts aber auch garnichts ohne die Bäuerin über die Bühne ging.

Ganz neue Erkenntnisse gab es für mich als unser Werk Dormagen geschlossen wurde. Wir mussten die rechtsrheinische Kundschaft (Rübenlieferanten) komplett übernehmen und diese auch betreuen.

Der Bezirk begann in Düsseldorf mit allen Stadt- und Ortsteilen und ging über Mettmann, Wuppertal, Mülheim-Ruhr, Kettwig, Essen , Wülfrath bis Neviges. Die Bauern traten zwar etwas vornehmer auf den Plan aber unterschieden sich sonst kaum von den linksrheinischen Kollegen. Wohl möchte ich behaupten, dass wegen der stadtnahen Absatzmöglichkeiten die Kapitalverhältnisse besser waren als in unserem Raum. Die Bauern kamen alle mit modernen schweren Traktoren und die Hänger waren auch von bester Qualität. Die Rüben die aber aus diesem Raum, abends meistens von 18,00 bis 21,00 kamen waren mit einem kaum schätzbaren Erdanteil behaftet. Wir haben viele Waschproben machen müssen bis wir eine halbwegs überschaubare Schätzgenauigkeit erlangt hatten. Soviel Erdanhang an frisch gerodeten Rüben hatten wir nie erlebt, und auch nie so hohe Schmutzprozente schreiben müssen. Die Stadtbauern traten natürlich dementsprechend auf, hatten immer lange, verkehrsreiche Anfahrtswege zu bewältigen, aber nahmen sich anschliessend noch die Zeit abends unter Kollegen in Hülchrath noch ein Bierchen zu trinken.

Da die Mettmänner, wie wir sie immer nannten, aus sehr vielen Grossbauern bestanden, kamen abends auch immer einige Nebenberufler zur Fabrik. Die bekamen dann, wie uns immer erzählt wurde, von den betreffenden Bauern DM 50,00 bar auf die Hand und konnten so 250,00 bis 300,00 DM wöchentlich zusätzlich verdienen. Dies wurde von Postangestellten wahrgenommen aber auch von Leuten praktiziert die bei der Anfahrt schon einen hohen Alkoholspiegel nicht verbergen konnten.

Es gab dort einige Grossbetriebe mit gräflichen Anreden in der Adresse. Die Betriebe Huber, Fröhlich, im Brahm, Paass, Kuhles, Rath, Kuhles Bergermann, und viele mehr zählten zu den ersten Adressen der Landwirtschaft im weiten Rund um Düsseldorf. Zur Zeit des Mauerfalls müssen sehr viele Bauern aus diesem Gremium die ostdeutschen Länder aufgesucht haben um da finanzielle Hilfe anzubieten. Dazu fällt mir ein, dass unser Firmenchef vom Werk Ameln, Dr. Stiemerling, der die ostdeutschen Verhältnisse jahrzehnte lang nicht riechen konnte, nach seinem ersten Besuch in der alten Heimat, die ostdeutsche Landwirtschaft in einigen Belangen als vorbildlich pries. Aber zurück nach Mettmann.

Hier gab es eine Menge kleine und mittelgrosse Landwirte die ihren Beruf bis ins letzte Detail liebten und auch ausübten.

Da war Willi Leuchten der weit über die Grenzen Düsseldofs und Mettmanns bekannt war und das nicht nur wegen seiner hellen Stimme. Willi war immer hilfsbereit, er war zwar auch Lohnunternehmer aber seine Grosszügigkeit wurde von einigen ausgenutzt. Es passierte einige Jahre hintereinander, dass Willi seine eigenen Rüben erst in letzter Minute in der Fabrik abliefern konnte. Willi ging für seine bäuerlichen Kollegen manches Risiko ein, ob er nun mal mit seinem Rübenzug eine Autobahn beehrte oder diesen Zug ständig stark mit Überladung strapazierte. Wenn aber wieder ein Protokoll oder einige Punkte in Flensburg gutgeschrieben wurden, stand Willi immer einsam und allein. Irgendwann kam mir zu Ohren, dass Willi seinen Betrieb aufgeben musste. Er soll einmal durch einen Unfall sehr viel Geld verloren haben und dann kommen meistens noch familiäre Angelegenheiten bewusst oder unbewusst hinzu, und schon ist ein Lebenswerk demontiert.

Auch lernte ich in dieser Region den ersten Dinkel - Anbauer kennen, er wohnte nicht weit von Wuppertal entfernt und bearbeitete sehr hügeliges Land. Die Getreideart Dinkel schien dort anbaumässig gut einzuschlagen. Leider ist mir der Name des Landwirten entfallen, er führte einen modernen Betrieb auf dem seine Eltern auch mit lebten.

In diesem städtisch geprägten landwirtschaftlichem Milieu war besonders erkennbar, dass die Bäuerinnen ein gewichtiges Wort mitsprachen. Damals hielten die Jeeps aller Automarken ihren Einzug, und es gab in dem besagten Gebiet kaum eine Bauernlady die nicht eine solche Karre fuhr. Man muss neidlos anerkennen ,dass auch rechtsrheinisch von grossen und auch kleineren Betrieben gutes Geld verdient wird.

Der Herr Huber, einer der grössten in dieser Gegend, hatte damals schon eine dominierende Hühner – Eierproduktion. Der Herr Huber ist schon einige male in der „aktuellen Stunde“ im Fernsehen mit Filmen seines Betriebes gezeigt worden. Er geht mit der Zeit über und bietet Eier aus Bodenhaltung sowie aus Käfighaltung in grossen Mengen an. In der letzten Sendung konnte ich feststellen, dass Stallungen und auch die Hühner in einem sehr guten Zustand waren und an der sichtbaren Qualität gegenüber 1989, wo ich Gelegenheit hatte den Betrieb zu besuchen, nichts eingebüsst hat. Mir fällt noch zusätzlich ein, dass Frau Doris Huber, was eine nette Frau in allen Belangen war,bei uns auch ein Rübenlieferantenkonto hatte.

Nun habe ich so viel von und über die Bauern gesprochen oder geschrieben und komme noch immer nicht von dem Thema ab. Zur Zeit ist das neueste Reizthema, die „Maul und Klauenseuche“. In jedem Zeitungsartikel kann man zwischen den Zeilen eine gewisse Mitschuld der Landwirtschaft lesen, in den Fernsehdiskussionen über dieses Thema, möchte man auch die Landwirtschaft mit in Verantwortung ziehen. Die Bauern sind vor wie nach die Leidtragenden, einmal sind die Höfe mit Vieh, quasi eine gewisse Zeit in oder unter Quarantäne gesetzt, der Bauer lebt während dieser Zeit isoliert und in Ungewissheit, zum anderen hat er im Falle einer Infektion den Hauptschaden selbst zu tragen. Trotzdem der Bauer seit eh und je selbtständig ist, hat es eine gute Lobby für die Leute selten gegeben.

Ein altes Sprichwort in unseren Regionen behauptet ja, um drei Bauern unter einen Hut zu bekommen, müsste man zwei totschlagen.

Wie gesagt, ich habe ein Leben lang mit und bei Bauern verbracht und reichlich positive, aber auch sehr viele negative Erlebnisse gehabt. Wenn ein Bauer einem Vorstand oder Ausschuss angehörte, meistens waren es die grösseren, hatte er auch sehr schnell Einfluss. Als nach dem zweiten Weltkrieg überall noch alles in Schutt und Asche lag, bekam ein Landwirt durch den ihm verwandten Kreislandwirt sehr schnell einen guten Hof im Nachbarort. Die Aufsichtsräte bei den Molkerein und Genossenschaften haben ihre Kollegen, wenn nötig animiert, ihre Anteile etwas aufzustocken, um in erster Linie ihre eigene Position zu stärken. Ich habe miterlebt, dass die Molkereigenossenschaft Grevenbroich eine Million DM investierte, was übrigens der guten Wirtschaftslage wegen angebracht war, ein knappes Jahr später mit einer etwas grösseren Molkerei fusionierte. Da gab es noch stinkreiche Bauern in den Gremien, die Jahrzehnte keine Kuh mehr besassen aber die Vorteile noch immer mitnahmen.

Die Zuckerfabrik Bedburg war eine auf bäuerlichem Kapital aufgebaute Aktiengesellschaft, welche immer gute Bilanzen aufwies und eine gut florierende saubere Fabrik war. Als mein ehemaliger Arbeitgeber, Pfeifer und Langen unser Werk Wevelinghoven schloss, war, und ich bin es heute noch, sehr erzürnt, aber hier handelte es sich um ein Privatunternehmen. Es interessiert mich wirklich zu wissen wie in Bedburg mit den Bauern, Aktionären und auch mit der Belegschaft verfahren wurde. Pfeifer u. Langen hat sich um die Belegschaftsmitglieder sehr bemüht und bestimmt mit einer 95%tigen Zufriedenheitsquote die Sache abgeschlossen. Ich könnte mir vorstellen, dass die Aktionäre, die früher in erster Position gestanden haben, auch die Schliessung ihrer Fabrik mit abgesegnet haben. Gewiss, die Bauern können ihre Rüben vor wie nach anbauen und auch abliefern, aber die Umstände werden immer schwieriger. So kann man aufzählen wie viel attraktive Positivposten unserer Landwirtschaft verloren gingen. Die ersten Krautfabriken (Krukpasche) waren ja schon früh geschlossen worden. Es ging mit den Sauerkrautfabriken weiter, die Firmen Pegels und Elsener Sauerkraut mit ihren Nebenprodukten haben bis in die 90er Jahre durchgehalten. Die Firma Grönland war damals für die Landwirte in unserem Gebiet eine gute Gelegenheit Spinat, Bohnen, Erbsen und anderes Gemüse für gutes Geld anzuliefern, aber nach guter Anlaufzeit machte auch dieser Betrieb die Tore zu. Die Firma „ Grönland „ hat allenfalls 25 bis 30 Jahre hier in Elsen produziert und dann wurde der Anbau einzelner Gemüsesorten von einer belgischen Firma übernommen. Die Qualitäten der Grönland GmbH waren ob als Konserve oder Tiefkühlware sehr gut und überall beliebt, aber die Marktforschung signalisierte wohl die Betriebsaufgabe. Den Bauern blieb nichts anderes übrig, als immer wieder umzudenken und neue Produkte anzubauen, wo natürlich auch neue und andere Maschinen angeschafft werden mussten.

Nun fing aber auch schon das Zuckerfabriksterben an, die Zuckerfabriken Düren, und Brühl wurden stillgelegt und man dachte damit wäre des Guten genug gewesen. Dann aber machte Pfeifer und langen mit einigen Abständen die Fabriken in Dormagen, Ameln und Wevelinghoven zu, und die Bauernfabrik in Bedburg wurde ebenfalls geschlossen. Die Zuckerindustrie hat für diese Bereinigung auch einen schönen Ausdruck erfunden aber der Bauer hat dadurch keinerlei Vorteil erfahren. Der Bauer muss heute die Rüben doppelt so weit fahren wie bisher, er bekommt einen straff konzentrierten Lieferplan zugestellt der natürlich eingehalten werden muss und die Hänger müssen über automatische Verschlüsse verfügen. Zum Glück sind unsere landwirtschaftlichen Betriebe noch in halbwegs guter finanzieller Verfassung um diese Hürden nehmen zu können.

Die genannten Zuckerfabriken brauchten keinen Konkurs anzumelden, denn alle schrieben meines Wissens schwarze Zahlen. Die Zeit der totalen Konzentration hätte viel eher anfangen können, denn die Rüben-Vorratshaltung war nämlich eine wirtschaftliche Todsünde. Ob ich an den Mietplatz, an die grossen Kippvorrichtungen oder an das dafür nötige Personal denke und nur mal über den Daumen kalkuliere, kommen enorme Summen zusammen. Nun muss ich aber noch Belüftung der Mieten und den Zuckerverlust während der Mietperiode zuzählen.

Alles was ich kommentiere, sind Sachen die ich als mitdenkender Arbeitnehmer erlebt und zur damaligen Zeit auch für gut befunden habe. Heute aber staune ich immer wieder wenn die deutsche Wirtschaft schon lange Zeit die Entschädigung für Zwangsarbeiter des zweiten Weltkrieges vor sich hinschiebt. Der Profit ist der Grossindustrie doch in erster Linie zugute gekommen, und die Zahlungen welche die Wirtschaft jetzt leistet kann zur Hälfte steuerlich abgesetzt werden, so dass der Steuerzahler also für diese Summen aufkommt. All die Fremdarbeiter die nach Deutschland kamen um unser Wirtschaftswunder aufrecht zu erhalten, haben auch in erster Linie der Grossindustrie genutzt, aber die Rückführung scheint der Politik überlassen zu bleiben.

Durch unsere enormen Errungenschaften auf den Gebieten der Komputer- und Roboterbranche sind enorm viele Arbeitsplätze verloren gegangen und dadurch unserem Staat, den Rentenversicherungen sowie auch den Krankenversicherungen grosse Kassenlöcher entstanden. Kuren werden kaum noch verordnet, Medikamente, Zahnersatz und Brillen werden weit weniger bezuschusst und den Ausgleich in der Rentenkasse versucht man durch höhere Kraftstoffpreise zu kompensieren. Der jetzige Arbeitsminister von der rot/grünen Regierung sowie sein Vorgänger Norbert Blüm versuchen und versuchten mit allen Mitteln die Rentenkasse flexibel zu halten, wenn auch mit unterschiedlichen Methoden.

Nun will ich die Politik aber ganz bei Seite lassen, weil die sich ja von mir nicht beeinflussen lässt. Es wäre wünschenswert, wenn die derzeitigen Krisengespräche die uns täglich über BSE und Maul und Klauenseuche informieren, nicht mehr nötig wären und wir in ganz Europa uns angenehmeren Angelegenheiten widmen könnten. Wer hätte je damit gerechnet, dass in einer derart vollkommenen Zeit die Menschheit, wenn auch nicht ans Hungern, aber doch auf alte Gewohnheiten urplötzlich verzichten muss.

So wie sich die gesamte Situation augenblicklich darstellt, könnte es ja ohne weiteres sein, dass uns eine Fleischknappheit bevorsteht und zudem auch die Milch knapp werden könnte. Die Damen und Herren die Europa in Brüssel vertreten kommen sich ja noch erhaben vor, aber wenn das Volk mal nichts mehr zu beißen hat, müssen die sich recht warm anziehen.

Wenn man ununterbrochen wegen Überangebot an Rindfleisch Millionen Kühe abschlachtet und dann die Maul und Klauenseuche noch hinzu kommt kann der Milchhahn mal schnell austrocknen. Meine private Meinung zu den europäischen Einrichtungen, ob EG oder EWG oder wie sie heißen mögen ist schon seit Jahrzehnten derart negativ, dass ich mich während meiner Berufsjahre nie dazu äußern konnte. Uns Deutschen ist das neue und bald vereinigte Europa jedenfalls sehr teuer zu stehen gekommen.

Nun möchte ich mich aber ganz langsam von den Bauern und deren Wehwehchen sowie den Politikern und den Schlagzeilen der letzten Zeit verabschieden. Ich wünsche mir aber besonders der Landwirtschaft, dass dieser Berufszweig, mit den bekannten Eigenschaften, unser Volk noch viele Generationen ernähren kann.

In meinem persönlichen Lebensbereich wäre eigentlich nicht sehr viel zu berichten. Ich befinde mich mittlerweile im vierundsiebzigsten Lebensjahr, und danke meinem Schöpfer für die eigentlich schönen Jahre. Menschen in meinem Alter sind nicht sehr verwöhnt aber auch nie anspruchsvoll gewesen. Krankheiten habe ich auch kaum gehabt. Als Soldat habe ich wegen einer Verwundung einige Zeit im Lazarett gelegen. Mit knapp fünfundsechzig Jahren, vor meiner Pensionierung, wurde ich von einem Herzinfarkt heimgesucht. Daran anschliessend habe ich vierzehn Tage im Krankenhaus gelegen, habe zwischenzeitlich in Mönchengladbach mittels Sonde da Herz und die Gefässe durchleuchtet bekommen und kam dann für vier Wochen nach Bad Nauheim zur Rehabilitationskur.

Wie gesagt, bis dahin kannte ich weder Kurheim noch Krankenhaus. Innerhalb unseres Personalbestandes sah das natürlich anders aus. Ob Arbeiter oder Angestellte, es gab welche die spätestens jedes zweite Jahr in Kur gingen, und das war nicht nur bei der Zuckerfabrik der Fall.

Heute fragt man sich wie das alles möglich war, die Urlaubstage wurden einige male aufgestockt, ab einem Alter von sechzig Jahren bekam man noch mal drei Sondertage pro Jahr und so kam es vor, dass der Personalchef bei einigen Kollegen die Frage stellen musste: „Wann stehen Sie denn der Firma im kommenden Jahr zur Verfügung?“

Während der Zeit des Wirtschaftswunders war einfach alles möglich. Wenn ich überlege wie das damals mit den Ausflügen begann, jeder kleine Verein machte wenigstens einen Ausflug pro Jahr und was sich da oft abspielte ging kaum auf die bekannte Kuhhaut. Natürlich endete das meistens in einem Alkoholrausch. Ich habe es erlebt, als ein Mann seine Frau, die an einer  Rheinterasse alkoholisiert in die Knie gagangen war, mit Schlägen und Tritten wieder nüchtern machen wollte. Es mussten schon ein paar starke beherzte Männer eingreifen die ihn von seinem Opfer abhielten. Es stellte sich immer wieder heraus, das die grossse  Mehrheit mit dem oft schwerverdienten Geld nicht umgehen konnte. Wir hatten in Fürth auch einen Verein in dem ich Mitglied war. Als dann bei einer Versammlung beschlossen wurde, dass ein Ausflug zum Neandertal stattfinden soll, ahnte ich schon was auf uns zukam. Kurz und gut, wir waren noch keine Stunde an Ort und Ziel, da gab es einige von meinen Vereinskameraden denen man in den vier oder fünf ansässigen Lokalitäten Hausverbot verordnet hatte. Ich habe mich sehr anstrengen müssen, den Verein über diese Krise hinwegzubringen. Wenn ich in späteren Jahren einen Ausflug von vorne herein nicht vereiteln konnte fand ich immer eine Entschuldigung um ein solche Fiasko nicht noch einmal mitmachen zu müssen.

Es sind zum Glück nicht nur solche Ausflüge gemacht worden. Wie oft haben wir in der Eifel wunderschöne Wanderungen durchgeführt, wo nachher unbedingt ein Reiseleiter hätte bei sein müssen. Ich weis nicht ob ich schon von dem Eifelort Blens berichtet habe. Dort hatte ich, wie man so sagt mein Herz verloren. Natürlich nicht als verliebter Narr, sondern weil mein Schwiegervater in diesem Ort ein kleines altes Geschäft gekauft hatte, was aber sehr verschuldet war. Zuerst habe ich mal kalkuliert, dann meine Frau überzeugt und schon war ich beteiligt. Ja ich war Teilhaber aber in erster Linie an einem enormen Haufen Arbeit. Die Ereignisse überschlugen sich und eines Tages war ich der Alleinbevollmächtigte. Mein Schwiegervater der ausser den Ausflügen im Namen des Führers nirgendwo mehr gewesen war, fuhr für acht Tage in das Ländereck  Oestereich, Ungarn und Deutschland. Er hatte sich sehr gut erholt, aber bekam einen Herzinfarkt und verstarb innerhalb von 3 Tagen im Krankenhaus. Was nun auf mich zu kam war nicht mit besonderem Stolz abzutun. Alles was ich je getan habe war mit Zuversicht  und Überlegung ausgeführt worden.